Quelle: Archiv MG - EUROPA ALLGEMEIN - Ein Zentrum des Friedens


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       Arbeitgeberchef Stumpfe:
       

FÜR EUROPA - GEGEN LOHN

Das Getöber, das die IG Metall als Vorbereitung auf die Ta- rifrunde 1990 bislang veranstaltet hat, konterte der Präsident der Metallarbeitgeber Stumpfe mit der Forderung an die Gewerk- schaft, ihr Ziel der 35-Stunden-Woche aufzugeben, und zwar im Na- men einer "europaorientierten Tarifpolitik". "Europa '92" - das ist heute der Berufungstitel, wenn Kapitalisten ihre Interessen präsentieren. Und der Mann weiß genau, daß er damit die Gewerk- schaft an genau dem Maßstab packt, auf den sie sich mit der Sorge "Standort BRD erhalten" längst selbst verpflichtet hat. Der Kapitalistenpräsident wirft der Gewerkschaft eine "traditionelle", sprich: den Bedürfnissen des deutschen Kapitals nicht mehr gemäße Tarifstrategie vor. Statt dessen plädiert er für eine wirklich "europaorientierte", "fortschrittliche Tarifpo- litik". W a s er da für "fortschrittlich" erklärt, ist nicht neu: Lohn und Arbeitszeit nach Bedarf des Kapitals. Weil es aber angeblich nur um "Europa" gehen soll, handelt es sich auch nicht mehr um Ansprüche des Kapitals g e g e n die Arbeiterklasse, sondern um lauter verantwortungsvolle Beiträge der Arbeiter zu "ihrem" Standort BRD. Wie Stumpfe sich das vorstellt, faßt er in seiner "Gegenoffen- sive" in vier Punkten zusammen. "Die IG Metall sollte von ihrem alten Beschluß zur 35-Stunden-Wo- che abrücken, bis wir Erfahrungen mit unserer sowieso schon kur- zen Arbeitszeit im europäischen Binnenmarkt gesammelt haben." Daschauher! Kapitalisten machen mit der Arbeitszeit kein Ge- schäft, sondern sammeln Erfahrungen. Damit meint er natürlich nicht die "Erfahrung", daß s i e "mit unserer sowieso schon kurzen Arbeitszeit" gerade Exportweltmeister geworden sind. Sagen will er vielmehr, daß sich jeder diesen Konkurrenzerfolg des deutschen Kapitals mit dem nationalen "Wir" zu seinem Anliegen machen und die Arbeitszeitregelung den Kapitalisten überlassen soll. "Bis dahin stünde damit auch mehr Verteilungsmasse für Einkom- menserhöhungen zur Verfügung." Richtig fürsorglich, diese Unternehmer. Sie sammeln nicht nur Er- fahrungen, sondern auch Verteilungsmasse für künftige Lohnerhö- hungen. Nach dem Motto: Der Lohn, der heute nicht bezahlt wird, steht als "Verteilungsmasse" morgen zur Verfügung, kann sich so der Arbeiter ein schönes Polster für sein Altenteil ansparen und einen Beitrag für Europa leisten. "Benötigt wird nicht weniger, sondern flexiblere Arbeitszeit; dazu gehören muß auch die Möglichkeit der Samstagsarbeit." Ach so! Bei der Durchgsetzung der Schicht- und Samstagsarbeit in den letzten Jahren wurde offenbar ganz übersehen, was das Kapital eigentlich "benötigt". Der inzwischen erreichte Bestand an Schichtplänen und Flexiregelungen nimmt sich demgegenüber aus wie ein Irrweg zur Arbeitszeitverkürzung. So anspruchsvoll sind Kapi- talisten. Und nicht nur bei der Arbeitszeit. Auch die Freizeit der Metall-Beschäftigten kann sich Präsident Stumpfe als Beitrag vorstellen, den "Standortvorteil Qualifika- tion" zu sichern. Dazu bietet er ein interessantes Investitions- programm an, an dem sich endlich auch die Arbeitnehmer risikolos beteiligen dürfen: "Die Unternehmer stellen Raum, Material und Lehrkräfte bereit, die Arbeitnehmer einen Teil der in den letzten Jahren gewonnenen Freizeit." Da soll noch einer sagen, die Unternehmer hätten kein Verständnis für die Freizeit ihrer lieben Mitarbeiter, wenn sie sie im Be- trieb verbringen. Und niemand soll zur Weiterbildung zwischen den flexiblen Arbeitszeiten außer Freizeit auch noch seinen eigenen Klappstuhl mitbringen müssen. "Künftige Lohnerhöhungen sollten nicht nur an den Produktivitäts- zuwachs gebunden sein; zu überlegen wäre, in Zukunft um der Ar- beitsplatzsicherheit und neuer Arbeitsplätze willen zumindest einen Teil des Produktivitätszuwachses auch für den Umweltschutz sowie für Forschung und Entwicklung zu reservieren." Ist ja logo: Wenn bisher der ganze "Produktivitätszuwachs" für Lohnerhöhungen verjuxt wurde, dann ist es kein Wunder, daß die Arbeitsplätze so unsicher, die Arbeitslosen immer noch so zahl- reich sind und die Unternehmer weiterhin die Umwelt verdrecken müssen. So sehen die Unternehmer den Lohn am liebsten: Gerade in- dem er nicht bezahlt wird, leistet er unsagbar wertvolle Dienste auf allen Gebieten "unserer Wirtschaft". So haben die Arbeiter schließlich die Zukunft der deutschen Wirt- schaft fest in ihrer Hand: Viel und flexibel arbeiten und die Lohnfrage nach Maßgabe nationaler "Problemstellungen" verabschie- den. Das Schlimme daran ist, daß sich niemand mit diesem Schwachsinn lächerlich macht. Offenbar gilt es als sehr anerkannter und ver- antwortungsvoller Standpunkt, den Lohn für alles vorzusehen - nur nicht dafür, daß Arbeiter davon leben. zurück