Quelle: Archiv MG - BRD WIRTSCHAFTSPOLITIK UMWELTPOLITIK - Smog und Molke - alles im Griff!
zurück "Tempo 100"STAATSBEGRÄBNIS FÜR EINE PROPAGANDALÜGE
Nun kommt "Tempo 100" von Amts wegen endgültig nicht. Die Auswer- tung eines "Großversuchs" auf deutschen Autobahnen hat, wie all- seits erwartet wurde, die Auffassung der Bundesregierung bekräf- tigt, wonach für eine "Umweltpolitik mit Augenmaß" die "freie Fahrt für freie Bürger" schon zu dulden sei. Eine Reihe Beteiligter zeigt sich höchst zufrieden mit dem weisen Beschluß und rühmt ihn vor allem als "sachlich fundierte" Ent- scheidung. Die Oppositionsparteien und organisierte Umweltschüt- zer haben Einwände: Vom "schwärzesten Tag der Umweltpolitik" (BUND) ist da die Rede, von einem "skandalösen Großbetrug" (Grünen-Abgeordneter Schulte), von "Volksverdummung" gar und von "frisierten Statistiken" für eine "Alibiveranstaltung" (SPD). Sachdienliche Hinweise können da einer fundierten Parteinahme für Pro oder Contra nur nützlich sein, zumal ja auch noch völlig of- fen ist, ob man sich in diesen Streit überhaupt einmischen soll. Betrachtet man zunächst die Fraktion derer, die mit dem Beschluß zum Tempolimit zufrieden sind, so wäre hier zuallererst die "Freie Marktwirtschaft" ----------------------- zu nennen: Der geschäftstüchtige gebrauch der Natur, die Benut- zung der natürlichen Voraussetzungen der Produktion als Mittel des Eigentums i s t es zwar, was die mittlerweile bekannten "Auswirkungen" in Form ganzer Litaneien von Giftstoffen und -gasen überhaupt erst in die Welt setzt - aber d a s stand bei der heißen Frage um "Tempo 100" überhaupt n i c h t zur De- batte. Die wegen der kapitalistischen Kalkulation der Rentabili- tät fällige Verseuchung erfolgt ja schon längst mit staatlichem Einvernehmen, wird aufmerksam bilanziert und unter Wahrung "wirtschaftlicher Gesichtspunkte", durch Festlegung zulässiger Maximalgrade gesetzlich betreut. Als es die Resultate des staat- lichen Giftmanagements im Überhandnehmen des sog. "Waldsterbens" zu besichtigen gab, wurde in der Rubrik "Schwefeldioxid" ein dankbarer Schädling ausfindig gemacht. In seiner Eigenschaft als Otto Normalverbraucher und Autofahrer mit Bleifuß durfte derselbe Bürger, der als Arbeitsmann in der Produktion keineswegs gesund- heitsdienlich verbraucht wird und daneben auch noch ordentlich Dreck zu schlucken kriegt, sich an Knüppelfichten gleich dreier- lei vorrechnen lassen: Erstens hat der Staat ein "Umweltproblem" zu "lösen", das zweitens eines von "uns allen" ist und wozu des- wegen drittens jeder für sich seinen Beitrag leisten kann und auch soll. Als Hilfestellung des Gesetzgebers wurde "Tempo 100" in Aussicht gestellt und die Öffentlichkeit damit unterhalten, ob denn die lieben Bäume ein so großes Freiheitsopfer auch wirklich brauchen... Höchst zufrieden mit dem Ausgang der Debatte ist selbstverständ- lich auch Die Bundesregierung ------------------- und auch hier liegt es nicht um Ergebnis, sondern an der Debatte selbst. In der hat nämlich sie die fällige "umweltpolitische Ver- antwortung" gezeigt ohne die das Wirtschaftswachstum nicht zu ha- ben ist: Einerseits wurden, wie immer mit wirtschaftspolitischern "Augenmaß", dem Kapital neue Richtlinien zur Verdreckung und Ver- seuchung an die Hand gegeben, und der Staat erledigte seinen Part in Sachen praktischer Verantwortung. Daneben bereisten dieselben Gesetzgeber die deutschen Fluren, heuchelten dort Betroffenheit über das große Ausmaß der Schäden und demonstrierten Verantwor- tung in m o r a l i s c h e m Sinn. An kaputten Bäumen versi- cherten sich Politiker wechselseitig ihr geschärftes Umweltbe- wußtsein und die dein entspringende Notwendigkeit" gleich mit dazu, das "Problem" auch entschieden anzupacken, den Bäumen und uns allen zuliebe. W e g e n dieser Demonstration, daß auch die "Umwelt" bei den politischen Verwaltern des Gemeinwesens gut auf- gehoben ist, wurde "Tempo 100" als Tat aller, die guten Willens sind, e i n g e f ü h r t - und n a c h ihrer erfolgreichen Abwicklung eben wieder a b s e r v i e r t: Unter ausdrückli- cher Berufung auf den relativ geringen Anteil Dreck, den das Tem- polimit der lieben "Umwelt" erspart, entläßt man den Autofahrer aus seiner Verantwortung - d a ß er sie mitträgt, hat er in der Debatte mitbekommen, und darauf kam es ja auch an. Deswegen dürfen Die deutschen Autofahrer ------------------------ sich gleich dreifach zu den Nutznießern des politischen Entschei- des zählen: Einmal, weil ihnen ihr Recht auf Gasgeben nicht ge- nommen wurde und sie weiter als freie Menschen zum Arbeitsplatz fahren dürfen. Zum anderen dürfen sie nicht nur, sondern s o l l e n sie geradezu durch die Wälder heizen: "Ein allgemei- nes Tempolimit wäre für den Umweltschutz sogar nachteilig, meinte Zimmermann, weil dadurch die Bereitschaft der Autofahrer zur Um- stellung auf schadstoffarme Neuwagen geschwächt würde." (Frankfurter Rundschau, 21.11.) Und drittens haben sie eine Chance, um die erhöhten Steuern auf nichtentgiftete Autos herum- zukommen - das schafft Kaufkraft. Neben "uns allen" mischen - auch das ein erfreuliches Ergebnis - nun auch der "technische Fortschritt", also die deutsche Autoin- dustrie im Dienst an der Umwelt an vorderster Stelle mit, was ne- ben vielen Fichtenleben auch "Sichere Arbeitsplätze" ----------------------- befördern soll. Am besten ist der Dreck der Marktwirtschaft bei denen aufgehoben, die ihn produzieren; alles andere wäre Dirigis- mus" und schadet der Umwelt - so die ungemein sinnige, abschlie- ßende Würdigung der Kampagne um "Tempo 100". * Wenn schon sonst nichts, so hätte den in Sachen "Schutz der Um- welt" Engagierten daran wenigstens eines auffallen können: Genau so, wie dieser Schutz von Staats wegen besorgt wird, ist er auch beabsichtigt. Statt dessen haben sie allesamt Bedenken angemel- det, die nur von einem zeugen: Von dem unerschütterlichen Glauben daran, daß den Dreck doch keiner - und die verantwortlichen Poli- tiker doch zuallerletzt - wollen kann. Da mußte sich Zimmermann die Tatsache als V o r w u r f anhören, daß die abgelieferten Daten der "Großuntersuchung" so ausfielen, wie er sie sich be- stellt hatte, womit gleich zwei Dummheiten auf einmal in die Welt gesetzt wurden: Die Naturwissenschaft b e w e i s t, daß "Tempo 100" wegen der Natur sein muß, und nur durch List und Tücke ver- mag die Politik sich diesem D i k t a t zu entziehen. Die "Auto-Lobby" und der ADAC mußten herhalten als heimtückische Drahtzieher im Hintergrund, die der ansonsten blitzsauberen "Umweltpolitik" ihren "schwärzesten Tag" beschert hätten. Dem hielt ein schnell schaltender Vertreter der offiziellen Heuchelei entgegen, es ginge den Naturanwälten wohl nicht "um den Schutz der Wälder, sondern allein um den ideologisch begründeten Kreuz- zug gegen das Automobil." (Süddeutsche Zeitung, 22.11.) Irrsinns- dialoge dieser Art werden wohl noch eine zeitlang die Seiten fül- len, bis endlich die letzten Freunde des Waldes vom längst toten Hund "Tempo 100" Abschied genommen haben. Der Nachfolger heißt: "Freie Fahrt für technischen Fortschritt - dem Wald zuliebe" und darauf, solange der noch steht, nach Pro und Contra ausgelotet werden. zurück