Quelle: Archiv MG - BRD WIRTSCHAFTSPOLITIK UMWELTPOLITIK - Smog und Molke - alles im Griff!


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       9. Bremer Wissenschafts-Forum 1.4.-3.4.87
       Umweltbelastung - Umweltgestaltung
       
       Ihre ausgezeichnete  Zusammenarbeit mit Geschäftswelt und Politik
       wollte die  Universität mit einem Wissenschaftsforum demonstrativ
       herausstellen: "Die  Universität  ist  vom  zarten  Keimling  zum
       großen Baum geworden, wir sind national anerkannt, unsere Wissen-
       schaftler werden  auf viele  Kongresse, auch  international, ein-
       geladen." (Rektor  Timm auf  der Eröffnungsveranstaltung  im Rat-
       haus)
       
       W o f ü r  die Bremer Kopfarbeiter eigentlich anerkannt sein wol-
       len, machte  die Abschlußpodiumsdiskussion  im Festsaal des Neuen
       Rathauses schon  durch die  sorgfältige Auswahl  der  Diskutanten
       deutlich. Zum  Thema" Welche Anforderungen sind in Zukunft zu er-
       füllen, um  Entwicklungen zum sozialverträglichen Umweltschutz zu
       sichern" versicherten sich ihr freundliches Einvernehmen wechsel-
       seitig die  Honoratioren Dr.  E. Meller  (Bundesverband der Deut-
       schen Industrie)  und sein  Sozialpartner F.  Teichmüller (IG Me-
       tall), Eva  Maria Lemke  (Senatorin für  Umweltschutz) sowie  der
       wissenschaftliche Beistand der Uni, angeführt von Rektor Timm.
       Eine feine  Gesellschaft also.  Ausgerechnet die soll rastlos für
       den Umweltschutz tätig sein?
       
       DER UMWELTSCHMUTZ: PROFITLICH ERZEUGT,
       ======================================
       POLITISCH GENEHMIGT, WISSENSCHAFTLICH BETREUT!
       ==============================================
       
       Eher schon handelt es sich bei diesem erlauchten Kreis um die Ur-
       heber und Fachleute für Umweltschmutz.
       
       Der Bundesverband der Deutschen Industrie
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       schreibt außer  "deutsch" in  seinem Namen  den Profit ganz groß.
       Die kostengünstige Kalkulation von Lohnempfängern und Materialien
       sorgt dann  schon dafür,  daß stolze  Bremer Arbeitsplatzbesitzer
       bei Daimler  und Vulkan an einer Lackiererleber oder an Asbestose
       laborieren. Wer  sich schlicht  Anwohner nennt,  bleibt  deswegen
       noch lange  nicht verschont.  So wie  die Trinkwasserquelle Rhein
       für die kostengünstige Endlagerung der Chemiegifte herhalten muß,
       so steht  die Bremer  Luft auch  nicht einfach  zum Schnaufen zur
       Verfügung. Schließlich will Klöckner seine giftigen Abgase billig
       entsorgen.
       
       Die Gewerkschaft
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       hält die  schiere Benutzung eines Menschen durchs Kapital für ein
       Glück mit  dem Namen  'Arbeitsplatz', das  einem manche Giftdosis
       wert sein muß. Über den "Konflikt zwischen Ökonomie und Ökologie"
       darf dabei durchaus nachgedacht werden, wenn die Richtung stimmt:
       "Umweltfreundliche Produkte"  ja -  aber nur,  wenn sie  als  Ge-
       schäftsgelegenheiten taugen.  Alles andere wäre Gift für den Pro-
       fit - pardon: die Arbeitsplätze.
       
       Der Bremer Senat
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       hat einiges zu tun. Er legt die Werte für erlaubte Emissionen von
       Gift und  Dreck fest.  Die Geschäfte  sollen schließlich  laufen,
       ohne daß die Verpestung des Menschenmaterials und der natürlichen
       Lebensbedingungen diese gleich schlagartig für die weitere Benut-
       zung unbrauchbar  machen. Störfallverordnungen  und die  entspre-
       chende Heraufsetzung  der Grenzwerte  beweisen, daß  es bei einem
       Normalgrad der  täglichen Vergiftung  nicht bleibt.  Kleinere und
       größere Katastrophen  sind  also  durchaus  eingeplant.  Manchmal
       reicht schon eine "Inversionswetterlage", damit die Senatorin für
       Umweltschutz der  Bevölkerung dringend  rät, besser nicht mehr zu
       atmen, weil der Schornstein bei Klöckner raucht.
       
       Die Wissenschaft
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       ist bei diesem Geschäft dringend gefragt. Sie poduziert nicht nur
       die Betriebswirte,  die sich auf die doppelte Buchführung von Ko-
       sten und  Profit verstehen. Naturwissenschaftler und Produktions-
       techniker müssen  her, die  die verschiedenen "Umweltbelastungen"
       unterscheiden und  messen können,  die aus ihren Reaktorkonstruk-
       tionen und  Reagenzgläsern im Dienst von Geschäft und Politik auf
       die Menschheit  losgelassen werden.  Ihr Sachverstand  darf sogar
       seinen Senf  bei der  Festlegung von MAK- und anderen Grenzwerten
       dazugeben, in  denen die  "sozialverträglichen" Dosen  Gift poli-
       tisch beschlossen  werden. Und  schließlich sind sie als Podiums-
       diskutanten fast  unentbehrlich. So wie sie beherrscht kaum einer
       den gemeinen  Witz,  die  profitliche  und  politisch  genehmigte
       E r z e u g u n g   von Umweltschmutz als das dauernde Bemühen um
       "Entwicklungen zum sozialverträglichen Umweltschutz" hinzudrehen.
       Für   d i e s e   gute Zusammenarbeit mit Industrie und Senat be-
       glückwünscht  sich   die  Universität   demonstrativ  selbst.  Im
       F e s t saal des Neuen Rathauses.
       In diesem  Sinne verliefen  die Vorträge und Workshops. Nicht die
       Kritik an der Umweltvergiftung und ihren Urhebern war Thema, son-
       dern der wissenschaftlich fundierte verständnisvolle  U m g a n g
       mit beidem. Die Regieanweisung von Evi Lemke
       
       "Ich warne in diesem Zusammenhang allerdings vor der Hoffnung, in
       der industrialisierten  Welt könnte  ersatzlos auf  alle Produkte
       und Verfahren verzichtet werden, von denen aus heutiger Sicht Um-
       weltbelastungen ausgehen." (Impulse 3)
       
       wie auch  der neue  Denkansatz seiner  Magnifizenz kamen voll zum
       Tragen:
       
       "Wir brauchen  einen neuen  Denkansatz. Wir dürfen nicht mehr wie
       bisher das  Gesamtrisiko als  Summe der durch die giftigen Stoffe
       herbeigeführten Einzelrisiken  definieren, sondern müssen ein Ge-
       samtrisiko festlegen, nach dem dann Einzelrisiken zugelassen wer-
       den." (Timm  in der  Veranstaltung 'Umwelt  und Arbeitsplatzbela-
       stungen des Menschen')
       
       Das müssen  wir wohl,  wenn die Konzernbilanz Krebs und Asbestose
       unverzichtbar machen.
       Eingeengt fühlte sich durch diese Vorgaben von oben offenbar kaum
       jemand der  Vortragenden, weil  verantwortliche Wissenschaft  ge-
       nauso geht und Dienstanweisungen dieser Art kaum braucht.
       
       Im Folgenden ein paar Highlights
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       aus den Workshops zum Thema Umweltschutz:
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       M. Fischer, Bundesgesundheitsamt:
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       Wirkungsforschung und Vorsorgeprinzip
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       "Perfekte Vorsorge  wäre nur  möglich bei  perfekter Kontrolle  -
       letztere ist  wissenschaftlich nicht zu leisten und politisch mit
       dem GG  nicht vereinbar.  Daher müssen  begrenzte Risiken auch in
       Zukunft eingegangen werden."
       
       Sicher. Wenn  die Vergiftung  der Menschheit fürs Kapitalwachstum
       gesetzlich geschützt  wird, ist jede Kritik, die so etwas abstel-
       len will,  verfassungsfeindlich. Der Mann hat das GG kapiert. Wo-
       für oder wogegen spricht das eigentlich?
       
       Prof. H.A. Diehl (Bremen): Bewertung von Grenzwerten
       ----------------------------------------------------
       
       Das spricht  dann eben für die Berechnung der Giftdosen und ihrer
       Wirkung statt ihrer Beseitigung:
       
       "Der wissenschaftliche  Beitrag zur Aufstellung eines Grenzwertes
       kann nur in einer dosiskorrelierten Risikoabschätzung bestehen."
       
       Das führt dann zu sehr gesunden Ergebnissen, wenn man nur richtig
       rechnet:
       
       M. Fischer: Umwelt und Arbeitsplatzbelastungen des Menschen
       -----------------------------------------------------------
       
       "Die Anwendung dieser Methoden zeigt u.a., daß Produktionsverbote
       nicht immer  die risikoärmste  Strategie sind... Anstelle von As-
       best könnte  man künstliche Mineralfasern zum Wärmeschutz verwen-
       den, deren Krebsrisiko zwar geringer, aber auch nicht gleich Null
       ist. Stellt  man eine  Umweltbilanz auf  - Krebs  auf  der  einen
       Seite, Wärmedämmung  auf der  anderen Seite - und bezieht man sie
       auf dieselbe  Dimension 'Gesundheit', dann erhält man einen posi-
       tiven Effekt." (Fischer in der gleichnamigen Veranstaltung)
       
       Interessant. Erst  definiert man  die Anstrengungen der Kapitali-
       sten, aus  Wärmedämmung ein  flottes Geschäft  zu machen, in eine
       Großtat für  die frierende Menschheit und ihre Gesundheit um, und
       schon werden  die Krebstoten,  die bei der Produktion und Verwen-
       dung dieses  Zeugs anfallen, dadurch kompensiert. Was zählt schon
       ein Krebs, wenn die Raumtemperatur stimmt.
       Das ist natürlich nur ein subjektiver Ansatz. Unanfechtbar ist er
       aber dann,  wenn er  von amtlichen Stellen vorgerechnet wird. Wie
       solche amtlichen Bewertungen ausfallen, ist hinreichend bekannt.
       
       Prof. Schmitz-Feuerhake (Bremen): Strahlenrisiko
       ------------------------------------------------
       
       zitiert, wohl in kritischer Absicht, ein Beispiel der Internatio-
       nalen  Strahlenschutzkommission:  "Die  Internationale  Strahlen-
       schutzkommission hat  Erhebungen darüber angestellt, welche mitt-
       lere Todesrate  bei Arbeitnehmern  in den  hochentwickelten Indu-
       strienationen auftreten:  50 Tote  pro Million pro Jahr. Da diese
       offensichtlich gesellschaftlich  toleriert  seien,  wird  festge-
       setzt, daß  eine Industrie  mit einer Todesrate unterhalb von 100
       berufsbedingten Fällen  pro 1  Million Arbeitnehmer pro Jahr eine
       'sichere' Industrie sei."
       
       Sicherheit ist also, wenn bei 1 Million Arbeitern pro Jahr 100 an
       Strahlenkrebs verrecken.
       Damit ist  die Sicherheitsphilosophie  natürlich  noch  nicht  am
       Ende. Ungerechtigkeiten  lassen sich  nämlich auf dieser sicheren
       Grundlage durchaus entdecken und problematisieren: Darf jeder Be-
       trieb gleich viel Gift in die Umwelt pumpen?
       
       Prof. Jansen (Wien): Bewertung von Umweltbelastungen
       ----------------------------------------------------
       
       "Als  effektivstes  umweltpolitisches  Instrumentarium  erscheint
       hingegen:
       - die Ausgabe von Umweltbelastungs-Anteilscheinen (UBAS)
       Sie sind  regional zugeordnet, stückelbar und - auf einer Umwelt-
       börse tauschbar."
       
       Es wäre doch ein schreiendes Unrecht, wenn die AKW-Industrie sich
       allein die  Krebstoten unter den Nagel reißt. Chemie-Konzerne und
       Strahlenunternehmen wollen schließlich auch ihr Scherflein zu den
       Kranken einer  "gesunden Industrie"  beitragen. Gerecht verteilte
       Anteilsscheine für  die Ruinierung  der Leute  und ihrer  Lebens-
       grundlagen sind  da genau  das passende  Instrument. Eine Umwelt-
       börse für  den munteren  Tausch solcher  Zertifikate kann helfen,
       daß die  unternehmerische Initiative  nicht durch ein allzu enges
       Korsett von  Erlaubnissen erstickt wird. 'Tausche 10 UBAS DDT ge-
       gen 20  UBAS Dioxin' - man will ja auch nicht dem Fortschritt der
       High-Chem-Industrie im Weg stehen.
       Und für  den Fall,  daß Tschernobyl in Stade stattfindet, wird es
       ja wohl an einer ordentlichen Börse auch nicht an Kredit fehlen.
       Grund zur  Sorge besteht jedenfalls nicht. Denn eines ist für die
       Menschen auf jeden Fall sicher. Strahlen hin, Dioxin her, Umwelt-
       schutz kann Arbeitsplätze schaffen oder vernichten:
       
       Dipl.-Ing. Rainer Leo (Bremen): Entwicklung von Umwelttechnik
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       und Recht. Die Sicht der Praxis
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       "2. These:  Umweltschutzgesetzgebung  schafft  bzw.  sichert  Ar-
       beitsplätze.
       3. These:  Die Weiterentwicklung  von Umweltschutztechniken  kann
       langfristig zum Abbau von Arbeitsplätzen führen.
       4. These:  Die Weiterentwicklung  von Umweltschutztechniken  kann
       neue Arbeitsplätze schaffen.
       5. These:  In traditionellen Branchen... können durch Entwicklung
       von  innovativen  Umweltschutztechniken  Arbeitsplätze  gesichert
       bzw. neu geschaffen werden.
       6. These: Arbeitsplätze können abgebaut werden, wenn Forschung...
       ausschließlich  in   Universitären  bzw.  behördlichen  Bereichen
       durchgeführt werden."
       
       Ja bist  Du denn der Leo? Rainer ist wohl zuviel Karussell gefah-
       ren.
       
       (Alle Zitate,  soweit nicht anders vermerkt, aus den Thesenpapie-
       ren der Workshops)
       

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