Quelle: Archiv MG - BRD WIRTSCHAFTSPOLITIK UMWELTPOLITIK - Smog und Molke - alles im Griff!


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       Smog
       

DIE REGEL ALS AUSNAHME

Wofür Smog und Smog-Alarm nicht alles gut waren. Gut fürs Umwelt- bewußtsein, denn "die Umwelt" (wer?) ist in Gefahr. Gut für die NRW-Landesregierung, denn sie hat bundesweit die schärfsten Werte. Gut für Politiker wie Farthmann, denn der "bullige Mini- ster im dunkelblauen Pulli" (BILD) konnte tatkräftige Besonnen- heit und besonnene Tatkraft und "mutige Entscheidung" (BILD) be- weisen. Gut für die Opposition, denn sie konnte Versäumnisse an- prangern. Schlecht nicht für die Leute, sondern fürs "Image des Reviers" als "Ruß-Land", wo "die Brikette den Tiefflug üben" (Westfälische Rundschau), denn das Image (nicht die Luft) soll gerade geändert werden (für wen?). Und geschimpft werden durfte kräftig in den letzten Tagen. Auf die "mangelnde Koordination" der Katastrophenpläne. Auf die "Unvernunft der Autofahrer". Auf die "Verwirrung in den Krisenstäben" (Westdeutsche Allgemeine). Auf die Wetterlage. Eben auf alles, was die notstandsmäßige A b w i c k l u n g des Alarms anging. Und auf garantiert unbe- einflußbare Größen wie jene Wetterlage, die mittlerweile jeder revierbürger auf fachmeteorologisch buchstabieren kann. Das hat der Smog gebracht - G r ü n d e, V e r u r s a c h e r und O p f e r der "dicken Luft" sind ganz einfach nicht vorgesehen in der munteren öffentlichen Debatte - weil sie unter dem Oberti- tel "das Ruhrgebiet" gleich als e i n e Person behandelt wer- den. Der dümmste, unschuldigste und gerade deshalb am ausgiebigsten strapazierte Verantwortliche war denn auch ein Herr namens 'Wetter'. Der hat nämlich, wie die Landesregierung stündlich über ihren Sender verlauten ließ, "bedingt", daß all' die bekömmlichen Ausdünstungen von Kohle und Stahl nicht, wie sonst, zum Teil aufs Umland verteilt wurden, sondern komplett die Luft von Duisburg, Essen, und Dortmund anreicherten. Das ist nicht vorgesehen. Das ist als die alljährliche Ausnahme vorgesehen, was allein schon daran leicht zu erkennen ist, daß es die Smog-Verordnung gibt. Also wurde und wird mit der sogenannten Ausnahme ständig gerech- net. Daß der Dreck in der Luft eine Frage der Berechnung ist, durfte der Ruhrbürger durch einen Zufall erfahren. Just letzte Woche trat eine irgendwann vorher beschlossene Änderung der Grenzwerte in Kraft, von denen ab das Atmen als gefährlich gilt, und körper- liche Anstrengung eingeschränkt werden soll. Damit ist klarge- stellt, daß die dauernde Gefährdung nicht nur der Atemwege so- wieso als der selbstverständliche Normalfall unterstellt ist - eben mit den revierüblichen 0,5 mg Schwefel statt den jetzt aus- nahmsweise selbst als Durchschnittsmittelwert gemessenen 1,8 mg. Meßstationen auf dem Werksgelände von Thyssen und Hoesch, Veba und den Kokereien gibt es sowieso nicht. Davon redet auch nie- mand, weswegen es schon die nur nicht bemerkte Wahrheit war, wenn vom Fernsehen befragte Bürger bekannten, ohne den Alarm hätten sie vom Smog gar nichts gemerkt. Wie auch, wenn der am Arbeits- platz sowieso übliche Dreck als im Grünen gemessener Durch- schnittsdreck gestern als normal und heute als gefährlich einge- stuft wird. Der Smog: eine Klassenfrage - was denn sonst! --------------------------------------------- Die einen müssen sich einstellen: - Sie müssen das eigene Geführt stehen lassen und sich in den fa- mosen öffentlichen Nahverkehr begeben, der natürlich prompt zu- sammenbricht. Denn zur Arbeit müssen sie ja: "Arbeitnehmer sind, selbst bei einem generellen Fahrverbot, nicht entschuldigt, weil sie auf öffentliche Verkehrsmittel zurückgrei- fen können." (WAZ) - Sie müssen deshalb auch einmal auf ein paar Stunden Schlaf ver- zichten, um morgens pünktlich zu sein. Denn die Zeit haben sie ja, und sie kostet auch nichts. - Sie müssen sich, wenn sie trotzdem zu spät sind, einen Lohnab- zug gefallen lassen. Oder einen Tag Zwangsurlaub nehmen wie bei anstadt oder einen unverhofften freien Samstag bei Fahrverbot einplanen wie bei Opel. Oder betrieblich beschlossene Ausfallzei- ten demnächst nacharbeiten, auch wenn sie im Betrieb waren. - Sie müssen sich klarmachen, daß Arbeit keine besser zu unter- lassende körperliche Anstrengung im Sinne der Smog-Verordnung ist. Denn arbeiten müssen sie ja. Die anderen können sich einstellen: - Sie können die Produktion weiterlaufen lassen. Sie können, wenn das Gewerbeaufsichtsamt tatsächlich auf Einschränkung dringt, wie die Hüttenwerke "technische Notwendigkeiten" dagegen geltend ma- chen. Oder auf sog. "schwefelarme Brennstoffe" ausweichen, die es ansonsten in 'normalen Zeiten' gar nicht gibt. Oder wie die Koke- reien einfach weiterfeuern, was die Öfen halten. Was "nötig" ist, macht eben keinen Dreck. - Sie können, wenn denn doch einmal irgendein Geschäft einge- schränkt wurde, sich Schadenersatzansprüche ausrechnen, wie Farthmann schon in Aussicht gestellt hat: "Ich rechne auch mit Regreß-Forderungen. Aber das ist mir die Ge- sundheit der Bürger wert." Der Arbeitsminister vergaß hinzuzufügen, wer für die "Gesundheit" der von ihm umsorgten Bürger zur Kasse gebeten wird. - Sie können schließlich, wenn sie denn doch aus irgendwelchen Gründen eine Abteilung abschalten, daraus eine von Funk und Presse gratis kolportierte Werbeaktion machen. Eine für sie, wie gesehen, rundum kostenlose Werbung. Die Smog-Gewinnler ------------------ Da sind in erster Linie die P o l i t i k e r. Sie reiben sich auf in Sorge um die Bevölkerung, tagen stundenlang in Krisenstä- ben und treffen eine schwere Entscheidung nach der anderen. Dann sagen sie Parteitage ab und fahren auch mal mit der Straßenbahn ins Amt, denn sie haben Umweltbewußtsein. Kurzum: sie sind die Verantwortung in Person. Für das Entstehen der "Lage", für die Wetterlage zumal, können sie natürlich nichts, da sind sie ohn- mächtig. Aber ihre ganze Befähigung zu Machthabern mit der ge- ballten Heuchelei, die dazugehört, beweisen sie in der general- stabsmäßigen Durchführung der großangelegten Katastrophenübung fürs Revier. Daß dadurch auch nur ein Kubikmeter Luft sauberer würde, behaupten noch nicht einmal sie. Aber gerade so taugt der Smog für eine 1a-Propaganda für die Sauberkeit der Politik. Und gerade so hebt ein munterer Parteienstreit darum an, wer am meisten vom Dreck im Ruß-Land profitiert. Wie gesagt, die SPD hat die schärfsten Werte. Aber zuviele Kohle- und zuwenige Kernkraft- werke, tönte zuerst CSU-Tandler aus dem Freistaat mit dem noto- risch weiß-blauen Himmel und dann CDU-Riesenhuber, damit es dem- nächst auch im Revier statt immer nur Smog-Alarm zur Abwechslung Strahlenalarm gibt. Die Luft in München sei auch nicht besser als die in Essen, tönte NRW-Farthmann zurück. Das wird die Essener aber gefreut haben. Bleibt zu erwähnen, daß auch die Grüne Oppo- sition nicht schläft: Sie fordert Nulltarif im Nahverkehr bei Smog-Stufe III. Ansonsten sieht sie sich als Obermahner und -befürchter natürlich vollauf bestätigt. Profitiert hat allemal die K r i s e n m o r a l d e r B e v ö l k e r u n g. Ruhig, gefaßt und gelassen habe sie die Anordnungen befolgt, wird berichtet als den Normalfall hingenom- men hat sie den Dreck offenbar sowieso. Dann bereitet auch der Alarm keine Schwierigkeiten. "Da haben wir schon Schlimmeres durchgemacht", prahlen Revierbürger vor Fernsehkameras und in Le- serbriefen mit ihrer stahlharten Opfermoral. In der Presse werden alle Übergänge zur Kriegsberichterstattung von der Smog-Front ge- macht. So will die Westfälische Rundschau beobachtet haben, daß sich am Wochenende ganze "Familien" ins Sauerland "abgesetzt" ha- ben. Deserteure! In der WAZ darf sich eine Frau erinnern: 'Wie im Krieg' sei es auf den Straßen beim Alarm gewesen. Und gleich weiter: "Kein Problem" Alles im Griff, alles paletti! Das bißchen "dicke Luft" wirft doch einen Ruhrpottler nicht um. Da soll der Russe ruhig kommen! In einer solchen Notgemeinschaft Revier, die für ein paar Tage ausgerufen wurde, gehört natürlich ein 'innerer Feind', gegen den zügellos gehetzt werden kann. Er war schnell gefunden: Das Umwelt-Schwein der Woche: der "private Autofahrer" ------------------------------------------------------ Daß seine Benzinkutsche nur zum geringsten Teil an der Produktion von Schwefeldioxid beteiligt ist (ca. 3%) - egal! Daß er sein Ge- fährt in der Regel nicht aus Jux bewegt, sondern um zur Arbeit zu kommen - egal! Er ist störrisch und uneinsichtig. Sein Hauptcha- rakterzug: er denkt an sich, statt ans große Ganze des Reviers. Er ist eigennützig statt gemeinnützig. Man muß ihn zur Vernunft zwingen. Damit die Schornsteine weiterrauchen: für Thyssen, Krupp und Hoesch, für die Arbeitsplätze, fürs Ruhrgebiet, für Deutsch- land. Dafür kommt uns kein Dreck zu teuer! zurück