Quelle: Archiv MG - EUROPA AUSTRIA - Unsere neutrale Ostmark
zurück Aus der Serie: "Wir wählen unseren Häuptling." Heute:"DIE KANDIDATEN PASSEN ZUM AMT WIE DER ARSCH IN DIE HOSE" DA FÄLLT DIE WAHL NICHT SCHWER!
Es gab einmal düstere Zeiten, da wurde die Person des höchsten Chefs durch Erbfolge geregelt. Der Politologie wiederum ist die Abhaltung einer Lotterie als mögliche, wenn auch vergleichsweise wenig überzeugende Methode zur Besetzung dieses Postens nicht un- bekannt. Wir hingegen haben es ausgesprochen gut getroffen. Wir müssen, ja dürfen sogar unseren Häuptling w ä h l e n. Damit das Volk zum Stimmen in Stimmung kommt, führen die Kandidaten und die sie be- treuenden politischen Vereine einen regelrechten W a h l k a m p f auf. In dem wirbt jeder für sich mit der Be- teuerung, speziell seine Person entspreche unserem obigen Motto am allerbesten; sowie mit der Versicherung, er sei ein überzeug- ter Fan seiner Fans, die ihm deshalb vertrauen und ihre Stimme schenken sollen. Das freut gute Demokraten. Weil daran bemerken sie, daß sich von oben um ihre Laune gekümmert wird. Sicher: Die Anwärter selbst wirken, mit Blick auf die angestrebte Häuptlings- würde, in ihrer Ausgelassenheit etwas gehemmt. Aber ihre Hilfs- mannschaften sind zu jedem Spaß bereit: "Schmutzfink!", "Miesmacher!", "SA-Pferd!", "Vergangenheitsjäger!", "Gräbenauf- reißer!" - kurz: demokratische Volksbetörung par excellence, und gewinnen wird - wer auch sonst? - der Beste. Dennoch: Die Politikdarsteller ebenso wie ihre Kulturkritiker von den Gazetten geben sich über ihr eigenes Spektakel unzufrieden bis besorgt. Was haben sie bloß? Ernsthafte Bedenken oder neue Einfälle zur Hebung der Stimmung? Oder gehts um die glaubwürdige Äußerung ersterer als Beitrag für letzteres? Das alles will sorgfältig geprüft werden; sonst weiß man am Ende gar nicht mehr, welcher der Bewerber so herzlich sympathisch ist, daß er am 4. Mai mit einem Kreuz hinter seinem Namen belohnt gehört. "Ich bin's, Euer Präsident!" ---------------------------- Bei aller nervenzerfetzender Ungewißheit, die demokratische Pro- zeduren so mit sich bringen - Kurt oder Kurt? -, gibt es gottlob einen sicheren Halt: einen B u n d e s p r ä s i d e n t e n (kurz "BuP" genannt) haben wir hinterher auf alle Fälle. In der Hinsicht kann also nichts schief gehen; Befragen wir ein schlaues Politologielehrbuch: "Der BuP wird manchmal mit dem Kaiser verglichen." (Beachte je- doch: jeder Vergleich lebt vom Unterschied! "Ausgeschlossen von der Wählbarkeit sind Mitglieder regierender Häuser oder solcher Familien, die ehemals regiert haben." Art. 60, 3 BVG)... "Das Residieren in der Hofburg, der genius loci, die Zeremonien, die Isolation des BuP, das alles macht ihn eher zu einem hofrät- lichen Ersatzkaiser als zu einem Bundespräsidenten." (Freda Blau- Meißner) "Darunter leidet oft die Selbstdarstellung der demokratischen Re- publik." (Pelinka/Welan, Demokratie und Verfassung in Österreich, s. 209 f.) Vergleichsweise ist unser BuP also eher ein Ersatz dafür, daß wir keinen Kaiser mehr haben. Gut, das leuchtet ein; kein waschechter Kaiser, dafür wählbar. Doch der nächste Satz wirft ja nur Rätsel auf: hemdsärmelig im Gemeindebau, mit lockeren Manieren und einem Haufen Spezis um sich - soll d a s etwa ein würdiger BuP für alle Bürger sein? Pfui, da vertut sich das Lehrbuch gewaltig. Wir wählen doch kein getreues A b b i l d von Hinz und Kunz, son- dern unser Allerhöchstes. Wahrscheinlich ist es doch besser, sich für eine knappe und doch verläßliche Auskunft an die offiziellen Stellen zu halten, etwa den Bundespressedienst: "Der Bundespräsident ist der oberste Repräsentant des Staates." Na also. Der BuP verkörpert die Einheit des Staates über alle Ge- gensätze hinweg als Person. 1 Volk, 1 Staat, 1 Präsident. (Schon wieder ein vergleichsweiser demokratischer Unterschied: unter Hitler hieß es "Ein Volk, ein Reich, ein Führer".) Auf diese echt überparteiliche Instanz kann und will die Demokratie nicht ver- zichten. Denn ohne sie wären wir alle auch nicht ärmer, unser Staat aber schon. Der BuP macht zwar nicht die Politik, über die "verdrossen" zu sein jeder Grund besteht; dafür r e p r ä s e n t i e r t er deren Notwendigkeit als von den Zwecken der Politik getrennten Dienst am Recht der Nation. "Liebe Österreicherinnen und Österreicher! Kommen Sie nicht bloß stets gewissenhaft Ihren demokratischen Rechten nach; genießen Sie auch die dazugehörigen Pflichten" - wem sonst, wenn nicht un- serem BuP, würden wir solch besinnliche Mahnungen respektvoll ab- lauschen? Keiner steht wie er von Amts wegen so glaubwürdig dafür ein, daß sich im Dienst am Staat ("Volkskörper") schnöde Vor- teilsrechnungen verbieten, weil die menschliche Staatsnatur in der Hingabe an die große Sache ihre Erfüllung findet. Deshalb war ein BuP noch nie so wertvoll wie heute. Dabei braucht man nicht gleich daran denken, daß unser BuP Oberbefehlshaber der neuen Wehrmacht ist und in dieser Eigenschaft das harmonische Verhältnis von Staatsgewalt und Bürger am trefflichsten verkör- pert. Schon bevor solch patriotische Spitzenleistungen wie der gefragt resp. befohlen sind, gewinnt die bewährte Auffassung zu- nehmend an Gewicht, daß die Ausrichtung jedes Interesses ein Staatszweck erste Pflicht und wahres Anliegen der Bürger ist. Diese Auffassung, praktiziert und als geistige Haltung anempfoh- len durch Politiker jeder coleur, hat im guten Volk ihr Echo ge- funden. "Politikverdrossenheit" macht sich breit. Aber nicht über die einschlägigen Maßnahmen, die dem staatlich inszenierten Exi- stenzkampf der Bürger immer noch ein Schäuferl drauflegen, son- dern über den öffentlich genährten Verdacht, die feinen Herren würden Wasser verordnen und predigen und Wein saufen. ("Glaubwürdigkeit!"; ein genuin demokratischer Wahnsinnsgedanke: als wären U n t e r t a n e n t u g e n d e n ausgerechnet da- für da, von den H e r r e n p r a k t i z i e r t zu werden.) So perfekt demokratisch abgerichtet sind die Bürger in diesem un- seren Lande, daß sie am eigenen Schaden nur noch die Verfehlung von Staatsagenten entdecken wollen, statt für den puren Staatsma- terialismus in die eigene Tasche oder die ihrer Partei zu regie- ren. Der unseriöse Verdacht, die Macher der Politik würden mit ihren Taten gar nicht den reinen Staatszweck voranbringen und deshalb das staatsgeile Volk seinem Staat entfremden, ist mit dem Amt des BuP bestens bedient. Dieses Amt ist eben von Amts wegen über diesen Verdacht erhaben. Und zur Genugtuung, in Gestalt sei- nes Inhabers die Inkarnation des Staatsganzen vor, Augen zu ha- ben, gesellt sich die gar nicht mehr so klammheimliche Sehnsucht, der Präsident möge nicht nur die M o r a l von selbstlosem Dienst und Pflicht gefällig repräsentieren, sondern ein wenig zur T a t schreiten. Ein "hofrätlicher Ersatz(!)kaiser" schafft das nie, da brauchts schon einen echt demokratischen Herren (übrigens keine Frage des Geschlechts). Von unserem Häuptling ist geistige Führung ver- langt, gepaart mit dem Ruch des Muts zur Praxis. Und dieses höchste irdische Wesen - allerdings ist beim Gelöbnis "die Beifügung einer religiösen Beteuerung zulässig" (Art. 62, 2 BVG) wird dem Bürger nicht einfach vor die Nase geknallt; er darf es mit seinem Wahlkreuz auch noch explizit verehren! Deshalb (WHZ-Tip: Lagerhaltung!) gibts am 4. Mai auch keinen Alkohol; an diesem Festtag ist Staatsmoral in gesundheitsschädlicher Dosis die exklusiv erlaubte und gebotene Droge. "Ein Amt wird durch die Persönlichkeiten geprägt, ------------------------------------------------- die es ausfüllen, wie umgekehrt das Amt die Person prägt." ---------------------------------------------------------- So höflich umschreibt das schlaue Politologiebuch unser Motto. Was wohl dabei herauskommt, wenn sich Mann und Amt aneinder- schmiegen und wechselseitig prägen? Zumindest der halbe Wahl- kampf. Bei echten Indianerhäuptlingen - Winnetou! - mögen die Zahl der erlegten Büffel, die erbeuteten Skalps oder Geschick im Umgang mit Pfeil und Bogen als Befähigungsnachweis hergehalten haben. Auch daran kann man merken, was wir an unserer zivilisierten Staatsform haben. Bei einem BuP-Bewerber paßt einfach alles, was er so "als Mensch" ist und kann, zu seiner Eignung fürs Amt. Z.B. Dr. Kurt Steyrer, "der als Arzt immerhin 40 Jahre lang gear- beitet hat im Sinne einer patientenorientierten Politik." (Steyrer über Steyrer) Wenn das nicht für eine Praxiserweiterung auf gesamtösterreichisches Patientenmaterial spricht, was dann? Höchstens noch dasselbe Projekt, diesmal als Anwaltsklientel: "Dr. Kurt Waldheim gibt uns die Sicherheit, daß alle Österreicher in ihm einen Anwalt ihrer Anliegen finden." Zumal dieser Einheitsanwalt noch über ganz andere Talente ver- fügt: "In jungen Jahren habe ich auch Violine gespielt und war Mit- glied(!) im Tullner Kirchenchor." Dafür ist der andere nicht nur "in Wien gewesen beim UNO-Ball", sondern auch "dreieinhalb Wochen in China". Verheiratet sind sie beide, Nachwuchs, auf den man nur stolz sein kann, haben sie auch zustande gebracht, und wahrscheinlich spielen sie sehr gut Gram- mophon. Weiß der Kuckuck, was dergleichen Kunstfertigkeiten mit der angestrebten Häuptlingswürde zu schaffen haben sollen. (Am ehestens wigwammäßig gibt sich noch die Squaw: "Ich habe in der Kälte der Hainburger Au bewiesen, daß man über seinen Schatten und seine Leiden springen kann, wenn der Wille dazu vorhanden ist." Ein echter Indianer kennt keinen Schmerz.) Aber für ein demokra- tisch trainiertes Hirn, geübt in Personenkult, ist es offenbar eine leichte Übung, in Biographie und Charakter irgendwelcher Leute spezielle Affinitäten zum Amt ausfindig zu machen - s o f e r n diese Figuren eben als offizielle Kandidaten fest- stehen. Der Rest ist Geschmacksfrage und eröffnet das weite Feld der Freiheit belanglosen Meinens. Dies ist keine "Verflachung" eines echt demokratischen Wahl- kampfes, sondern der Sache nach unvermeidlich; wie sollte denn die periodische Zustimmung zur fraglosen Anerkennung der Staats- autorität als Akt der Freiheit anders zu inszenieren gehen?! Allerdings: der Wahlkampf wäre furchtbar fad und damit auch wie- der schweinsgefährlich geblieben. Bei aller medialen Belobigung für die gezeigte Fairness und wechselseitige Respektierung kamen der Presse schwere Bedenken, weil die beiden Kandidaten zuwenig K a m p f in den Wahlkampf einbrachten. "Sicherlich tut es der politischen Kultur unseres Landes gut, wenn wenigstens der Präsidentschaftswahlkampf von den sonst übli- chen Schmutzattacken verschont bleibt. Wie sich dieser Umstand aber auf die Wahlbeteiligung auswirken wird, bleibt dahinge- stellt." (Rau, Nov. 85) Klar: wenn die beiden Kurtis ständig dafür gelobt und schließlich auch noch gewählt werden wollen, weil sie ihre pappvollen Schmutzküberln nicht ausleeren wo bleibt denn da die persönliche Seite, das Salz jedes demokratischen Wahlkampfs? Vor die Alterna- tive gestellt, erfahrener Diplomat und Weltbürger versus erfahre- ner Arzt und Gesundheitsminister, könnte so manchem Österreicher die Wahlentscheidung bis zur Gleichgültigkeit schwer und der Wie- nerwald als Kompromißlösung besonders verlockend gemacht worden sein. Es drohte also nicht mehr und nicht weniger als eine Präsi- dentenwahl unter 80% Wahlbeteiligung. Diese Schlappe haben zwei freundliche Umstände von unserem viel- geprüften Land abgewendet: 1. Wie gut, daß es den Faschismus gegeben hat. So zwingt dessen immer aktuelle Bewältigung noch in den grauesten demokratischen Wahlkampf ein bisserl Farbe rein. 2. Wie gut, daß Österreich sich auf seine Freunde im Ausland ver- lassen kann. Der jüdische Weltkongreß hat sich in selbstloser Weise auf die Suche nach einem Stückerl verlorener Zeit in der Waldheimbiographie begeben und tatsächlich braune Flecken aufge- tan. Leider haben sie sich mit der nachfolgenden, für Patrioten zwar naheliegenden, nichtsdestotrotz überholten Anfrage schwer vertan: 'Kann sich Österreich einen alten Nazi als Präsident- schaftskandidat leisten?' Die Antwort war so einhellig, daß sich der andere Kurti jetzt noch kränkt, weil er sie aus vordergründi- ger Wahlkampftaktik nicht selber geben durfte: 1) es kann 2) erst recht, wenn A u s l ä n d e r 3) im speziellen Juden, so blöd fragen. Damit war ein Wahlkampfthema geboren, daß sich betörenderweise eignete, alle Ansprüche an Stil und Charakter eines künftigen Präsidenten zu überprüfen. D a ß Waldheim ein Nazi war, ist da- bei überhaupt kein Streitthema. Sondern vielmehr w i e: - Sein Kriegsdienst für Hitler, das Studium als praktische Umset- zung seiner Karriereabsichten sprechen dabei eindeutig f ü r ihn. Eine ganze Kriegsgeneration dankt Waldheim sein Bekenntnis in Leserbriefen und Interviews, daß er sich als erster Politiker zum Dienst am besiegten Vaterland als P f l i c h t bekannt hat, selbst unter der Gefahr, als s c h l e c h t e r Demokrat angeschwärzt zu werden. Die Sympathiewellen, die Waldheim entge- genschlagen, haben wenig mit Antisemitismus und Ewiggestrigkeit zu tun. Stinknormale Demokraten melden das Bedürfnis an, sich für die Ausübung der ersten Patriotentugend, seiner Heimat auf dem Schlachtfeld zu dienen, nicht mehr genieren zu müssen, bloß weil damals eine a n d e r e, nach der Niederlage verteufelte Heimat gewesen ist. Die Gegner Waldheims halten ebenfalls nichts von einem Schuldspruch des Konkurrenten ob seiner Vergangenheit. Gegen den patriotischen Schulterschluß hinter dem unabhängigen ÖVP-Kandida- ten führen sie einen anderen patriotischen Wert ins Treffen. "Ich stelle fest, daß Kurt Waldheim nie bei der SA war, sondern nur sein Pferd. So wie er jetzt nicht bei der ÖVP ist. Herr Wald- heim ist nirgends dabei." (Sinowatz) "Ich werfe niemandem vor, wenn er in dieser Zeit einer NS-Organi- sation angehörte. Nur bekennen soll man sich dazu. Denn wer ge- schichtslos ist, ist gesichtslos." (Zilk) Nichts gegen Pflicherfüllung unter Hitler. Aber, alles gegen einen opportunistischen Charakter der heute wie damals ein b e r e c h n e n d e s Verhältnis zur Macht und ihren Institu- tionen einnimmt. Die bewegte Vergangenheit des konserrativen Kan- didaten dient der SPÖ nur als Indiz, ihm einen M a n g e l an Herrschaftstugenden nachzuweisen, die ihn als Präsidentschafts- kandidaten desavouieren sollen. Absurd dabei ist, daß einem Poli- tiker der für solche Karrieren nötige Opportunismus schlecht an- stünde. Mit dem gleichen Recht kann etwa Kurt Waldheim sich dar- über komplimentieren, daß er eben immer sein Ziel vor Augen ge- habt habe und sich für die nötigen Kompromisse nie zu schade war. "Ich wollte mein Studium rasch zu Ende bringen, weil ich schon damals ahnte, daß der Faschismus nicht ewig dauern wird. So konnte ich dem neuen Österreich von Anfang an zur Verfügung ste- hen." (Was der kompetente Anwalt wohl gemacht hätte, wenn die Fa- schisten gesiegt hätten?) Viel interessanter an den Beschuldigungen Waldheims ist aber, daß die sozialdemokratischen Politiker in dieser Angelegenheit keinen gesteigerten Wert auf Unterscheidung zum Faschistenregime legen. Die Kontinuität der staatstragen den Tugenden vom Faschismus zur Demokratie ist ja bei der Charakterkritik Waldheims unterstellt, wenn man ihm seit 1938 einen berechnenden Umgang mit den jeweili- gen Machthabern und ihren Parteiorganisationen vorwirft. Die zeitgemäße Lehre für Staatsbürger sollte man sich gerade anläß- lich der Wahl nicht entgehen lassen: ein österreichischer Kanzler hält einen demokratischen Präsidenten für untragbar, der seiner Meinung nach nicht überzeugend genug die offensichtlich schon mehr als 40 Jahre gültigen Staatsbürgertugenden repräsentiert: bedingungslos und ohne Eigennutz und Opportunitätserwägungen im Dienst an der Nation aus Überzeugung aufzugehen. Aber auch für einen 2. Beweis der Amtseignung erwies sich die "Waldheimaffaire" als denkbar günstige Gelegenheit. Ohne etwas anderes als seine Vergangenheit beizusteuern, hat Kurt Waldheim glanzvoll bestätigt, daß er schon als angefeindeter Kan- didat die Einheit der Nation vollendet zu repräsentieren weiß. Bis auf ein paar gezielte Querschüsse des politischen Gegners, die sich schon deswegen desavouierten, hat die Österreicher ein zugegeben negatives Argument von den Qualitäten Waldheims über- zeugt: das A u s l a n d hat einen u n s e r e r Kandidaten diskreditiert. Daß dabei eine internationale Judenorganisation maßgeblich beteiligt war, macht schon angesichts des verhandelten Vorwurfs einen zusätzlichen Reiz aus. Trotzdem war die Solidari- sierungsbewegung weder ein "Rückfall in längst überwunden ge- glaubte Abgründe" (Ringel), noch ein "Aufflackern eines latenten Faschismus" (Spiegel). Auch der Antisemitismus diente nur als A u s d r u c k eines hochanständigen, jeden Patrioten zur Ehre gereichenden, also auch zur Demokratie passendem Bedürfnis: In schweren Stunden der Heimat oder ihrer politischen Figuren geeint hinter seinen Führern stehen und gleichgültig des Inhalts der Be- schuldigung den Feind im Ausland zu suchen. Genau diese E i g e n s c h a f t zu repräsentieren und als oberster natio- naler Krisenmanager und Kriegsherr bei Zeiten abzurufen - das ist d i e Aufgabe des Bundespräsidenten. Volk und Kandidat haben für ihre zugewiesenen Funktionen beste Eignung bewiesen. Wählerbetörung der höheren Art ------------------------------ Die Wahlwerbung offeriert nicht bloß vielerlei Angebote an Stil und Geschmack zur freien Entscheidungsfindung; sie versteht sich auch darauf, ihren eigenen Stil zu einem enorm wichtigen Thema auszubauen. So wird die Wählerbetörung nicht nur um "Fairneßabkommen" bereichert, an denen der Wähler nicht bemerken soll, daß eine Krähe der anderen kein Auge aushackt, sondern was für feine Gentlemen seine Oberen sind. Kaum sind sie geschlossen, wird ihm von jeder Seite die Klage unterbreitet, die jeweils an- dere würde auf das Schändlichste gegen alle Gebote der Fairneß verstoßen. Dem Vorwurf, der gegnerische Kandidat sei der Würde und Verantwortung des Amtes nicht gewachsen, folgt der Konter auf dem Fuße, so ein Anwurf sei eines BuP-Wahlkampfes unwürdig. Angepeilt wird von den Wahlstrategen mit derartigen Scherzen ganz offen das Knechtsbewußtsein des Publikums, das seinen abgrundtie- fen Respekt vor dem höchsten Amt bereits den Kandidaten dafür zu- teil werden lassen soll. Was dabei herauskommt, ist notwendig ein ewiges Hin und Her, weil bei allem geheuchelten Respekt vor dem Konkurrenten diesem immer wieder auch gesagt werden muß, daß er ein Arsch ist, der besser nicht in die Präsidentenhose paßt. Daß mit diesem lebhaften Hickhack das Ansehen der Republik oder sonst einer Respektsinstanz leiden würde, ist leider ein haltlo- ses Gerücht. Hick wie Hack beruhen ja gerade beide darauf, daß die Kandidaten bzw. die zwischen ihnen abgewickelte Konkurrenz der Würde des Staates und seines obersten Hauptes keinerlei Scha- den zufügen dürfen - die Wähler also keine anderen Sorgen kennen. Aber immerhin hat dieses Gerücht den Wahlkampf um noch eine Etage bereichert: Keine Wahlveranstaltung, auf der nicht Thema ist, daß der ehrenwerte Kandidat es leid ist, daß immer der Wahlkampf mit seinen Niederungen zum Wahlkampfthema gemacht wird... Der politische Ertrag dieses ganzen fröhlichen Treibens ist nicht gering zu schätzen. D a s W ä h l e n, angeblich Lebenselexier und unnachahmliches Gütesiegel unserer besten aller Staatsformen, wird von besorgten Erzdemokraten zu einer einzigen Gefahr er- klärt. Nicht etwa, weil sich das unvernünftige Volk damit unge- bührlich in Staatsbelange einmischen würde. Die Sorge ist viel anspruchsvoller. Gerade weil das Volk praktisch wie eine Eins hinter seinem Staat steht, wird in seinem Namen das Recht geltend gemacht, daß sich der Staat gefälligst als starke und geschlos- sene Einheit präsentiert. Und weil sich sämtliche Politiker in der Sache absolut einig sind, definieren sie die mühsam zurecht- konstruierten Unterscheidungsmerkmale, die zur demokratischen Parteienkonkurrenz, in Wahlzeiten zumal, nun einmal dazugehören, in trauter Einigkeit als mutwillig inszenierte Störung der Ein- heit des Staatsganzen. Darüber führen alle vier Kandidaten ihren Wahlkampf. Und dieser Störung abzuhelfen ist das einzige "Versprechen", das sie zu bie- ten haben. zurück