Quelle: Archiv MG - EUROPA AUSTRIA - Unsere neutrale Ostmark
zurück
Aus der Serie: "Wir wählen unseren Häuptling". Heute:
VERTRAUEN GEGEN VERTRAUEN
Vor 1938 hat er sich bei den regierenden Christlichsozialen enga-
giert. Sofort nach dem verlorenen Weltkrieg hat er sich als lang-
jähriger Widerstandskämpfer zu erkennen gegeben. Darf man so ei-
nem Mann zutrauen, daß er auch während der Kanzlerschaft Hitlers
seinem Grundsatz treu geblieben ist, sich der jeweils amtierenden
Staatsgewalt anzudienen?
Der Kurt mit den langen Ohren
-----------------------------
erteilt differenzierte Auskünfte. Im damaligen Vaterland hat er
sich jedenfalls pudelwohl gefühlt. Mustergültig studiert; ziel-
strebig die Karriere vorbereitet; ab und zu ein wenig Herrenrei-
ten im Prater. Natürlich auch im Krieg vorbildlich seinen Mann
gestellt und es flugs in die höheren Offiziersränge gebracht.
Andererseits: mit den damaligen I n h a b e r n der vaterländi-
schen Gewalt hat er selbstverständlich nie und nimmer gemeinsame
Sache gemacht. Dafür hätte er gar keine Zeit gehabt, weil er viel
zu sehr mit der militärischen Erledigung von deren auswärtigen
Feinden beschäftigt war. Die hat ihn so in Anspruch genommen, daß
er von der Massakrierung nichtuniformierter Volksschädlinge gar
nichts mitkriegen konnte.
"Dabei" war er jedenfalls nirgends. Wahrscheinlich war er so
tüchtig, daß ihm der Führer auch so vertraut hat. Wie es an-
schließend "die Welt" gemacht haben und jetzt der österreichische
Wähler machen soll.
Die demokratische Öffentlichkeit
--------------------------------
ist sich darüber einig: Wenn es stimmt, was der - immer noch par-
teilose! - Dr. Waldheim berichtet, dann spricht diese Biographie
enorm für den Mann. Sollte sich jedoch herausstellen, daß Jung-
Kurt genau dasselbe, aber in Besitz irgendeines Mitgliedsbuches,
getrieben hat dann spricht das überhaupt nicht gegen ihn. Dafür
haben Demokraten jedes Verständnis: Wer Karriere machen will, muß
seine Staatstreue beweisen. Das war unter Hitler nicht anders als
heute, höchstens noch dringlicher geboten. Dergleichen ließe sich
sogar als frühe Regung von Waldheims zutiefst humanitärem Charak-
ter deuten: Vielleicht wollte der Bub gar seinen alten, kranken
Vater vor den Nazi-Schergen schützen, indem er verzweifelt ver-
suchte, deren Vertrauen zu gewinnen? Wollte und konnte er schon
damals das Vertrauen seiner Eltern nicht enttäuschen, die solches
von ihm erwarteten?
Wie auch immer - dann soll er's offen sagen, etwa: 'Mir hat schon
die SA ein Reitpferd anvertraut!' Was österreichische Leitar-
tikler jedoch gar nicht leiden können, ist der Verdacht, der Kan-
didat wolle ausgerechnet einen Sachverhalt vor ihnen vertuschen,
für den sie, so er zuträfe, schon im vorhinein vor Verständnis
triefen. Hat Waldheim am Ende kein Vertrauen in ihr Vertrauen zu
ihm? D a s würde bei ihnen schwerste Bedenken hervorrufen: Ein
Präsidentschaftskandidat, der nicht zu seiner Nazi-Vergangenheit
steht, weil er meint, das würde das ihm entgegengebrachte Ver-
trauen schmälern so einer hätte bei ihnen jedes Vertrauen ver-
spielt.
Der Wahlkampf
-------------
hat durch diese "politische Vergangenheitsjagd" (so unser amtie-
render Höchster) eine echte Bereicherung erfahren. Mit demselben
"Argument" setzt der eine auf die Mitleidsmasche, während der an-
dere Kurt seinen Großmut mit Wählerkreuzen honoriert sehen
möchte.
Kurt W.: "Jetzt erst recht!"; wem so zu Unrecht Böses nachgesagt
wird, der braucht, und verdient unendlich viel Vertrauen. Also:
Die Rächer der Entrechteten und Enterbten wählen Waldheim.
Kurt St.: "Ich mache die Vergangenheit nicht zum Wahlkampfthema."
Also: Die Edlen und Großherzigen wählen Steyrer.
Nur noch zwei Monate bis zur Wahl, und die Entscheidung wird im-
mer schwieriger. Wenn man so bescheuert ist, sich darauf einzu-
lassen.
zurück