Quelle: Archiv MG - BRD WIRTSCHAFTSPOLITIK UMWELTPOLITIK - Smog und Molke - alles im Griff!
zurück Münchner Hochschulzeitung Nr. 6, 16.12.1981 Bärlocher SiemensFIRMENSPEZIFISCHE ABWASSERBESEITIGUNG
Wie wäre es, wenn man bei einer Polizeikontrolle mit 2,3 Promille erwiseht würde und einer als Strafe die Auflage gemacht würde, innerhalb der nächsten Tage eine 'plausible Erklärung' dafür ab- zugeben. Im Umgang der Behörden mit Firmen hinsichtlich Umweltschutz ist dies die größte Selbstverständlichkeit: Bei einem Unternehmen stehen eben "höhere Interessen" auf dem Spiel, weshalb erstmal alle Maßnahmen vorsichtig "abgewägt" werden müssen. Die sich seit Jahren wiederholende Feststellung daß die Fa. Bär- locher per Luft und Ab-Wasser wo es halt anfällt und soviel ge- rade anfällt, giftige Stoffe ableitet, ist immer wieder guter An- laß, die Fürsorge der Behörden für die Bevölkerung ins positive Licht zu rücken. Jedes Vierteljahr einmal droht man mit der "Schließung des Betriebs" und "radikales Vorgehen" wird gefor- dert, "Ultimaten" werden gestellt und Daumenschrauben angelegt. Allein die Tatsache, daß das Gezeter seit Jahren in regelmäßigen Abständen angestimmt wird, könnte einem schon aufstoßen. Erst recht die Maßnahmen seitens der Behörden, wenn man sie sich ein- mal näher anschaut. Was da alle tolerierbar ist, hat mit der Sorge um die Gesundheit der Leute nichts zu tun: Auch der Tod ei- nes unmittelbaren Nachbarn des Werkes mit nachweislich hohen Cad- miummengen im Blut berechtigt einen da noch lange nicht zu irgend welchen Vermutungen über die Ursachen. Die Schädigungen durch Cadmium sind schon ewig klar, aber: "Andererseits rechtfertigen die Belastungen und der heutige Erkenntnisstand über deren Ursa- chen noch keine ganze oder teilweise Schließung des Betriebs." Neue Anlagen werden genehmigt, weitere Standorte angeboten, und schließlich beharrt die Stadt auch nicht darauf, daß die von ihr aufgestellten Grenzwerte für die Verdünnung der Giftstoffe imAb- wasser grundsätzlich eingehalten werden. "Eine lückenlose Überwa- chung ist nicht möglich." Schließlich geht es auch bei Bärlocher um ein Unternehmen, das Steuern bringt, "Arbeitsplätze schafft" usw. Deshalb werden Kom- promisse und Kompensationen gefunden, bei denen darüber verhan- delt wird, wie die ständige Belastung der Bevölkerung ja zu kei- nem Hindernis für die Kalkulation der Unternehmen und ihr Florie- ren wird. Deshalb braucht sich auch niemand über die "vorbildlichen Münch- ner Grenzwerte" zu freuen, als ob hier die Gesundheit der Leute gesichert wäre und bloß Bärlocher noch ein letztes, besonders schwarzes Schaf. So als würde es sich bei den angesetzten Grenz- werten um homöopathische Dosen handeln; die die Abwehrkräfte des Körpers steigern. Daß bei den festgelegten Grenzwerten nicht die Gesundheit der Maßstab ist, läßt sich schon dem entnehmen, daß die so gelobten Grenzwerte für Schadstoffemission von Region zu Region verschieden sind; oder verträgt so ein Saarlandmensch ein- fach mehr? Je nach dem, welches Minimum an Schadstoffen den jeweiligen Be- trieben zugemutet wird, ohne daß es selbstverständlich zu allzu großen Härten kommt, so "streng" oder "locker" sind dann auch die Grenzwerte. Was den Betrieben zugemutet werden kann, ist Resultat einer Abwägung, wo auf der einen Seite alle (selbst-)verständ- lichen Interessen der Betriebe als wirtschaftliche Natur- notwendigkeiten eingehen; während im Bezug auf die Belastung der Leute man auf keinen Fall gleich hysterische Überreaktionen zeigen will. Daß die Anreicherung des Klärschlamms mit Schwermetallen die Münchner Abfallverwertung durcheinander bringt, wo auf städtischen Gütern mit diesem Schlamm gedüngt wird, ist dabei schon einmal ein Argument, der Schadstoffkonzen- tration und der Frage, ob sie sich nicht herabsetzen läßt, nach- zugehen. Allerdings auch kein so absolutes, daß man deswegen den vergifteten Schlamm nicht auf Halde lagern würde und seinen Ruf als industriefreundliche Stadt aufs Spiel setzt. Was war dann vor 4 Wochen im Fall Bärlocher der Grund dafür, daß sich alle Behördenmenschen so furchtbar wunderten und alles so "nebulös" und "unerklärlich" war? Erbost waren die Männer im Rathaus deswegen, weil man doch ein bißchen Kooperation erwarten kann, auch wenn der "Partner" noch so "schwierig" ist wie Bärlocher. Man kann ja verstehen, daß 'Pannen' passieren, aber dann gehören sie doch wenigstens als solche deklariert. Dem Verdacht, daß nach wie vor die Überschreitung der Grenzwerte zum normalen Be- triebsablauf gehört, muß zumindest entgegengetreten werden. Reaktion der Firma: "Wir akzeptieren das und werden eine allseits befriedigende Auskunft geben", ist offensichtlich schon der ge- wünschte Kooperationswille. Nachdem "erklärt" wurde, woher die großen Mengen Cadmium kamen, brauchte man Sie nur noch auszuspü- len, aber diesmal kontrolliert: "Baureferent R. Langguth ließ gestern wissen, daß die Firma, die die stark überhöhten Cadmiummengen in ihren Abwässern stets mit historischen Ablagerungen begründete, ihre Abwasserschächte durchgespült und sich daraufhin die Situation verbessert habe." Was vorher nach und nach rausgelassen wurde, hat man jetzt auf einmal reinegemacht. "Zwar würden in einem Schacht immer noch hohe Cadmiummengen regi- striert, die man auf 'diffuse innerbetriebliehe Quellen' zurück- führt, dennoch sei eine Mehrbelastung im städtischen Klärschlamm nicht zu befürchten." Wie man allerdings den Verdacht eines Skan- dals gar nicht aufkommen läßt, indem man auf die Einhaltung von eigens beschlossenen Grenzwerten für die Verdünnung von Schadstoffen drängt, zeigt der Umgang der Stadt München mit der Firma Siemens: "Nach dem Fall Bärlocher ist die Stadt bei der Überwachung ge- werblicher Abwässer jetzt auch mit einem weiteren Großbetrieb in Konflikt geraten. Die Firma Siemens hat der Stadt gedroht, die Halbleiterfertigung aus München zu verlagern, wenn sie die fest- gesetzten Grenzwerte für die Einleitung fluoridhaltiger Abwässer in das Kanalnetz nicht anhebt. Der Großkonzern machte in einer Stellungnahme deutlich, daß der von der Stadt aufgestellte Grenz- wert von zehn Milligramm pro Liter nicht eingehalten werden könne. Die chemische Verbindung fällt in den Siemenswerken am Frankfurter Ring, an der Balanstraße und an der Ruppert-Mayer- Straße an. Die Siemens-Beschwerde wurde jetzt vom Baureferat als berechtigt bezeichnet. Gutachten der zuständigen Landesämter für Umwelt- schutz und Wasserwirtschaft haben ergeben, daß eine Lockerung der Vorschriften keine schädlichen Wirkungen bei der Abwasserreini- gung zur Folge hätten. Der Bauausschuß des Stadtrats stimmte des- halb einer Anhebung des Grenzwertes auf 50 Milligramm pro Liter zu," (SZ vom 4.12.81) Daß die B e d e u t u n g des Unternehmens mit der von ihm auf- gemachten Kalkulation, hier den Ausschlag für die Änderung der Grenzwerte gegeben hat, ist offensichtlich. Wer kann sich auch schon vorstellen, daß Fluoride Schaden anrichten, wenn sie doch in der Zahpasta so gut gegen Karies sein sollen. zurück