Quelle: Archiv MG - EUROPA AUSTRIA - Unsere neutrale Ostmark
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Zeitgemäße Imagekorrekturen des Österreichischen Militarismus:
UNSERE WEHRMACHT GILT WIEDER WAS
"Das stärkste Bundesheer, das wir je hatten: 186.000 Mann. Das
Milizsystem macht's möglich: ...so viele Soldaten wurden zuletzt
zur Kaiserzeit in Österreich aufgeboten." (Kurier)
"Phillip will beweisen, daß unser Heer nach 30 Jahren ständigen
Reformierens verteidigungsbereit ist - und etwas darstellt."
(Kurier)
"Das Raumverteidigungskonzept ist für die Verhältnisse Ihres Lan-
des optimal." (BRD Verteidigungsminister Wörner)
I. Das schlechte Image des rot-weiß-roten Militärs
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Politik und Öffentlichkeit betonen neuerdings die eigene militä-
rische Stärke und Kampfbereitschaft. Historische Vergleiche mit
dem lang zurückliegenden, einsamen Höhepunkt österreichischer Mi-
litärvergangenheit werden angezogen. Man lädt sich einen NATO-
Verteidigungsminister ein und gibt ihm weiten öffentlichen Raum,
über die Anlage der österreichischen Landesverteidigung und die
positive Gesinnung der Truppe ins Schwärmen zu geraten. Erstmals
seit 20 Jahren wird dem Volk mit einer öffentlichen Truppenparade
wieder Gelegenheit verschafft, sich am Zauber der schimmernden
Wehr zu erfreuen. So erfährt die Nation, daß das österreichische
Bundesheer sein jahrzehntelanges und von oben durchaus mitge-
pflegtes Image leid ist.
Wie sieht denn das aus und was stört den Verteidigungsminister so
sehr daran, daß er seine Ministerschaft unter das Motto stellte,
"dem Bundesheer sein Negativimage zu nehmen,... in der Bevölke-
rung das Verständnis für die Landesverteidigung zu fördern... das
Heer zum Gegenstand eines neuen Patriotismus zu machen"?
"Eh, harmlos" - Ein seltsames Kompliment an die kämpfende Truppe.
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Da gab es zunächst zwei merkwürdige Begründungen, mit denen von
seiten der Politik vor allem in der Ära Kreisky, für den fraglos
guten Zweck des heimischen Militärwesens geworben wurde: So wurde
nicht selten von amtierenden Befehlshabern der moralische Bonus
der Armee mit dem Hinweis eingestreift, daß sich "kein Nachbar
vor unserem Heer fürchten muß".
Der Opportunismus der Politik hat dabei den agitatorischen Ertrag
allerdings aus einem für sie sehr unbefriedigenden Umstand gezo-
gen: man warb für die moralische Güter nationalen Kampftruppe
ausgerechnet mit einer Eigenschaft, die d e m Mittel kämpferi-
scher Durchsetzung nationaler Interessen nach außen am Abträg-
lichsten ist: seiner relativen S c h w ä c h e. Wenn es, zwei-
tens anläßlich der Mittelbeschaffung oder diverser Waffenexporte
zu Zwistigkeiten mit engagierten Österreichern kam, die solches
als unvereinbar mit ihrer guten Meinung über die Heimat
empfanden, wollte die Politik zur Außerstreitstellung ihrer Posi-
tion auf den Hinweis nicht verzichten, "daß der Staatsvertrag uns
ein Bundesheer vorschreibt". Die Vernunft, in deren Namen hier
f ü r die Landesverteidigung plädiert wird, trägt für deren Güte
und Friedliebigkeit die geheuchelte D i s t a n z zur eigenen
Armee zur Schau, wenn sie deren N o t w e n d i g k e i t mit
dem Hinweis auf die Verpflichtung gegenüber anderen Souveränen
betont.
Neuer Wehrpatriotismus: "Harmlos? Von wegen!"
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So tauglich die angeführten Verfahren für den Beweiszweck waren
und sind, die jeweilige militärische oder Waffenexportinitiative
mit einem außer Streit stehenden Zweck zu affirmieren, schauen
sie an einem Maßstab gemessen doch ganz schlecht aus: wenn näm-
lich der demonstrative Schulterschluß der Nation hinter ihrer Ar-
mee und der bedingungslose Glaube an ihre Nützlichkeit und Kampf-
bereitschaft gefragt sind.
Daß diese Einstellung nicht von vornherein selbstverständlich
war, lag keineswegs an einer besonderen Friedensliebe der öster-
reichischen Politiker der Nachkriegszeit, sondern an den Wider-
sprüchen, die das Bundesheer seit jeher auszeichnen. Grundlage
für die propagandistische Betonung der H a r m l o s i g k e i t
der eigenen Kriegskünste war der für politische Macher und son-
stige Nationalisten äußerst unerfreuliche Tatbestand, daß das
Souveränitätsmittel der Nation nach außen
- von fremden Staaten, den Siegermächten des letzten großen Waf-
fenganges, zu deren Bedingungen konzessioniert wurde und von die-
sen abhängig ist;
- daher, was Kriegszweck, Mittelbeschaffung und mögliche Bünd-
nisse betrifft, von außen definiert und beschränkt bleibt.
Anlaß zur Unzufriedenheit liefern diese Souveränitätsbeschränkun-
gen in mehrfacher und sehr prinzipieller Hinsicht: Denn so sehr
es inzwischen zum guten Ton aller Staaten gehört, ihre militäri-
schen Anstrengungen mit dem moralischen Ehrentitel der Souveräni-
täts v e r t e i d i g u n g zu versehen, so wenig attraktiv ist
es, mit dieser Ideologie ernst zu machen: heißt das doch auf je-
den p o s i t i v e n Kriegsgrund, also auf den Einsatz der Mi-
litärmacht für die Glaubwürdigkeit der eigenen Ambitionen gegen
die anderen eigennützigen, daher störenden Staaten zu verzichten.
Weil solche Beschränkung dem staatlichen Zweck, sich ein Mittel
seiner Souveränität und damit seines Machtzuwachses zu verschaf-
fen, einigermaßen zuwiderläuft, mußte die "freiwillige" Ver-
pflichtung auf einen r e a k t i v e n Kriegsgrund der Republik
von den Siegermächten als Souveränitätsbedingung diktiert werden.
Die praktische Konsequenz dieses Mangels an militärischer Offen-
sivkraft kennt jeder: im Unterschied zur NATO-BRD sind alle rot-
weiß-roten historischen "Wiedervereinigungsansprüche" von Südti-
rol bis zum Donauraum bis auf weiteres zur "kulturellen Mitver-
antwortung und grenzüberschreitenden Einheitsstiftung für histo-
risch zusammengehörige Gebiete" zurechtgestutzt. Dazu kommt noch
die beständige Entwertung der eigenen Kriegsmittel und damit der
Schlagkraft der Truppe durch die laufenden militärtechnologischen
Fortschritte der beiden Paktsysteme. Neben dem Verbot von Lenk-
waffen und den beschränkten ökonomischen Ressourcen der Nation
wird eine Aufwertung der militärischen Kampfkraft vor allem durch
das Anschlußverbot an das westliche Bündnis verhindert, das die
politische und ökonomische Identität des Landes so sehr prägt,
daß die Neutralität unablässig auch als Beschränkung reflektiert
wird.
"Glaubhafte Szenarios" zur Stärkung des Wehrwillens
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Dieser für sie unangenehme Umstand, daß Österreich in einer so
entscheidenden Souveränitätsfrage nur bedingte Souveränität ge-
nießt, hat die Politik freilich nicht nur nie an der
"Sinnhaftigkeit" der Landesverteidigung zweifeln lassen, sondern
gab lauter Anlässe ab, um ein "der Besonderheit der österreichi-
schen Situation" entsprechendes Verteidigungskonzept zu entwer-
fen:
"Unsere Situation liegt daran, daß wir fürchten müssen, im Zuge
eines europäischen Konfliktes, als strategisches Ziel, von wem
auch immer, eingenommen zu werden. Wenn wir uns im Rahmen eines
europäischen Konfliktes umsehen, dann werden wir erkennen, daß
die NATO für uns keine Truppen abstellen wird, weil sie zum Bei-
spiel für die territoriale Verteidigung an der DDR-Linie jeden
Mann braucht. Mit dem Warschauer Pakt ist es nicht viel anders.
Wir werden, wenn es soweit kommen sollte, einem Gegner gegenüber-
stehen, mit dem wir durchaus fertig werden könnten, zumindest
eine Zeit lang." (Frischenschlager)
Solch optimistische Lagebeurteilungen für den 3. Weltkrieg ist
zweierlei zu entnehmen. Erstens, daß echte Begeisterung für das
nationale Kriegswesen ohne Siegesperspektiven eine matte Sache
ist. Und zweitens, daß sich der Herr Minister auf den vorhandenen
Wehrwillen durchaus verläßt, wenn er ihn mit diesem europäischen
Schlachten-Szenario in Stimmung bringen will. Denn welcher
"Zweifel" über das Heer soll denn mit dieser Auskunft zerstreut
werden, außer das bis ins Mark patriotische Bedenken, es könnte
seinen militärischen Auftrag womöglich nicht so recht erledigen?
Diese Nörgelei über die mangelnde Tauglichkeit des Militärs gilt
Frischenschlager als höchst bedenklich. Einerseits ist es für den
Kriegs-; pardon: Verteidigungsminister ja sehr erfreulich, wenn
sich beim Volk in Kriegsfragen weit und breit kein anderer Unwil-
len ausmachen läßt als ein gewisser Trübsinn über die Schlagkraft
der Truppe. Andererseits gehört so ein Defätismus natürlich ent-
schieden bekämpft. Praktisch, indem der Staat sein Militär ziel-
strebig ausbaut. In der Frage tut er was er kann und für nötig
befindet und steht auch nicht an, mit dem erreichten Stand an
Kriegsgerät und -mannschaft öffentlich anzugeben. Dabei bleibt
freilich eines unübersehbar: Selbst dem friedlichsten Kleinstaat
sind, bezogen auf den anspruchsvollen Maßstab einer europäischen
Weltkriegsplanung, bei seiner Mittelbeschaffung recht deutlich
Grenzen gesetzt. Das nationalistische Gemüt, das Treue und Opfer
durch eine starke Nation gelohnt sehen möchte, bedarf also gei-
stiger Führung, die ihm diesen letzten Vorbehalt gegenüber der
bewaffneten Macht seines Staates austreiben soll. Und die ist
billig zu haben, weil sie ja - nicht zuletzt bei "Kritiker" des
Bundesheeres - das Bedürfnis vorfindet, an die Güte der Wehrmacht
glauben können zu wollen. Daß ein allgegenwärtiges Wehrbewußt-
sein, das sein Heer nicht minder, sondern hoch schätzt, die Wehr-
kraft seiner Nation enorm befördert, leuchtet einem überzeugten
Österreicher allemal ein: schließlich hat er nur die eine!
II. Vom Bürgerrecht auf eine vorbildliche Armee,
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auf Waffenexport und Wehrpathos
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Wenn Rekrutenangelobungen öffentlich und in allen größeren Städ-
ten Österreichs stattfinden; wenn die Schlagkraft der Armee neu-
erdings wieder zum Gegenstand öffentlich demonstrierten National-
stolzes erhoben wird; wenn österreichische Medien von den Entbeh-
rungen der Wehrmänner anläßlich winterlicher Truppenübungen als
Demonstration soldatischer Tugenden schwärmen; wenn der Bundes-
präsident in seinen Ansprachen dem nationalistischen Wehrpathos
Raum gibt, dann dient das alles diesem guten Zweck: Das Wehrbe-
wußtsein des Volkes auf die liebenswerten Eigenheiten unseres
Heeres abzustimmen. Es genügt eben nicht, mit Zwangsrekrutierung
und ökonomischer Ressourcenbeschaffung, die ja auch bei uns so
gering gar nicht ist, die ganze Gesellschaft an die Bedürfnisse
des Militärs angepaßt zu haben. Es muß im Volk auch eine Haltung
gestiftet werden, die trotz relativ ungünstiger Ausgangsbedingun-
gen für den Ernstfall die Überzeugung im Herzen jedes Nationali-
sten garantiert, daß sich das Sterben für die Nation auch
l o h n t.
Also gewährt die Regierung für die positive Erledigung dieser na-
tionalistischen Sinnfrage ausgiebig das Bürger r e c h t, auf
seine Armee wieder stolz sein zu können.
"Soldaten sollen in der Öffentlichkeit aussehen wie Soldaten und
nicht wie verkleidete Gammler."
"Ich wünsche, daß die Wachlokale so aussehen, wie sich das ein
ziviler Besucher vorstellt." (Phillip)
Der Wunsch der Politiker, den Soldatenstand und damit den Wehr-
dienst als Vorbild im Bewußtsein der Bevölkerung zu etablieren,
hat sie die alte Weisheit von der Armee als Schule der Nation
wiederbeleben lassen. Anläßlich von Skandalen und Korruption be-
tont der Armeegeneral, daß soldatischer Drill, Tugend und Wertge-
Fühl, kurz die entsagende soldatische Unterordnung dem demokrati-
schen Wohlstandsbürger auch außerhalb der Kaserne am besten zu
Gesicht stünde.
"Auf Tugenden wie Pünktlichkeit, innere Ordnung und Sauberkeit
wird wieder mehr Wert gelegt werden müssen. Daß die Schlamperei
in unserer Gesellschaft weitestgehend toleriert wird, bildet den
ständigen Nährboden für Skandale, die allgegenwärtig sind."
(Phillip)
Bei der politischen Behandlung des Waffenexports wird ebenfalls
ein neuer Ton von oben angeschlagen. Hatte bisher die konstruk-
tive Sorge um den guten Ruf der Nation bei der moralischen Bewäl-
tigung heimischer Geschäfte mit dem Krieg ihr festes Platzerl in
der öffentlichen Meinung, wird eine derartige Berichterstattung
heutzutage schlicht als "Hochverrat" (Blecha), "unzumutbare Schä-
digung des Ansehens Österreichs und unserer Wirtschaft"
(Sinowatz) verboten bzw. die Urheber gleich mit dem Verdacht be-
legt, mit ausländischen Geheimdiensten zu kollaborieren. Daß es
dabei um die ernsthafte Sorge ginge, die heimischen Waffenprofite
könnten ausgerechnet durch patriotische Moral in Gefahr kommen,
widerlegen nicht nur die an einer Hand abzuzählenden Fälle, wo
Waffengeschäfte angeblich deswegen nicht zustandekamen. Vielmehr
war auch in den Hochzeiten moralischer Empörung die Waffenproduk-
tion durch ein außer Streit stehendes Argument prinzipiell für
unantastbar erklärt: weil die heimische Waffenproduktion eben Zu-
lieferfunktion für unsere autonome Landesverteidigung habe, galt
die "ökonomische Notwendigkeit" des Exports gegen alle Dünkel
prinzipiell als opportun. Wenn heute Sinowatz, Blecha und Ofner
angesichts der "Skandalberichte" Feuer auf dem Dach der heimi-
schen Waffenindustrie herbeiunken, dann gilt das einem ganz ande-
ren Umstand. Sehr frei und ohne Druck durch die Medienmeinung ha-
ben sie sich entschlossen, dagegen vorzugehen, daß Journalisten
und Friedensfreunde aus dem Waffenexportgesetz ein R e c h t
auf moralische Bedenklichkeiten beim Waffengeschäft herauslesen.
"Die derzeitige Phase der Skandalisierung von allem und jedem,
was nur irgendwie mit Waffen und Rüstungsproduktion zu tun hat,
sägt uns ein wesentliches Bein unserer äußeren Sicherheit an!"
(Frischenschlager)
So bedrohlich das hier gemalte Gefahrengemälde auch präsentiert
wird, so leicht durchschaubar ist die politische Absicht. Wenn
der Verteidigungsminister jeden noch so kleinen Zweifel an der
Legitimität eines Waffengeschäfts - inzwischen gelten ohnehin nur
mehr unerlaubte Waffenexporte für eventuell verwerflich - als Ge-
fährdung der Staatssicherheit definiert, ist er sich der fraglo-
sen Anerkennung des "Grundwerts Landesverteidigung" sicher und
nützt diesen Umstand zu der Offensive, jedes moralische Gemecker
bezüglich heimischer Waffenproduktion für prinzipiell unverant-
wortlich zu erklären. Der Bundeskanzler schlägt in die gleiche
Kerbe, wenn er klarstellt, daß die politische Entscheidung für
ein Waffengeschäft mit öffentlicher Außerstreitstellung ge-
fälligst gleichzusetzen ist.
"Ich kenne nur von uns erlaubte Waffenexporte der heimischen In-
dustrie. Insofern verstehe ich überhaupt nicht, wieso es in den
Medien zu so einer Aufbauschung irgendwelcher ausländischer Ge-
heimdienstberichte kommt."
So lautet die aktuelle Korrektur der guten Meinung zum Militär-
handwerk der Nation. Wer sich bisher darüber moralisch besorgte,
bringt freilich alle Voraussetzungen mit, die Gleichung, daß al-
les was für die Landesverteidigung notwendig ist, damit auch
schon g u t ist, rasch zu kapieren.
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