Quelle: Archiv MG - EUROPA AUSTRIA - Unsere neutrale Ostmark


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       Kommt die "Wende" nach Österreich?
       

REGIERUNGSWECHSEL ZWECKS MACHTERHALT (SPÖ) VS. MACHTERWERB ZWECKS REGIERUNGSWECHSEL (ÖVP)

Die regierenden Sozialdemokraten haben den Sieg Waldheims zum An- laß genommen, ihren Kanzler und einige Minister auszuwechseln. Für die Mannen von der christlichen Opposition steht die Diagnose fest: eine "Panikreaktion" darauf, daß die "Wende" nun endlich auch in Österreich begonnen hat. Für die SPÖ hingegen "ein Zei- chen dafür, daß diese Partei nicht daran denkt, ihren Führungsan- spruch aufzugeben". Worum es geht, ist also kein Geheimnis: Die österreichische Volkspartei (ÖVP) will nach sechzehn Jahren Oppo- sition wieder an die Macht kommen, an der die SPÖ weiterhin blei- ben will. Mit wieviel Raffinesse die Herren Politiker diesen Streit austra- gen, Spekulationen auf die Erfolgsträchtigkeit diverser "Schachzüge" in der Parteienkonkurrenz nebst allerlei Abwägungen über vorzeitige Neuwahlen und mögliche neue und alte Koalitionen der Macht - das hält die gesamte demokratische Öffentlichkeit des Landes für die echt spannenden Fragen der Nation, denen wenig- stens bis zu den Nationalratswahlen im nächsten Frühjahr die un- geteilte Aufmerksamkeit und Anteilnahme gilt. Bei den Kunststücken politischer Selbstdarstellung und deren staatsfrommen Kommentierung ist die Beteiligung des Volkes durch- aus vorgesehen. Dem Bürger wird nicht nur ein unendliches Feld ebenso engagierten wie belanglosen freien Meinens eröffnet, auf dem er sich so zu Hause fühlen soll, als ginge es irgendwie um s e i n e Belange. Als W ä h l e r kommt er darüber hinaus gleich doppelt zum Zug: sein bei der Präsidentenwahl geäußerter Wählerwille bedarf dringend der einfühlsamen Definition durch die Politik, damit er dieser bei den anstehenden Parlamentswahlen wieder in gewünschter Weise gerecht werden kann. "Diese Regierung ist am Ende!" ------------------------------ Das war der ÖVP-Opposition natürlich schon vom Tag der Regie- rungsbildung an klar. Seit Monaten inseriert sie ihr Begehr, an die Macht gewählt zu werden, in der Zeitung ("Diese Regierung ist am Ende. Daher Neuwahlen!"); und die 54% für ihren "parteiunabhängigen" Waldheim signalisieren ihr endgültig, daß der Wähler jetzt endlich kapiert hat, was die ÖVP von ihm will. Was die SPÖ unverdrossen als Gemeinheit der Opposition entlarvt: "Sie haben nur eines im Sinn. Sie wollen an die Macht" - das ist in der Tat d a s Anliegen der Volkspartei, m i t d e m sie gänzlich unverhohlen für sich wirbt. Der Vorwurf, die Regierung sei "am Ende", "verbraucht", "handlungsunfähig" und habe "abgewirtschaftet" lebt schlicht vom Anspruch der Politik an den Bürger, er hätte gefälligst das Flo- rieren der Regierungsgeschäfte als seine ureigenste Herzensange- legenheit zu betrachten. Der I n h a l t dieser Regierungstä- tigkeiten kommt da erst gar nicht zur Sprache und für die staats- dienliche Verwechslung von deren Erfolg mit dem der Bürger wird auch nicht groß Werbung gemacht. Alt aussehen soll die Regierung gemäß dem Willen der Opposition, weil sie sich vom Maßstab des I d e a l s s o u v e r ä n e r F ü h r u n g aus lauter Ver- säumnisse hat zuschulden kommen lassen. Und dieses Ideal ist sehr hochgestochen: Es ist ja nicht so, daß in Österreich Arbeiter oder Rentner, Unternehmer oder Studenten, Arbeitslose oder Solda- ten ihre nationalen Verpflichtungen aufs Arbeiten, Aushalten oder Gewinnemachen vernachlässigen würden. Im Gegenteil. So souverän und unbehelligt setzt die Politik eine staatliche "Notwendigkeit" nach der anderen durch, daß sich die Parteienkonkurrenz ganz sor- genfrei um die Interpretation der "F i g u r" dreht, welche die Regierung dabei macht. Und die findet die Opposition einfach jäm- merlich. "Es ist jetzt die fünfte Regierungsumbildung in drei Jahren. Immer wenn die Regierung am Ende ist, bildet man um, schafft neue Hoffnung, um dann in einer noch vielschwierigeren Situation zu sein, und das auf dem Rücken der österreichischen Bevölkerung." (ÖVP-Chef Alois Mock) Wer das Auswechseln von Herrschaftspersonal als Ende des Regie- rens deutet; daß es mit der neuen Mannschaft dann wieder weiter- geht, zu einem Hoffnungsschimmer erklärt und den Rücken der Be- völkerung vor der nächsten Personalrochade schützen möchte: der hat seinen Willen zur Regierungsmacht lässig zum Bedürfnis des V o l k e s nach gelungener Darstellung einheitlicher und ge- schlossener Führung erklärt, dem er weit besser entsprechen würde. Die Forderung des Kanzlers in spe: "Es genügt nicht, Ge- sichter auszuwechseln, es braucht eine neue Politik" kann sich der Wähler leicht erfüllen: er braucht bloß den Visagen von der ÖVP auf die Regierungsbank zu helfen. "Wir brauchen keine Wende!" --------------------------- In einem Punkt ist sich die Regierung mit den Vorwürfen der Oppo- sition durchaus einig: Tatsache ist, daß die SPÖ in den 80er Jah- ren wenig Erfolge zu verzeichnen hatte, daß Arbeiterkammerwahlen, Landtagswahlen verloren gingen und nun der SPÖ-Präsidentschafts- kandidat Kurt Steyrer sehr schlecht abgeschnitten hat. " (Ex- Kanzler Sinowatz) Problematisch ist das Verhältnis der Regierung zum Volk einzig in dessen Gestalt als Wählerstimmenreservoir. Echt selbstkritisch wirft sich der abgetretene Kanzler vor, in der Propaganda für den Stimmenfang nicht ganz auf der Höhe der Zeit gewesen zu sein: "Ich möchte gar nicht verschweigen, daß es sicher Politiker gibt, die diese mediale Seite der Politik, die heute eine große Rolle spielt, besser beherrschen." Interviewer: "Sie waren kein Medien-Zampano?!" "Nein, das war ich nicht." Man sieht, was für schwierige Aufgabe die Demokratie für ihre Staatsmänner bereithält. Die Durchsetzung aller Regierungsmaßnah- men klappt zwar wie geschmiert; dafür muß sich die Regierung an dem Problem abarbeiten, wie sie sich und ihre Taten am gelungen- sten präsentiert. Daß d a s und keine wie immer geartete altmo- dische Nutzenerwägung seitens der Bürger für den Wahlerfolg aus- schlaggebend ist, ist Ausgangs- und Streitpunkt aller österrei- chischen Machtkonkurrenz. Für die gibt die SPÖ alles, sogar ihren alten Kanzler, weil sie die Selbstdarstellungskünste des neuen erfolgversprechender dünken: "Vom Inhaltlichen der Politik haben wir ein klares Programm, und ich sehe keine gravierenden, spektakulären Abweichungen, die notwendig sind. Daß in der persönlichen Präsentation von politi- schen Inhalten zwischen zwei Menschen grundlegende, etwa Aus- drucksverschiedenheiten herrschen können - das liegt in der Natur der Sache." (Kanzler Franz Vranitzky) Wo die Opposition gewisse Mißerfolge der Regierung bei der Wäh- lerbetörung als untrügliches Indiz dafür nimmt, daß ihr der Wäh- ler in ihrer Regierungskritik recht gibt und ihr deshalb die Wende zur ÖVP-Regierung gebührt, kontert die SPÖ kongenial: näm- lich damit, daß sie über ein komplettes Programm zur Taktik des Machterhalts verfügt, das die Wende überflüssig machen soll. SPÖ-Doppelstrategie: Die Regierung lenkt, die Partei denkt ---------------------------------------------------------- Dieses Programm besteht zum einen eben in der neuen jugendlichen Kanzlerfigur, deren Persönlichkeit dafür bürgt, daß "in Zeiten wie diesen ein kühl rechnender Wirtschaftsfachmann, möglichst un- verbraucht, die beste Lösung darstellt". Im zweiten Schritt hat die SPÖ "den Mut bewiesen, etwas zu tun, was bisher noch nicht da war" (Sinowatz), nämlich sich nach bewährtem bundesrepublikani- schen Muster in Regierung und Partei zu verdoppeln. Der tiefere Sinn dieser sozialdemokratischen "Doppelstrategie" wird von der Parteiführung in der eigentümlichen Form eines bestätigenden De- mentis verkündet: "Rechts regieren in der Regierung, links denken in der Partei - das gibt es in Österreich sicher nicht. Sehen Sie das als eine notwendige Einheit. Eine Regierung Vranitzky wird zweifellos in der Lage sein, jenes traditionelle Wählerreservoir wieder anzu- sprechen und das, was man die Aufsteiger und Aufstiegsorientier- ten nennt, für die SPÖ zu interessieren; und es wird Aufgabe der Partei sein, mit über den Tag hinausweisenden Konzepten die kri- tische Jugend anzusprechen." (SPÖ-Vize Karl Blecha) Echt mutig, die alte sozialdemokratische Lüge, die menschen- freundlichen Ideale der Partei müßten sich leider immerzu an den Sachnotwendigkeiten des Regierens ein wenig "relativieren", gleich als erfolgversprechende Methode des Wählerstimmenfangs hinauszuposaunen. Bei diesem abgeklärten Stand der Dinge, wo dem Publikum beruhigend versichert wird, es bräuchte sich über eine "Zerrissenheit" der Partei in links und rechts keine Sorgen ma- chen, weil es nur um eine einheitliche Inszenierung zur Wählerbe- schaffung geht da mag nicht einmal der Schein mehr aufkommen, beim Gemurmel über die "Erneuerung der Partei" ginge es um mehr und anderes als den Erhalt der Regierungsmacht. Wenn der Ex-Kanz- ler und jetzige Nur-mehr-Parteichef Sinowatz mit visionärem Blick prophezeit: "Die SPÖ wird eine sehr offene Partei sein, in der viele Strömungen Platz haben, die sich zu den Grundwerten der Be- wegung bekennen", und mit dieser "Umbildung" die "traditionsreiche SPÖ auf das Jahr 2000 vorbereiten" will, dann läßt er über den Grundwert der Bewegung bis 2000 keinen Zweifel: "Diese Partei muß immer eine Partei sein, die nach der Mehrheit strebt." Was ihr bei diesem zukunftsweisenden Programm freilich ehrlich Sorgen macht, sind die Brüder von der christlichen Volkspartei, die diesem Anliegen nicht minder "offen" gegenüberstehen. Die "Sachfragen" des Wählereinseifens ------------------------------------- Nachdem beide Parteien klargelegt haben, worauf ihre politischen Bemühungen um den Wählerwillen zielen, finden die I n h a l t e der Politik doch noch Erwähnung: als feststehende Tatsachen, an denen nicht zu rütteln ist, auf die es sich jedoch interpretato- risch so zu beziehen gilt, daß sie für die Wahl der eigenen und nicht der anderen Partei sprechen sollen. Die sozialdemokratische Wirtschaftspolitik etwa, die mit ihren großzügigen Sparprogrammen an den Proleten und Rationalisierungshilfen fürs Kapital eindeu- tige Resultate erzielt hat, bedarf dringend dieser ideologischen Betreuung: "Ja, wir müssen im obersteirischen und Linzer Industriegebiet verflucht aufpassen. Es muß Schluß gemacht werden mit Arbeits- platzangst und Panikmache." (Vranitzky) Natürlich steht für den "kühlen Rechner" Vranitzky kein Stück staatlicher Aufsicht über das kapitalistische Wachstum zur Dispo- sition. "Verflucht aufgepaßt" gehört sich darauf, daß dessen rui- nösen Wirkungen die werten Betroffenen nicht von ihrer Stimmab- gabe für die SPÖ abhalten. Also lautet das Rezept gegen "Arbeitsplatzangst" und "Panikmache": "Man hat den Menschen in der verstaatlichten Industrie Illusionen gegeben, die in Krisenzeiten nicht haltbar sind. Der geistige Wiederaufbau hat mit dem materiellen nicht Schritt gehalten. Wir müssen die Menschen zu Sozialisten erziehen, der Opportunismus ist viel zu weit schon fortgeschritten." (Parteidenker Rupert Gmoser) So erfährt der geneigte Wähler, was einen modernen Sozialisten auszeichnet: Keinerlei Illusionen über staatliche Rücksichtnah- men; einen geistigen Aufbau, den keine staatlich bescherte Not- lage davon abhalten kann, der SPÖ weiterhin sein Vertrauen zu schenken und ihn davor feit, aus wankelmütigem "Opportunismus" heraus in der ÖVP den geeigneten Hort für antimaterialistische Werte zu sehen. Eine echte Alternative d a z u bietet die ÖVP nämlich schon, wenn sie ihr überzeugendes Parteitag motto "Wir regieren besser" mit folgenden wirtschaftlichen Sachaussagen präzisiert: "Die Wirtschaftspolitik kann die wirtschaftlichen Probleme nicht für die Menschen, sondern nur gemeinsam mit den Menschen lösen. Durch eine Änderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen müssen persönliche Verantwortung und Leistungswille wieder zum Schwungrad für höheres Wachstum und neue Beschäftigungschancen gemacht werden. " (ÖVP-Wirtschaftssprecher) Die Illusion, die Politik würde irgendein Problem "für den Men- schen lösen", wird hier geschickt vermieden. Aber wer sich das harte Versprechen, daß auch weiterhin die Pflichterfüllung inner- halb der staatlich gesteckten "wirtschaftlichen Rahmenbedingungen " seine einzige "Chance" bleiben wird, sich für ein "höheres Wachstum" nützlich zu machen, gerne als Praktizierung der christ- lichen Werte "Verantwortung" und "Leistungswille" zurechtlegen will, der ist der ÖVP gerne als Wähler willkommen. Worauf sich, rein sachlich, die großartige demokratische Gelegen- heit des Wählendürfens zusammenkürzt, erläutert der österreichi- sche Alt-Star Bruno Kreisky mit ehrlichem Zynismus: Etwas anderes als n e u e H e r r e n, denen er so zu gehorchen hat wie den alten, kriegt selbst der aufmüpfigste "Denkzettelwähler" mit sei- ner "Proteststimme" nicht zustande: "Manche Leute sind der Meinung, daß die Sozialisten schon zu lange am Regierungsruder sind. Aber ich sage Ihnen eines: Wenn die so oft geforderte Wende einmal tatsächlich eintritt, werden gerade diese Leute rufen: 'Jessas, wenn ma des gewußt hätten, was da auf uns zukommt!'" (Kreisky) Zur kommunismusverdächtigen Wahrheit über die Demokratie: Es soll sich bloß keiner einbilden, durchs Wählen könnte er sich irgend- einen Vorteil verschaffen, gesellt sich nur die kleine Lüge, die andere Mannschaft am "Regierungsruder" würde den Leuten noch ganz anders zusetzen, so daß die einschlägigen Leistungen der amtie- renden Regierungsriege vergleichsweise geradezu als wohltätige Schonzeit zu innigem Dank verpflichtet. Der Warnung mit der alten Untertanenweisheit, daß nichts Besseres nachkommt, kann man im- merhin entnehmen, wie sicher sich die österreichischen Politiker sind, ihr Volk total im Griff zu haben. Einen anderen Willen als sich gehorsam als die Manövriermasse für die von oben vorgese- henen Alternativen d e r H e r r s c h a f t zu betätigen - den brauchen sie bei ihrem Volk offenbar nicht zu befürchten. Zu- mindest solange nicht, wie besagtes Volk die Winkelzüge der Par- teienkonkurrenz um die Macht und die Sorgen, die es selbst noch als williges Stimmvieh seinen Oberen bereiten soll, tausendmal spannender findet als die Scherereien die ihm das vereinigte Po- litikerpack beschert. *** Deutsch-österreichisches Vergangenheitsbewältigung mit Zukunft -------------------------------------------------------------- Beate Klarsfeld, Vergangenheitsbewältigungssauberfrau von Beruf, begleitete mit einigen mitgebrachten Kumpels, einer "Initiative neues Österreich" und Transparenten Kurt Waldheim auf seiner Wahlkampftournee. Sobald diese Mannschaft auf einer Wahlkundge- bung aufkreuzte, wurden ihre Transparente regelmäßig von Wald- heim-Fans abgeräumt, sie selber von der Polizei. Die demokrati- sche Qualität dieses handfesten Umgangs mit Störern stellte unter viel Beifall ebenso regelmäßig Waldheim klar, während die grünbe- mützten Hüter der Demokratie noch mit dem Abtransport beschäftigt waren: "Genau das ist es, was wir schützen müssen: das Recht auf freie Meinung und Versammlung. Wir müssen verhindern, daß diese demo- kratischen Rechte von linken Störern mißbraucht werden." In ihrem Anliegen, "den Österreichern klarzumachen, daß man kei- nen Kriegsverbrecher zum Präsidenten wählen darf", ließen sich Frau Klarsfeld und ihre wackere Schar durch die an ihnen prakti- zierte wehrhafte Demokratie nicht erschüttern. Als unverbesserli- che Demokraten fühlten sie sich einfach auch jenseits der Grenze dafür zuständig, daß kein präsidialer Schmutzfleck die weiße We- ste ihrer Lieblingsherrschaftsform verunstaltet. Und der aus Ber- lin angereiste Hajo Funke erläuterte, warum ihm als hartgesotte- nen d e u t s c h e n Demokraten ein sauberes Österreich spezi- ell am Herzen liegt: "Gerade in Erinnerung an unsere gemeinsame schreckliche Vergan- genheit meine ich, auch hier in Österreich das Recht, ja die de- mokratische Pflicht zu haben, meiner Sorge darüber Ausdruck zu verleihen, daß diese schreckliche Zeit nur allzuleicht in Verges- senheit geraten scheint." Schon wieder also fühlen sich aufrechte Deutsche aufgefordert, sich um ihre Ostmark zu kümmern: Während sie ihren Weizsäcker ge- nießen, der jede Vergangenheit mustergültigselbstbewußt bewäl- tigt, treibt dort ein Waldheim sein Unwesen, der sich nicht ein- mal daran erinnern will, daß er eine gehabt hat? Doch keine Sorge! Auch der Ostmark-Kurti beherrscht den Dreh, mit dem "Entsetzen über das Geschehene" für das unendlich gute Gewissen zeitgenössischer Herrschaft zu sorgen. Kaum gewählt, erinnerte er heftig an "das unermessliche Leid, das der Nationalsozialismus über die Welt und vor allem über unsere jüdischen Mitmenschen ge- bracht hat", und kündigte an, nach seiner Dankes-Wallfahrt nach Mariazell in Bälde auch dem KZ Mauthausen seine Aufwartung zu ma- chen. Auch in dieser Frage also keine Frage, daß Weizsäckers Glückwunschtelegramm in Erfüllung geht: "Ich bin gewiß, daß unsere Länder auch in Zukunft als gute Nach- barn vertrauensvoll zusammenarbeiten werden." (R. v. W. an K. W.) *** Österreichs Grüne ----------------- und "Politikverdrossene" durften im 1. Wahlgang ihr kostbares "x" einer speziell für sie kandidierenden Präsidentschaftsbewerberin anvertrauen. Frau - das war schon ein gewichtiges Argument! - Freda Blau-Meissner erreichte ihre 5,5% mit Wahlversprechungen folgenden Kalibers: "Meine Kandidatur ist die Chance, daß Leute, die in ihrem ange- stammten Lager bleiben wollen, trotzdem ihren Protest einlegen können." "Ich möchte den Wählern Gelegenheit geben, ihren Abscheu und Pro- test gegen diesen rapiden Verfall unserer politischen Kultur un- mißverständlich auszudrücken. Gelegenheit auch zu zeigen, keine Vormundschaft mehr - schon gar nicht die Vormundschaft Unwürdiger - zu dulden. Als unüberhörbares Signal der Hoffnung, das den Geist unserer Verfassung wieder zu neuem Leben erweckt." "Vor allem aber geht es mir um die Wiederherstellung der Institu- tionen des Rechtsstaates und deren Glaubwürdigkeit, die unter den bekannten Vorfällen und Skandalen schwer gelitten haben." Wenn man den Wahlstatistikern und Meinungsforschern Glauben schenken darf, dann sah im 2. Durchgang ein Gutteil der Freda- Wähler sein Bedürfnis nach keiner Vormundschaft mehr, schon gleich keiner unwürdigen, bei einem Präsidenten Waldheim gut auf- gehoben. Warum auch nicht'? Waldheims Versicherung: "Ich werde für ein Klima sorgen, das durch Anständigkeit, Lei- stungsfähigkeit, Sauberkeit im Staat, durch Versöhnung und Ver- ständigung geprägt ist", brauchte man mit Fredas Moral-Erneuerungs-Sauce gar nicht erst verwechseln. Ein mündiger politikverdrossener Bürger wählt eben, was gerade angeboten wird, um sein reaktionäres Bedürfnis nach echten Werten an höchster Staatsstelle repräsentiert zu sehen. Natürlich konnte er für dieses Anliegen auch den anderen Kurt oder, ganz radikal, gar nichts ankreuzen - so er sich das rot- weißrote Staatsoberhaupt noch unendlich würdiger vorstellen wollte, als er es durch die anstehenden Kandidaten gewährleistet sah. zurück