Quelle: Archiv MG - EUROPA AUSTRIA - Unsere neutrale Ostmark


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       Korrespondenz
       
       "So etwas wie Widerstand?"
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       Betrifft: Artikel  über Österreich  "Unsere neutrale  Ostmark" in
       der November-Nummer  (MSZ Nr. 11/1985) Bei aller berechtigter Zu-
       rechtrückung des  "Kleinstaats" auf  seinen wirklichen  Platz  im
       Dienstleistungsgewerbe für  Freiheit und  Geschäft unter  Führung
       der USA  und ihres  europäischen Juniorchefs  BRD, bringt ihr mir
       doch etwas  zuviel des  Guten. Wahrscheinlich  haben die  Autoren
       (ich vermute  Kollegen  aus  Westdeutschland?)  ein  paar  kleine
       österreichische  Besonderheiten  einfach  weggelassen,  weil  sie
       nicht so  einfach ins  Bild passen.  Immerhin ist Österreich auch
       ein Land,  dessen Bevölkerung  sich mehrheitlich  gegen die Atom-
       energie ausgesprochen  hat (Zwentendorf),  und die  Regierung aus
       Sozialisten und Freiheitlichen hat jetzt endgültig ihre Pläne mit
       der Hainburger  Au gesteckt.  Sind dies nur weitere Beispiele für
       eure Kurzcharakteristik des "demokratischen Charakters", der sich
       "als bekennender und gehorchender Untertan aufführt", oder gibt's
       in Österreich auch trotz/oder mit dem "herzlichen Servus Du!" gar
       so etwas  wie Widerstand?  Aber sicher  habt ihr auch darauf eine
       Antwort parat. Sie würde mich interessieren.
       
       F.L.H., Wien
       
       Lauter "Alternativen" für Österreich
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       Daß du  bei aller  Kritik nicht auf alternativen Heimatstolz ver-
       zichten willst,  scheint uns  der Grund  zu sein,  daß du für die
       Güte der  angeführten Bewegungen erst gar keine anderen Argumente
       ins Treffen führst, als daß sie in Österreich stattgefunden haben
       und erfolgreich  waren. Wie recht du hast - an der Anti-AKW-Bewe-
       gung und  den Hainburger Aukämpfern muß man wirklich die formelle
       Seite betonen, daß sie gegen etwas waren, um sie hochleben lassen
       zu können. Experten, die an Atomstrom und Donaukraftwerken bemän-
       geln, daß  beides volkswirtschaftlich zu teuer käme, haben sicher
       nicht vor,  der Freiheit des Geschäfts irgendein Hindernis in den
       Weg zu  legen. Daß  Österreichs Industrie  billigen Strom braucht
       und  wofür,   geht  völlig   in  Ordnung,   wenn   kritisch   die
       "Verschwendung" beklagt  wird  und  Verantwortliche  aufgefordert
       werden, noch  ein bisserl  Nationalparknatur überzulassen,  damit
       die Enkerl  auch noch sehen können, was sie an Heimatschönheit in
       der Bundeshymne besingen.
       Der von  dir hochgehaltene Widerstand in Österreich besteht schon
       längst ausschließlich  aus dem methodischen Programm, für die ge-
       rade aktuellen  Probleme der  Politik bessere Alternativen zu ha-
       ben. Jüngstes  Beispiel:  "Ö s t e r r e i c h  braucht keine Ab-
       fangjäger"  -  ja,  dann!  Weil  die  Widerstandstitel  "Heimat",
       "Friede", "Umwelt"  zu nix  anderem als zum kritischen Mitmischen
       i n   der Politik  taugen werden doch damit den Politikern anläß-
       lich der  schädlichen Resultate ihres Treibens immer neue Verant-
       wortungsschlager angeboten -, geht der Widerstand folgerichtig in
       eine "Bürgerinitiative  Parlament" aber,  um sich  als moralische
       Erneuerungsbewegung ein Platzerl an der Macht zu sichern.
       Zumindest teilweise recht hast du mit dem Urteil, daß diese Sorte
       Opposition Erfolg  haben kann. Zwar hat der Bundeskanzler die die
       Bundeshymne absingenden  Aupatrioten unter anderem für den Beweis
       niederprügeln lassen,  daß "wir  uns nicht  dem Druck  der Straße
       beugen". Auf seiner Entscheidungssouveränität und Machthoheit hat
       er also  sehr wohl beharrt; andererseits scheint er sich wirklich
       für die im Anschluß an die Krawalle von der Ökokommission entwic-
       kelten Vorschläge  begeistern zu  können: statt einem Donaukraft-
       werk gleich  drei an anderer Stelle mit erhöhter Stromproduktivi-
       tät und ein Nationalpark als Denkmal für die "Einmaligkeit Öster-
       reichs". Findest du solche Erfolge wirklich bewundernswert?
       Nun zu  Zwentendorf: Wie  es zu  diesem Erfolg gekommen ist, weiß
       übrigens jeder.  1978 hat der damalige Bundeskanzler Kreisky ent-
       schieden, sich  den Parteienstreit  und den  ins  Haus  stehenden
       Wahlkampf dadurch zu erleichtern, daß er den staatlichen Beschluß
       zum Atomprogramm ausnahmsweise direkt vom Volke bestätigen lassen
       wollte. Dafür wurde plötzlich die Volksmeinung "befragt", und ih-
       rem Träger  wird seither  von allen Parteien übelgenommen, daß er
       sich für die falsche Alternative entschieden hat. Daß Zwentendorf
       nicht trotzdem  einfach in  Betrieb genommen wurde - was nach dem
       Primat der  repräsentativen Demokratie  jederzeit möglich wäre -,
       liegt nicht  am "tiefen  Respekt vor dem geäußerten Volkswillen".
       Erstens hat  der österreichische  Staat sich entschieden, daß für
       die staatliche  Energiepolitik Atomtechnologie kein absolutes Muß
       ist. Zweitens  war es  auf dieser  Grundlage eine reine Frage der
       Parteienkonkurrenz. Sinowatz möchte bis auf weiteres "der ÖVP mit
       der Öffnung Zwentendorfs nicht die Chance einer Eintrittskarte in
       die Regierung"  verschaffen. Der  Volkswille ist also Streitmasse
       im Parteiengezänk  um die  Machtbeteiligung;  im  Energieprogramm
       sind bis  auf weiteres alle geplanten Wasserkraftwerke vorgezogen
       worden; und  die "AKW-Ruine" firmiert als ein politisches Denkmal
       dafür, wie  "unvernünftig" die Österreicher damals votiert haben.
       An den  15 Milliarden,  die hier  locker  "nutzlos"  herumstehen,
       kannst du  übrigens noch  einmal ablesen,  wie klaglos politische
       Herrschaft in  Österreich samt  ihren Widerstandsbewegungen abge-
       wickelt wird.  Den agitatorischen  Nutzen, den die Demokratie aus
       der Erlaubnis  zur Opposition zieht, hast nicht zuletzt du bewie-
       sen, wenn  du bei  aller Kritik  auf die Feststellung Wert legst,
       daß es in der Alpenrepublik immerhin Widerstand gibt.
       
       MSZ-Redaktion
       

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