Quelle: Archiv MG - EUROPA AUSTRIA - Unsere neutrale Ostmark


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WAS WÄRE ÖSTERREICH OHNE SEINE ARBEITSLOSEN?

Die veröffentlichten "Horrorzahlen" von 200.000 Arbeitslosen ha- ben die demokratische Debatte enorm belebt. Das "Problem der Ar- beitslosigkeit", als das Arbeitslose gesellschaftlich anerkannt sind, erfreut sich seit der Veröffentlichung dieser Zahl wieder äußerster Beliebtheit - als Berechtigungsausweis fürs Regieren, Opponieren, Geschäftemachen und gewerkschaftlich Mitbestimmen. Aber auch die höheren Werte wie "Selbstverwirklichung" und "Sinn des Lebens" werden von Pfaffen, Journalisten und anderen Wissen- schaftlern recht reichlich den Arbeitslosenzahlen entnommen. Kein Zweifel, daß eine moderne Demokratie ihre Arbeitslosen braucht - wie wüßte man denn sonst, daß man es mit ihr ausnehmend gut ge- troffen hat, wen man wählen soll, was man von "unserer Wirt- schaft" hat und was der Sinn des Lebens ist? Der Kanzler ----------- hat die Arbeitslosen als Problem anerkannt, weil er zeigen möchte, daß er gut regiert. Dabei scheint das Regieren von Öster- reichern so ein Vergnügen zu sein, daß er nichts als seine Zu- friedenheit mit dem eigenen segensreichen Wirken zur gefälligen Annahme empfiehlt: "Ich bin optimistisch für Österreich... Österreich ist sicher keine Insel der Seligen, aber wie viele Länder wären selig, hät- ten sie unsere Probleme?" Unendlich viele sicherlich beneiden Herrn und Frau Österreicher um ihren Sinowatz, der nur das "Problem der Arbeitslosigkeit" hat. Die taugt nämlich zum Angeben, wenn man sie mit anderen - höheren - Zahlen vergleicht. Noch dazu - und das macht Fred noch zufriedener -, wo die Arbeitslosen k e i n Beleg für schlechte Profite sind. Wenn "unsere Wirtschaft" aus wenig Arbeitskraft viel Leistung herausholt, wenig Lohn zahlt und in ordentlichen Geschäften versilbert, strahlt der Kanzler vor Optimismus. Daß dann eben die Arbeitslosen kein Problem, sondern eine nützliche Einrichtung fürs Geschäftemachen sind, will er freilich nicht ge- sagt haben. Ein Problem sollen sie schon noch sein: "Damit möchte ich die Arbeitslosigkeit nicht vom Tisch wischen. Denn jeder Arbeitslose ist einer zuviel." Klar - die Politik soll man ja auch weiterhin als Lösung des "Problems Arbeitslosigkeit" sehen; bloß dem Kanzler und "unserer Wirtschaft" soll man sie nicht anlasten, wo sie beide doch so er- folgreich sind. Also liegt das Problem eben an den Arbeitslosen. Die werden nämlich immer mehr und kommen aus ihren Löchern aufs Arbeitsamt, anstatt zu versuchen, weiterhin vom Lohn der oder des Alten zu leben: "Es drängen neue Schichten auf den Arbeitsmarkt, die sich bisher nicht bei den Arbeitsämtern gemeldet haben..." Das macht aber nichts, denn schließlich ist der Kanzler ein Pro- blemlöser, der den Unternehmern weiterhin Geld aus der Arbeitslo- senkasse für die Verbilligung des Lohns, den sie zahlen, zuschie- ßen will. Eine Maßnahme gegen die "Arbeitslosigkeit" selbstver- ständlich oder auch "Arbeitsmarktförderung", die den Erfolg der "Arbeitgeber" befördert und schon deswegen ein Segen für die Ar- beitslosen ist. Denn bei ihnen wäre das Geld ja rein verschwen- det. Allerdings soll man sich über diese "finanziellen Anreize" für die heimische Unternehmerschar nichts vormachen: "Es zeigt sich aber, daß finanzielle Angebote allein nicht genü- gen. Deshalb wird es nun Weiterbildungsprogramme geben, die die Qualifikation der Arbeitssuchenden erhöhen." Die Geschäftsförderung, die bisher als "Maßnahme gegen die Ar- beitslosigkeit" verkauft wurde, will der Kanzler auch weiterhin so sehen - auch und gerade dann, wenn sich der im Titel angekün- digte Effekt nicht einstellt. Daß sie "nicht genügend" ist, heißt eben nur, daß sich um das "Problem der Arbeitslosiekeit" auch an- ders und noch mehr gekümmert wird, als bisher. Mit den "Weiterbildungsprogrammen" pflegt der Kanzler den Schein, als wäre die ungenügende Ausbildung von 200.000 Arbeitslosen der Grund dafür, daß nur 20.000 Stellen frei sind. So wird klarge- stellt, daß die Arbeitslosen am Problem, daß es sie gibt, selber schuld sind, weshalb sie fein säuberlich aussortiert gehören. Vielleicht finden sich noch ein paar profitlich vernutzbare Wei- zenkörner im Spreuhaufen! Die Opposition -------------- findet die Arbeitslosigkeit ganz wichtig, weil sie beweist, daß die ÖVP an die Regierung muß. Umso mehr bekräftigt sie die Lüge, daß demokratisches Regieren so etwas wie "Arbeitsplatz- beschaffung" wäre, um daran die Regierung für gescheitert zu erklären: "Diese Regierung ist am Ende! 206.000 Arbeitslose! Das ist die höchste Arbeitslosenzahl seit 1959!" Die Zahlen, die menschlichen Schicksale können da gar nicht dra- stisch genug ausgemalt werden - stehen sie doch alle für ein Ver- sagen der Regierung vor dem eigentlichen Zweck der Politik: Der "Beschäftigung". Dabei spielt ausgerechnet Herr Mock mit der "anderen Politik", nach der das "Problem der Arbeitslosigkeit" so herzzerreißend schreit, das alte SPÖ-Einseifer-Argument gegen die Regierung aus, wonach Wirtschaftspolitik eine Art Strategie wäre, um der Bevölkerung ein Auskommen per Lohnarbeit zu verschaffen. Mit der Erfindung eines "schweren Rückschlags der Wirtschaftspo- litik" bekräftigt die christliche Regierungsreserve den guten Glauben an "unsere Wirtschaft", welche eben zur vollen Entfaltung ihrer menschenfreundlichen Qualitäten unbedingt einen Kanzler Mock braucht. Wegen des "Problems der Arbeitslosigkeit", versteht sich. Die Unternehmer --------------- stehen schon wegen des Umstandes, daß sie schließlich Arbeiter für ihr Geschäft anwenden, beim "Problem der Arbeitslosigkeit" als Wohltäter der Menschheit da. Sie sind ja die "Arbeitgeber" und verrichten bei ihrer Kunst, mit wenig Lohn den "Arbeitnehmern" möglichst viel Leistung abzupressen, eine all- seits hochgeschätzte Pflicht, die mit ihrem Interesse auch ganz zusammenfällt. Die "Horrorzahl" von 200.000 Arbeitslosen hat auch sie zu einem Stück demokratischer Öffentlichkeitsarbeit veran- laßt. Ihre Bundeskammer ringt die Hände darüber, daß der ganze so wohlgefüllte "Arbeitsmarkt" den Nutznießern der Lohnarbeit viel zu wenig entspricht. Angesichts einer solchen Masse von disponi- blem Arbeitermaterial werden Unternehmer sehr anspruchsvoll und rufen in Erinnerung, was ihnen eigentlich zusteht. Das freie Un- ternehmertum hat ja wohl das Recht auf einen Arbeitsmarkt, auf dem es sich jederzeit Arbeitskräfte in der genau gewünschten Menge, mit exakt dem dienlichen Können, mit jeder Arbeitszeit und zu einem Preis, den es bestimmt, aussuchen kann. Von diesem Wunsch der Unternehmerschaft ist der vorhandene "Arbeitsmarkt" gleich wieder ein einziges Problemfeld mit lauter Hindernissen, die Herr Kehrer in seiner Arbeitslosentypologie vorstellig macht: "Es gibt drei Gruppen von Arbeitslosen. Erstens die Unqualifi- zierten oder falsch ausgebildeten. Zweitens jene, die wohl etwas gelernt haben und für die in Betrieben Stellen frei wären, nur kommen Arbeitssuchende und möglicher Arbeitgeber nicht zusammen - das ist ein Problem der Arbeitsämter. Und schließlich die dritte Gruppe, die freiwillig Arbeitslosen man könnte weniger vornehm sagen, die Trittbrettfahrer." (Kehrer, Krone 21.2.86) Das Ideal des billigen, an jedem Ort Österreichs einsetzbaren und für jeden Unternehmer bereits eingearbeiteten "Arbeitnehmers" scheinen jedenfalls die Unternehmer recht durchgängig entwickelt zu haben, wenn sie 200.000 Arbeitslose als einziges Hindernis für ihre Anstellung besprechen. Das Arbeitslosengeld ist ihnen zu hoch, weil die Differenz zwi- schen Lohnsumme und Arbeitslosengeld aufgrund der Lohnsenkungen der letzten Jahre immer geringer wird. Für die klassenbewußten "Arbeitgeber" ist das selbstverständlich gleich ein Anlaß, den Sozialstaat als angebliche Gefährdung der Erpressung der "Arbeitnehmer" mit dem Lohn öffentlich anzuprangern. Vornehmer wird die G r u n d l a g e des Umgangs mit den "Arbeitnehmern" so mitgeteilt: "Die Arbeitslosenunterstützung sollte so sein, daß sie auch für eine neue Beschäftigung ausreichend motiviert." (Kehrer) Die Gewerkschaft ---------------- ist sowieso der Hauptanwalt der Arbeitslosen - vertritt sie doch die nützliche Anwendung aller "Unselbständigen" für die "Selbständigen". Die "Horrorzahl" 200.000 bestätigt da nur die gewerkschaftliche Auffassung, daß vor der A r b e i t jede mit ihr verbundene Nutzenkalkulation der A r b e i t e r zurückzu- stehen hat. Nach dem Schlager der "Arbeitszeitverkürzung", mit der sie der profitablen Flexibilisierung der Arbeitszeit ihren Segen erteilt hat, hat sie nun die "berufliche Weiterbildung" als neue "Beschäftigungspolitik" Marke ÖGB ausgerufen: "Die Ausbildung und Umbildung bei den Erwachsenen wird jetzt um- strukturiert. Mehr Erfolg ist die Devise." (Dallinger) Sozialminister und Gewerkschaft nehmen den Regierungsauftrag wahr, an den Arbeitslosen den Schuldspruch zu praktizieren, daß ihre mangelnde Ausbildung der Grund dafür ist, daß es sie immer noch gibt. Dabei beschimpft die Gewerkschaft sogar die Unterneh- mer: Weil sie nämlich die Lehrlinge bloß als "billige Arbeits- kräfte" benutzen sollen, vermitteln sie ihnen keine "Qualifikationen". Damit schneiden sie sich angeblich ins eigene Fleisch und nehmen sich so die Möglichkeit, die fertigen Lehr- linge dann auch wirklich als billige Arbeitskräfte benutzen zu könne. Gut also, daß es einen DGB gibt, der aus jeder Unterneh- merlüge ein "Problem der Wirtschaft" verfertigt, welches aber dank der Tätigkeit des ÖGB mit einer gewerkschaftlichen "Beschäf- tigungsinitiative" betreut werden kann. Die öffentliche Meinung ----------------------- beschäftigt sich derweilen voll mit der Abfassung von "Hinter- grundberichten" zu den politisch so ertragreichen "Arbeits- losenproblemen". Die Vertreter der höheren menschlichen Werte haben Vollbeschäftigung bei der Ausstattung der Arbeitslosen mit ganz viel "Sinn". Im KURIER z.B. kann man sich die höheren Schäden vor Augen führen lassen, die die Arbeitslosigkeit am "seelischen Gleichgewicht" anrichtet. Zwar latscht kein "Arbeitnehmer" um 6 oder 7 Uhr früh in die Firma, um sein gefähr- detes Selbstwertgefühl wieder ins Lot zu bringen. Dazu braucht es schon die Übersetzung, daß der Mensch als solcher immerzu mit dem Problem seiner eigenen Haltlosigkeit ringen soll, und sich nicht mehr in den Spiegel schauen kann, wenn er wieder einmal keinen Halt nicht gefunden hat. So ist denn dann die L o h n a r b e i t die beste Hilfe für das zutiefst menschliche Bedürfnis, sich in die Augen schauen zu können. Tips und Tricks liefert der Kurier: "Versuchen sie, Jobs zu bekommen, bei denen sie kurzfristig ver- dienen und die keine Qualifikation verlangen (Reifen wechseln, Auto waschen usw.). Das kann das Selbstwertgefühl erheblich auf- möbeln." (Kurier) Jedenfalls stimmt bei aller Betonung der "menschlichen Seite" des "Arbeitslosenproblems" die Stoßrichtung der freien Propaganda- schriften für Demokratie und Marktwirtschaft: Indem dem Menschen als solchem der Dienst an "unserer Wirtschaft" als ebenso natür- lich vorhandenes Bedürfnis wie Hunger und Durst zugesprochen wird, ist j e d e Arbeit und Rackerei ein Akt der "Menschwerdung". Der ganze Kapitalismus samt seiner politischen Verwaltung gewinnt so den Charakter einer Einrichtung zur Erfül- lung der Menschennatur, die eben von Kopf bis Fuß auf Arbeit ein- gestellt ist. Der Rassismus der freien Marktwirtschaft, den die Sinnfexen predigen, kommt daher konsequent zur Forderung, daß dem Menschen auch dann, wenn die werten "Arbeitgeber" nicht zur Men- schenbeglückung per Lohnarbeit "in der Lage" sind, nicht die "Identität" durch Müßiggang geraubt werden darf. Es lebe der de- mokratische Arbeitsdienst: "Der Umweltschutzbereich sollte zu einem "zweiten Arbeitsmarkt" werden. Umweltschützer im klassischen Sinn sind Kanalräumer, Straßenkehrer und Müllmänner. Diese Berufe haben nicht immer den besten Ruf. Die Stadt Berlin hat nun ein interessantes Modell ge- startet. Sozialhilfeempfänger dürfen einen Dienst an der Gemein- schaft leisten. Falls sie den Gemeinschaftsdienst nicht in An- spruch nehmen, wird die Sozialhilfe gestrichen." (ORF, 27.2.86) Wem schon die Gnade zuteil wird, sich für ein Almosen um höchste Werte verdient machen zu dürfen, muß sich diesem Angebot auch würdig erweisen, indem er es bedingungslos "in Anspruch" nimmt, Sonst werden ihm selbst die letzten Bettelgroschen gestrichen. Noch Unklarheiten, wozu die demokratisch produzierte und betreute "Arbeitslosigkeit" gut ist?! zurück