Quelle: Archiv MG - BRD WIRTSCHAFTSPOLITIK UMWELTPOLITIK - Smog und Molke - alles im Griff!
zurück Ringvorlesung "Mensch, Markt, Natur" Prof. Holger Bonus: "Was kann die Marktwirtschaft zur Lösung der Umweltprobleme beitra- gen?"DEN BOCK ZUM GÄRTNER MACHEN!
Das ist die Quintessenz der Lösung, die der erste wirtschaftswis- senschaftliche Fachmann anzubieten hatte: Die Marktwirtschaft selbst ist die beste Lösung für die "Umweltprobleme", die sie erst in die Welt bringt. Gift und Dreck sind keine Schande für die Marktwirtschaft, sondern eine Bewährungsprobe dafür, wie gut sie ist! Und die besteht sie glänzend. Weiß der Mann denn nicht, wie in der Wirtschaft gerechnet wird? Doch, er weiß: Wenn die Marktwirtschaft den Umweltminister spielen würde, wäre das eine Katastrophe! Forsch-fröhlich brachte er die ketzerische Antwort, die er abschießen wollte, gleich selbst ins Spiel. Was kann die Marktwirtschaft "beitragen"? "Antwort: Nichts. Das wird von der Anschauung bestätigt. Umweltschutz ist teuer ... die internationale Konkurrenz ... der Markt bestraft hohe Kosten mit dem Konkurs... Ausgerechnet der Markt - das hieße doch den Bock zum Gärtner machen! Dieses chaotische System, in dem jeder nur an den Profit denkt, sollte man abschaffen!" "Zu vordergründig" war der Kommentar des Professors. Im Hinter- grund hatte er nämlich eine Definition, nach der man mit dem Markt das kostbarste und vernünftigste wegwerfen würde, was wir haben: "Ökonomie heißt, die Dinge nach ihrem Wert behandeln. Ökonomisch handeln heißt haushälterisch mit ihnen umgehen." Hierin kommen Kosten, Konkurse und ähnliche marktwirtschaftliche Gegebenheiten erst gar nicht vor. Prof. Bonus beliebt einfach, sich "Ökonomie" (welche eigentlich?) als den Inbegriff von Zweckmäßigkeit vorzustellen. So gesehen, macht sie dann echt einen guten Eindruck und der Professor folgert: "Wir haben nicht zuviel, sondern zuwenig Ökonomie!" Welche ist jetzt gemeint? Ach die, die wir schon haben, natürlich. Denn mit der wohlmeinend hindefinierten Zweckmäßigkeit schlechthin ist laut Bonus gar nichts gewonnen. Was anderes als die Marktwirtschaft kommt da gar nicht in Frage. Beweis: "Es herrscht eine strukturelle Isomorphie zwischen dem ökolo- gischen System einerseits und der modernen Industriegesellschaft andererseits ... Zwei komplexe Großsysteme, die sich gegenseitig stören und in Einklang gebracht werden müssen. Diese Harmonisierung geht nur mit einem ökologienahen System wie es die Marktwirtschaft ist." Es spricht nicht gerade für die Exaktheit der Beschreibung, daß man am Ende die Marktwirtschaft von der Natur nicht mehr unter- scheiden kann. Na klar: Wenn Prof. Bonus beide Seiten mit expli- zit inhaltsleeren System-Begriffen umschreibt, dann sehen sich diese abstrakten Gebilde sehr ähnlich. Bloß was beweist das schon! Weder daß sie sich stören noch warum sie füreinander taug- lich sein sollen, ist damit zwingend. Seit wann ist ein Hammer deswegen so geeignet, weil er so ähnlich "strukturiert" ist wie der Nagel? Mit der "strukturellen Isomorphie" sollte außer der Eignung der Marktwirtschaft für den Umweltschutz auch noch bewiesen werden, daß der Markt mindestens ebensoviel Respekt verdient, wie der Na- tur von ihren Jüngern entgegengebracht wird. Dabei ist es schon bemerkenswert, was ein moderner Wirtschaftswissenschaftler für bewunderungswürdig hält: "Alles hängt mit allem zusammen. Es ist ein vernetztes System, das schwer zu steuern ist. Scheinbar harmlose Eingriffe bringen, wenn sie fortgesetzt werden, Dinge heraus, die man nicht mehr reparieren kann... Es handelt sich um komplexe Großsysteme mit der Fähigkeit zu spontanen Selbstorganisation. Diese Eigen- gesetzlichkeit muß man ausnutzen, dagegen geht nichts." Diese angebliche "Fähigkeit zur Selbstorganisation" flößt dem Professor viel Respekt vor soviel autonomem Funktionieren ein: Das "Großsystem" verkehrt manch gutgemeinte "Eingriffe" glatt in ihr Gegenteil, es bleibt unberechenbar und macht in jedem Fall einfach, was es will. Außer ehrfürchtigem Staunen für gläubige Gemüter läßt sich aus diesem Allmachtsgemälde eigentlich gar nichts ableiten - am allerwenigsten, daß sich die unwissenden Menschlein jetzt zu Herren über den Markt aufschwingen und ihn zielstrebig "ausnutzen". Das sollen sie aber: Wiewohl der Markt per definitionem nichts falsch, sondern "spontan" immer nur alles richtig machen kann, läuft doch etwas "falsch", und zwar mit den natürlichen Ressour- cen, "die die Ökonomen öffentliche Güter nennen. Sie erzielen auf dem Markt einen Preis von Null. Das ist als negative Rückkoppelung das falsche Signal. So signalisiert der Markt: Es ist genug vor- handen." Na und? An der Menge liegt es doch gar nicht, vielmehr ist die Qualität von Luft und Wasser versaut. Aber wie dem auch sei; mit der Konstruktion eines gar nicht existenten "Null-Preises" für nicht gehandelte "öffentliche Güter" beweist der Ökonom zualler- erst die Allgemeingültigkeit seines Dogmas vom Preis als Rege- lungsmechanismus: Gerade wo er fehlt, wirkt er ungeheuer! Gemäß der ihm beigelegten Funktion als Knappheitsanzeiger signalisiert der Nullpreis die - für jedermann offensichtlich unsinnige - Aus- kunft, daß von (sauberem) Wasser, Boden usw. unbegrenzt viel vor- rätig sei - und alle richten sich prompt danach, werfen sich auf diese feinen Geschäftsartikel und verbrauchen, allein deswegen, weil sie nichts kosten, was das Zeug hält. Für den Ökonomen weder Grund, am Verstand von Marktteilnehmern noch an der Vernünftig- keit solch eines Mechanismus' zu zweifeln, sondern Auftakt für die schwierige Aufgabe, den genau "richtigen" Preis für Naturver- brauch bzw. -verschmutzung herauszufinden. Daß man, um unerwünschte Beeinträchtigungen der "Umwelt" durch die Produktion auszuschließen, diesen Zweck in der Produktion selbst geltend macht, kommt selbstverständlich nicht in Frage - das wäre ja Planwirtschaft = "zu starr" = "ökologiefern" und kann sowieso nicht funktionieren. Funktionieren - und überdies: viel besser - soll dagegen die indirekte Methode, die Produzenten, denen es um was ganz anderes geht, mit richtig ausgetüftelten Preis-"Signalen" zu genau dem Resultat hinzumanipulieren, das man haben will. Einem Preis selbst ist die Qualität dessen, was er signalisieren soll, nun allerdings überhaupt nicht anzumerken: Meinen 2,50 DM für den Liter Benzin nun die Botschaft "ziemlich knapp" = 'Finger weg!' oder "ziemlich reichlich" = 'kaufen!'? Wo- rauf der Ökonom bei seiner Idee vom Preis als Steuerungshebel im übrigen spekuliert, ist schlicht der Zwang zum Einteilen, den (höhere) Preise im Vergleich zu beschränkten Geldbeuteln ausüben. Mehr kaufen als bezahlen kann keiner, wie wahr! Diesen raffinierten "Mechanismus", der ansonsten die "spontane Selbstorganisation" des Marktes erledigt, soll im Fall der Umwelt der Staat bewußt einsetzen, um durchzusetzen, was dem Markt selbst widerstrebt - ohne zugleich die empfindlichen Marktkräfte durcheinanderzubringen. Das Kunststück, wirkungsvoll einzugreifen, ohne dem Markt etwas vorzuschreiben, sieht Prof. Bonus am ehesten durch die sog. "Kontingent- bzw. Mengenlösung" gewährleistet: "Es müßten handelbare Emittierungszertifikate vergeben werden, d.h. Gratisrechte zur Umweltverschmutzung, die man dann horten, verkaufen oder verpachten kann. Um den Pep da reinzubringen, müßte man die Kontingente natürlich verringern." Der Trick soll darin bestehen, staatliche Vorschriften als Han- delsartikel in die Welt zu bringen, als ein Angebot an die Unter- nehmen, damit zu kalkulieren. Darin sollen sie dann aber auch ganz frei sein: Sie hätten die Möglichkeit, ihre Emittierungszer- tifikate zu verkaufen und mit der Einnahme einen Filter zu kaufen etc. Das ist die Lösung, an die man dabei denken soll. (Die un- terstellt im übrigen, daß auf der andern Seite ein Käufer steht, der Geld dafür hinlegt, statt des ersten Unternehmens Dreck in die Luft jagen zu dürfen.) Sie könnten aber auch alles beim alten lassen oder sogar Zertifikate dazukaufen oder auch ganz neues Gift in die Luft blasen. Wenn Unternehmen Zertifikate wie Umwelt- techniken danach begutachten, womit mehr Gewinn zu machen ist, dann kann alles mögliche dabei rauskommen - zumal der Professor nicht müde wurde zu betonen, wieviel Kosten Umweltschutz verur- sacht. Von wegen also: hier würden die "spontane Selbstorganisations- kräfte des Marktes" wirkungsvoll für den Umweltschutz ausgenutzt! Mehr als die schiere Möglichkeit, daß die Unternehmen sich viel- leicht auch mal für eine Umweltschutzmaßnahme entscheiden könn- ten, verspricht der Prof. Bonus gar nicht. Dabei sollte das "marktkonforme" Modell doch so viel effektiver sein als die Vor- schriften, die der Staat erläßt. Am Ende muß dann doch, um über- haupt eine gewisse Wirksamkeit zu gewährleisten, der Staat ho- heitlich die Kontingente verringern und "Sie müssen das natürlich kontrollieren". Daß in dieser Wirtschaftsweise noch die geringste Rücksichtnahme auf die Erhaltung der Umgebung den Wirtschaftssub- jekten erst durch hoheitliche Maßnahmen abgerungen werden muß, ist als Kompliment für den Markt nicht mißzuverstehen. zurück