Quelle: Archiv MG - BRD WIRTSCHAFTSPOLITIK UMWELTPOLITIK - Smog und Molke - alles im Griff!


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       Der am meisten betränte Tote der Woche
       

DAS ÖKO-SYSTEM IM RHEIN

Das ist den Giftwellen aus Basel zum Opfer gefallen. Wobei sich ein unvoreingenommener Beobachter zuerst einmal darüber wundern könnte, daß es in diesem mitteleuropäischen Industrie-Abwasserka- nal überhaupt noch ein solches "System" ausgehalten hat. Wenn sich Aale und anderes Geziefer da bislang fröhlich getummelt ha- ben, dann beweist das jedenfalls, wie borniert sich diese Natur, pardon: das Öko-System aufzuführen pflegt. Das läßt sich von lau- ter leicht bis äußerst giftigen Substanzen nicht daran hindern, sich wohnlich auszubreiten. Das ist von einer solchen Zähigkeit, daß es sich auch da noch vermehrt, wechselseitig auffrißt und einfach vor sich hin biotopt. Und ausgerechnet dieses begriffs- und anspruchslose Dahinvegetieren soll man sich furchtbar zu Her- zen nehmen?! Jetzt ist es weg, und wen stört das? Wer vermißt den idyllischen Kreislauf von "Wasserflöhen, Krebsen, Asseln, Larven und Aalen"? Fehlen den Rheinuferbewohnern demnächst die sommerlichen Mücken- schwärme? Eine sehr ideologische Sorge, die die katastrophenbe- flissene Öffentlichkeit da umtreibt. Im Fernsehen wird gezeigt, wie die Spezies Mensch zum Trinkwasserabholen antritt und fröh- lich, in Reih und Glied, eine gelungene Notstandsübung absol- viert. Dem soll man entnehmen, daß die staatlichen Stellen alles wieder mal im Griff haben, daß sich niemand über die Schädigung s e i n e r Lebensumstände beschweren darf - unsere Obrigkeit tut ihr Bestes. Deshalb heißt es Kopf hoch, ein bißchen Quecksil- ber mehr im Trinkwasser hat noch niemand geschadet, das verzehrt man ja schon seit Jahren im Thunfisch. Und was sonst noch alles an Wasserzusätzen erst gar nicht bekanntgegeben worden ist, be- wegt sich ohnehin garantiert unter den eigens dafür angesetzten Grenzwerten. In dieser Hinsicht ist alles bestens geregelt. Allergrößte Sorgen machen darf und soll man sich demgegenüber - um den R h e i n, um das gemordete Öko-System. Da versteigt sich ein Naturanwalt der "Süddeutschen Zeitung" zu der tiefsinnigen Klage, daß die Na- tur keine Prozesse führen kann. "Anspruch auf eine Entschädigung hat bloß, wer seinen Schaden belegen kann - die Natur aber kann das nicht." Aber was sollte der Rhein denn auch mit dem Geld an- fangen. Der Vorteil dieses moralischen Hirngespinstes einer leidenden Na- tur besteht eben darin - und das erklärt die Lust daran, sich zu dessen Anwalt aufzuschwingen -, daß es eine so moralisch einwand- freie, über jeden Verdacht auf Egoismus erhabene Beschwerde er- laubt. Garantiert nicht zu verwechseln mit den ordinären Sorgen von Leuten, die zusätzlich zu ihren "Berufs-" und "Kultur- krankheiten" noch ein bißchen mehr Schadstoffe verabreicht bekommen. Und jetzt soll keiner kommen und irgendwelche Zusammenhänge zwi- schen dem Ökosystem und der Genießbarkeit der Natur für menschli- che Bedürfnisse herleiern. Die gibt es unter Garantie. Aber da muß man sich schon entscheiden, ob man gegen eine Naturverhunzung etwas einzuwenden hat, weil davon reelle Interessen geschädigt werden, oder ob man im Namen eines moralisch unverdächtigen, weil gar nicht existenten Subjekts namens Natur herumjammert. Im zwei- ten Fall kann man sich übrigens wieder abregen: Laut Auskunft der versammelten Umweltminister leben immer noch gewisse Bakterien im Rhein. Und das ist doch auch schon ein Ökosystem, oder? Bild ansehen Chemie im Rhein zurück