Quelle: Archiv MG - BRD WIRTSCHAFTSPOLITIK UMWELTPOLITIK - Smog und Molke - alles im Griff!


       zurück

       Von der  Lässigkeit, mit  der "Umweltskandale" entdeckt, abgewik-
       kelt und bereinigt werden:
       

PSEUDO-KRUPP

Nach den Skandalen "Ölpest an Europas Stränden", "Giftfische in der Elbe", "Dioxin in Seveso", "Der deutsche Wald stirbt" und "Dioxin ist überall" ist seit Anfang des Jahres auch das seit Jahrzehnten "rätselhafte", "plötzliche und unerwartete Sterben" von Kleinkindern zu einem handfesten Umweltvorfall geworden: "Wenn der Wald stirbt, stirbt der Mensch" (Spiegel), "Kranke Um- welt - kranke Kinder" (ARD), usw. 1. Der Tatbestand ----------------- Eine Reihe von Produktionsprozessen in der kapitalistisch betrie- benen Industrie und Landwirtschaft bringen Stoffe hervor, die als Abfall in die Luft oder in das Wasser abgegeben werden und die auf den menschlichen Organismus als Gifte wirken: SO2 NOx, PCB, HCB, DDT, Dioxin, Nitrat, usw. Die Verhinderung der Giftproduk- tion verursacht Kosten und unterbleibt, soweit die staatliche Grenzwertbestimmung es erlaubt. Von einigen Stoffen ist bekannt, daß sie zu Schleimhautschwellungen führen und ihr verstärktes Auftreten in der Luft bzw. im Trinkwasser einhergeht mit einem Anstieg der plötzlichen Atemnotfälle von Kindern, zum Teil mit Todesfolge. 2. Enthüllung ------------- Aus der Reihe der Gesundheitschädigungen, die z.B. als Berufs- krankheiten anerkannt sind, oder an die man sich als "allgemeine Lebensrisiken" (z.B. Verseuchung durch Lebensmittel) gewöhnen durfte, wird jetzt d i e Schweinerei hervorgehoben, daß hierzu- land Kinder so vergiftet werden, daß es jährlich über Tausend von ihnen nicht überleben. Mit einigem Brimborium, dessen die Presse fähig ist, wird enthüllt, daß die Politik geschlafen habe und ih- rer Verantwortung für das Wohl des nationalen Nachwuchses nicht nachkomme. Mit einer Parteinahme für die Menschen gegen die innen zugemuteten Schädigungen hat das nichts zu tun, vielmehr mit dem Anprangern von Auswüchsen, die über das gewohnte Normalmaß an produzierter Krankheit hinausgehen; von Auswüchsen, die "unschuldige und wehrlose Kinder" treffen - so als ob sich diese Skandalmoral gleich weniger bedauernswerte Opfer vorstellen kann, deren gesundheitlicher Ruin Aufregung ganz fehl am Platze er- scheinen läßt. 3. Abstellen der Ursachen: Fehlanzeige -------------------------------------- Wäre das wahr, daß staatlicherseits die Gefahren für die Gesund- heit der Bürger nur nicht richtig ernst genommmen worden wären (mangels Wissen oder sonstwarum), dann wäre doch spätestens nach dieser Enthüllung der Zeitpunkt für das Verbot der Emission von SO2 und Feinstäuben sowie der Nitratanreicherung von Trinkwasser gekommen. Offensichtlich sind aber die Gesundheitsbehörden über den Tod "des kleinen Daniel N." nicht so erschrocken, daß eine Beendigung der Krupp-Erkrankungen ernsthaft ins Werk gesetzt würde. Als Reaktion ist da eine prinzipielle Zuständigkeitserklä- rung in Form von Politikerbesuchen vor Ort und eine Beschwichti- gungsdebatte samt einer Problematisierung der Ursachenkomplexität angesagt. 4. Ursache: überhaupt fraglich! ------------------------------- Wenn Raucher häufiger Lungenkrebs bekommen als Nichtraucher, steht nicht nur für die Krankenversicherung fest, was und wer am Lungenkrebs schuld ist, sodaß man sich öffentlich überlegen darf, ob nicht eine Prämienerhöhung für Raucher angebracht sei. Wenn dagegen der Kinderarzt Dr. Mersmann in der Nähe der Industriere- gion Emscher bei Inversionswetterlagen einen rapiden Anstieg der Pseudo-Krupp-Fälle feststellt, dann soll nicht klar sein, daß der Industriedreck dran schuld ist. Da soll erstmal eine lückenlose Beweiskette vorgelegt werden, die das Staubteilchen aus dem Schornstein Y der Schuld am Tod des Kindes Z überführt! Und über- haupt, so heißt es: Wie kann man denn über die Giftigkeit eines Stoffes Genaueres sagen, wenn es noch 10 andere gibt, die auch noch mit im Spiel sind! Oppositionsparteien (incl. Grüne) hauen da in dieselbe Kerbe: Mehr Meßstellen, um den Zusammenhang besser beweisen zu können; Meldepflicht, genauere Statistik und Veröffentlichung der Daten! Davon wird man vielleicht gesund! Wo also das Geschäft mit der Drecksindustrie auf dem Spiel steht, wird so schnell kein Einwand dagegen gelten gelassen: praktisch nicht und in der Propaganda auch nicht! Aber es gibt doch Ge- setze! 5. Der staatliche Umgang mit den Ursachen ----------------------------------------- Nach der Maxime "was ist denn noch alles auszuhalten" werden Emissions- und Immissionswerte für bekannte Krankmacher erlassen, und so jedes Geschäft, bei dem sie anfallen, explizit erlaubt, sofern es gelingt, gerade unterhalb der kritischen Werte zu blei- ben. Und wie hoch oder niedrig diese Grenzbestimmungen auch immer ausfallen, die Ermittlung einer Höchstmenge, unterhalb derer die jeweiligen Gifte für das Durchschnittsindividuum als unschädlich festgelegt werden, unterstellt und sanktioniert staatlicherseits die kapitalistische Praxis und das dringliche Kosteninteresse, solche Stoffe in möglichst großer Menge unter die Leute zu brin- gen. Weil diese in Zahlen fixierten Zumutungen für die Gesundheit also die prinzipielle politische Entscheidung dafür sind, der ge- winnträchtigen und deshalb so ungesunden Produktionsweise ihren geregelten Ablauf zu verpassen, gehören staatliche Ausnahmeer- laubnisse für kapitalistische Unternehmen (u.a. dann, wenn sie durch ihre Größe und nationale Wichtigkeit "beeindrucken" können) zu Grenzwerterlassen dazu und stellen nicht etwa die Aushöhlung einer an sich lobenswerten umweltpolitischen Tat dar, die Gesund- heit und Profit miteinander versöhnen wollte. In der Umgebung des Krupp-Stahlwerks in Rheinhausen z.B. mag also schon eine Konzen- tration von Krupp-Fällen vorliegen. - Daran, daß die Firma Krupp ihre Kokerei auf über die doppelte Produktionsmenge erweitern darf, ihr die Auflage zur Trockenkühlung bzw. eines geschlossenen Systems vom SPD-Stahlstandort Duisburg erspart wird, und damit der Ausstoß aus Schwefelwasserstoff zunimmt, daran ändert das Kinderkeuchen gar nichts. 6. Volksgesundheit ------------------ nennt sich dieser Standpunkt, von dem aus die Kosten-/Nutzen- Rechnung mit der Vernutzung des Menschenmaterials durchgeführt wird. Vom Staat wird er praktiziert als Umweltpolitik, als Rege- lungen zum Arbeitsschutz, in der Errichtung von Gewerbe- und Ge- sundheitsaufsicht. Leider wird der brutale Standpunkt, der die Physis der Leute als brauchbare Angelegenheit für Geschäft und Politik taxiert und ihnen auf dem Gesetzeswege vorschreibt, wel- chen Schädigungen sie sich im Laufe ihres Lebens aussetzen müs- sen, welchen gesundheitlichen Verschleiß jeder im Rahmen des Er- halts der Volksgesundheit zu (ver)tragen hat, alles andere als kritisiert. Selbst die Betroffenen berufen sich noch auf den Idealismus des gegen sie praktizierten Zynismus, der sich den Schutz des Volkskörpers auf's Panier geschrieben hat. Mehr als bettelmäßige Alternativrechnungen, die dem Wert der eigenen Ge- sundheit mehr verdiente staatliche Fürsorge wünschen, kommt dabei leider nicht heraus: "Aber ich bin der Meinung, daß das kein Argument sein kann, hier die Gesundheit unserer Kinder gegen die Arbeitslosigkeit auszu- spielen. Denn die technischen Voraussetzungen, die sind da, die Abgase zu filtern, ne saubere Luft zu machen. Da ist es meiner Ansicht nach egal, was das kostet, die Gesundheit unserer Kinder steht meiner Ansicht nach an erster Stelle. Denn die Kinder, das ist auch unsere Zukunft, und wenn nachher diese Kinder nicht mehr an den Arbeitsplätzen, die jetzt angeblich erhalten werden sol- len, arbeiten können, weil die mit 20 Jahren weiß-Gott-wie kaputt sind, dann hat keiner was davon. Und deswegen kann das niemals ein Argument sein, das gegeneinander auszuspielen. Wir haben An- spruch auf saubere Luft, und da bin ich der Meinung, müssen wir uns auch dafür einsetzen." Wissen denn selbst die Betroffenen kein besseres Argument als die akzeptierte Normal-Beanspruchung eines Arbeitstieres in Anschlag zu bringen, wenn sie sich über ihre Beschädigung beschweren?! 7. Von Skandal zu Skandal ------------------------- Wenn die Betroffenen schon selber ihre Ruinierung als eine Re- chenaufgabe der Staatskosten verhandeln, die nur anders gelöst werden soll, wenn die Grundlage der Rechnung, daß nationaler Reichtum auf die Knochen derer geht, die ihn herstellen, nirgends durchgestrichen wird, dann kann getrost das nächste Skandalen enthüllt werden: Da wird nur das Rechnen in den Proportionen der Volksgesundheit zur allgemeinen Übung - eine billigere öffentli- che Aufregung über ein paar Giftleichen können sich die Verursa- cher kaum wünschen! Wer das als Skandal empfindet, findet weitere Argumente in der neuen MSZ! *** Pseudo-Krupp ------------ Beim Pseudo-Krupp kommt es im Alter zwischen 1 und 4 Jahren zu einem plötzlichen Anschwellen der Rachenschleimhäute. Diese Re- gion ist die engste im luftzuführenden System, und da diese bei kleinen Kindern von schwellfähigem Gewebe begrenzt wird, können einige Millimeter Schwellungen des Innenraumes zu hörbaren Atem- behinderungen führen. Die ebenfalls in dieser Region gelegenen Stimmbänder schwellen an, somit kommt es zu einem charakteristi- schen bellenden Husten. Beim weiteren Anschwellen dieser Region kann es innerhalb von Minuten zur lebensbedrohlichen Atembehinde- rung kommen, wenn nicht sofort folgende Maßnahmen eingeleitet werden: Aus: itz-KVR - regionaler Info-Dienst zurück