Quelle: Archiv MG - EUROPA AUSTRIA - Unsere neutrale Ostmark
zurück "Verstaatlichten-Demonstrationen" in Linz und Leoben:GUTES VOLK AUF BESTELLUNG
Letzte Woche sind 55.000 Arbeiter der Verstaatlichten Industrie in Linz und Leoben aufmarschiert. Gebraucht wurden sie für eine Regierungskundgebung - als Kulisse und leibhaftige Aufforderung an die Politik, die Ausbeutung in der "Verstaatlichten" gewinn- bringend zu machen und sie nicht "auszuverkaufen". Organisiert hat den Aufmarsch die Gewerkschaft - mit dem "Argument", daß Ar- beiter doch a b h ä n g i g vom Lohn sind. Wer mit seiner eige- nen Armut von der Firma erpreßt wird, hat eben auch die Manö- vriermasse der Stimmungsmache für ihren Erfolg abzugeben. L o h n a b h ä n g i g k e i t läßt sich eben auch dazu ausnut- zen, dem Kanzler die Marktplätze zu füllen. Die Arbeiterforderung: Belohnung für's Dienen --------------------------------------------- Gegen den Umstand, daß die werten "Arbeitnehmer" so beschissenen Lohn beziehen, daß eine Entlassung nach zig Jahren "Arbeitsleben" die Ruinierung der Existenz bedeutet, hat die Gewerkschaft natür- lich nichts eingewendet. Obwohl es natürlich n u r deswegen zu solchen "Forderungen" kommt, die aus der Armseligkeit einer Lohn- arbeiterexistenz die demütige Bitte verfertigen, als ein anstän- diger Mensch mit Familie sich doch weiterhin für den Betrieb nützlich machen zu dürfen: "Wir demonstrieren für unsere Zukunft, unsere Familien und unsere Arbeitsplätze." A n s t ä n d i g k e i t - diese aus der Not einer Lohnarbei- terexistenz geborene Tugend, gerade damit etwas zu "fordern", daß man nichts anders als den Nutzen der Betriebe und des Staates als das eigene, und damit ehrenwerte Anliegen hochhält, ist angesagt. Demonstriert wird gar nicht für eigene Ansprüche, sondern für die B e r e c h t i g u n g des Arbeitsplatzbesitzes, den man sich durch Fleiß, Arbeitsamkeit und selbstlosen Einsatz verdient zu haben glaubt. Dementsprechend ärgerlich reagiert der ÖGB, wenn er zu entdecken meint, daß die öffentliche Meinung die Dienstbereit- schaft der Verstaatlichtenbelegschaft anzweifelt. "Wir demonstrieren dafür, daß wir in der Verstaatlichten zeigen wollen, daß wir gemeinsam mit den anderen Betrieben die Ar- beitsplätze erhalten wollen." (Ruhaltinger) Demonstriert wird für den guten Ruf als v e r z i c h t s- b e r e i t e Arbeiterschaft. Niemand soll dem Arbeitsvolk vorwerfen können, daß es nicht zu jedem Opfer bereit ist, um seine Abhängigkeit vom Betrieb zu erhalten - sprich: jede Lohnsenkung hinnehmen, ohne den Betriebsfrieden zu stören! Daß mit dem eigenen selbstlosen Einsatz gar keine Arbeitsplatzgaran- tie verbunden ist, wissen auch die Demonstranten - was sie nicht daran hindert zu demonstrieren, daß sie für die Geschäftsverluste der VÖEST nicht schuldig sind. Dafür handelt sich der "Arbeitnehmer" das R e c h t auf die Heuchelei der Politiker ein, daß jede für den Gewinn fällige "Maßnahme" letztendlich doch für ihn und seinen Scheißlohn stattfindet: "Wir erwarten vom Bundeskanzler, daß er den Arbeitnehmern in ir- gndeiner Art und Weise verspricht, daß er für die Arbeitsplätze das Bestmögliche tun will." (Ruhaltinger) Gefordert wird mit diesem sehr berechnend relativierenden "bestmöglich" nichts anderes als eine auf die Arbeiter bezogene S p r a c h r e g e l u n g, bei der noch jede Entlassung als Beitrag zur "Arbeitsplatzsicherung" dastehen kann. Mehr verlangt der Bund der Arbeit nämlich von keiner Regierung, als daß man ihr gerade bei der Verarmung der Arbeiter den g u t e n W i l l e n glauben können soll, doch irgendwie für ihr Wohlergehen da zu sein. Für die von den Verstaatlichten Firmen verlangten Opfer verlangt der ÖGB einen sehr i d e e l l e n Lohn: Die Anerken- nung der A r b e i t durch ihre Nutznießer und Anwender - einen warmen Händedruck der obersten Dienstherren an ihre braven Knechte nämlich: "40 Jahre VÖEST - wo bleibt die Anerkennung" Wegen der Verluste ist den Arbeitern doch glatt die im Jahre der Staatsfeiern wohl fällige VÖEST-Feier versagt geblieben! Auf ei- nem besteht eine österreichische Staatsgewerkschaft nämlich schon: Arbeiter haben gerade wegen ihrer ruinösen Benutzung durchs Kapital geehrt und anerkannt zu werden. Und daß sich die Ausnutzung der Belegschaft für die Firmen in keinen Gewinnen nie- derschlägt, ist folglich eine höchstpersönliche Belastung der Ar- beiterehre, die es ganz schlimm findet, an Verlusten der Firma schuld zu sein: "Wir sind uns keiner Schuld bewußt, die Bosse bauten den Ver- lust... Wir können nichts gegen Dollarschwankungen." - wo "wir" doch ganz ohne Schwankungen die Knochen für die Be- triebe hinhalten, nicht wahr? Also wird die Regierung bei einem solch willigen Arbeitsvieh dazu "aufgefordert", doch gefälligst in Eigenregie ihren Nutzen daraus zu ziehen: "Wir wollen keine Almosen, wir wollen arbeiten!" Das Regierungsversprechen: Ihr dürft dienen ------------------------------------------- Als erstes haben der Kanzler in Linz und sein Minister die durch die Kritik an der "Verstaatlichten" gekränkte Arbeiterehre wieder aufgerichtet. Einfach dadurch, daß sie dem lauschenden Arbeits- volk bescheinigten, auch tatsächlich die nützlichen Idioten zu sein, die sie sind und denen es wirklich genauso dreckig geht wie den anderen Proleten: "Es stimmt nicht, daß die VÖEST-Arbeiter besondere Privilegien- genüsse oder hohe Bezüge haben. Die VÖEST-ler sind auch keine Steuerverschwender, sie bezahlen ihre Steuern so pünktlich und genau wie jeder andere. Und ich sage das nicht, um Applaus zu be- kommen." (Sinowatz - tosender Applaus) So einfach geht das. Der oberste Dienstherr anerkennt die Selbst- losigkeit seiner Diener - und schon sind ÖGB-Forderungen erfüllt. Selbstverständlich hat der Kanzler auch versprochen, zu den be- vorstehenden Rationalisierungen "Arbeitsplatzsicherung" zu sagen: "Ich kann Euch keine Arbeitsplatzgarantie geben, aber ich werde um jeden einzelnen Arbeitsplatz ringen." (Sinowatz) Der geforderte i d e e l l e Lohn wird also von oben gewährt. Der Kanzler verspricht den Anwesenden, daß es ihm um ihre Ausnut- zung geht. Und damit steht wohl außer Zweifel, daß die nächsten paar tausend Entlassungen zur Gewinnsanierung in der Verstaat- lichten eine Wohltat für die Arbeiter sind. Daß die Kundgebung bei einer solchen Harmonie von Anspruchslosig- keit von unten und Ansprüchen von oben mit dem "Lied der Arbeit" abgeschlossen wurde, ist korrekt. zurück