Quelle: Archiv MG - EUROPA AUSTRIA - Unsere neutrale Ostmark


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BRUNO KREISKY UND DER NAHE OSTEN

Bruno Kreisky, der 1911 geborene Sohn eines jüdischen Industriel- len, hat als österreichischer Bundeskanzler bereits zu einem Zeitpunkt sich kritisch über die israelische Politik geäußert, als der Judenstaat im Westen gemeinhin als Bastion der Freiheit in einer Moskauer Einflußsphäre galt und westdeutsche Schulklas- sen noch geschlossen ins Kino geführt wurden, um dort in Farbe und Breitwand vom heroischen Kampf der endlich eine Heimat gefun- den habenden Juden gegen Wüste und heimtückische Araber erzählt zu bekommen. Kreisky nahm als Staatschef Beziehungen auf halbdi- plomatischer Ebene zur PLO auf, als diese Organisation hierzu- lande noch als eine Art exotischer Baader-Meinhof-Gruppe bespro- chen wurde, deren Führer Arafat auch durch das um den Kopf ge- schlungene Handtuch keinerlei Zweifel über seinen Status als ganz gewöhnlicher Terrorist aufkommen ließ. Auch als der PLO-Chef re- spektabel wurde, in der UNO eine Rede tun durfte und die EG-Au- ßenminister das "Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser" als originären Beitrag einer "eigenständigen europäischen Nahostpoli- tik" entdeckten, galt Kreiskys Standpunkt noch als extrem, weil er - gereizt durch die geschlossen feindselige Presse Österreichs in dieser Frage - sich zum Aussprechen einiger Wahrheiten hinrei- ßen ließ, die allen diplomatischen Verkehrsformen zwischen Staa- ten hohnsprechen: "Natürlich können Sie sagen, daß Arafat ein Terrorist ist. Aber ich möchte Sie darauf hinweisen, daß auch Herr Begin führendes Mitglied einer terroristischen Vereinigung gewesen ist und daß mit dem Terror dieser Irgun der Staat Israel gegründet worden ist." Auch jetzt, wo die imperialistische Lösung des Nah-Ost-Problems durch das Camp-David-Abkommen den internationalen Kurswert der PLO auf das Niveau einer quantite negligeable hat absinken las- sen, hält Kreisky an seinem Standpunkt fest: "Der Staat Israel hat das palästinensische Volk seiner nationalen Existenz beraubt. Einen Frieden im Nahen Osten wird es erst ge- ben, wenn in irgendeiner Form die Existenzberechtigung der Palä- stinenser als Staat gesichert ist." Das Gezeter der österreichischen Presse, hier würde der Kanzler um irgendwelcher ökonomischer/Öl-Interessen willen den Arabern Honig ums Maul schmieren, liegt angesichts der sehr reservierten Haltung arabischer Machthaber von Saudi-Arabiens König Chalid bis hin zu Syriens Präsident Assad gegenüber einem PLO-Staat in der Hemisphäre sehr abseits von dem, was Bruno Kreisky im letzten treibt. In Kreiskys Meinung zum Nahen Osten sind die persönliche Ent- scheidung dieses österreichischen Juden und die politische Über- zeugung dieses Sozialdemokraten seit Vollendung des 16. Lebens- jahres eingegangen: - Als J u d e hat er in einem Land, dessen Antisemitismus im Witzgut seiner Bevölkerung sich ein folkloristisches Denkmal ge- setzt hat, gegen die zionistische Agitation, deren Zentrum das Wien der zwanziger Jahre gewesen ist, sich entschlossen, als Österreicher nicht nur sein Auskommen zu bestreiten, sondern auch als solcher P o l i t i k e r zu werden. Dies hat ihm von Glau- bensbrüdern den Schimpf eines "Assimilanten" eingetragen und nach dem Kriege die von ihm selbst oftmals erwähnte Genugtuung, ein erfolgreicher und g e w ä h l t e r Staatsniann geworden zu sein, o b w o h l Jude. - Als S o z i a l d e m o k r a t zieht Kreisky aus jedem Nah- Ost-Krieg und der Menschenschinderei in Friedenszeiten den Schluß, den Palästinensern fehle zu ihrem Glück der nicht vorhan- dene Staat und den Israelis zum Frieden ein richtiges, anständi- ges Staatswesen, das auf der Zustimmung seiner Bewohner und guten Beziehungen zu den Nachbarstaaten gründet. Die Meinung des Bruno Kreisky ist die eine Sache. Daß er sie als Staatsmann auch vertreten kann, ist eine andere. Hier findet er eine Voraussetzung im Status Österreichs als kleiner, "neutraler" Nießbraucher der Freien Welt, dessen aparter Standpunkt in welt- politischen Fragen toleriert, im günstigsten Falle sogar als po- tentielle Kontaktstelle akzeptiert wird. Die weltpolitische Auf- merksamkeit, die Kreisky immer wieder genießen darf, erklärt auch die Zustimmung, die er bei seinen wahlberechtigten Landsleuten erfährt. Diese finden nichts dabei, Juden so einzuschätzen, wie es der ge- wöhnliche Antisemitismus überall in der bürgerlichen Welt hält, und gleichzeitig Kreisky für einen kompetenten und überlegenen Herrscher zu halten. Sie scheren sich nicht groß um die interna- tionalpolitischen Absichten ihres Kanzlers, fühlen sich aber ge- schmeichelt, daß ein österreichischer Politiker bei den Großen dieser Welt ein- und ausgeht. In der Rede, daß Bruno Kreisky "ein Format zu groß" sei für seine Aufgabe als österreichischer Staatsmann, wird übersehen, daß es gerade der Staat Österreich ist, der es diesem Mann gestattet, weltpolitisches F o r m a t zu kultivieren, weil dessen Inhalt nicht die M a c h t ist, sondern die Besonderheit eines Politikers, dem es sein unbedeu- tendes Staatswesen erlaubt, nicht voll in der Charakter m a s k e der Macht aufzugehen, sondern auch mal C h a r a k t e r zur Schau zu stellen und sich damit seine Macht über die Österreicher zu sichern. zurück