Quelle: Archiv MG - BRD WIRTSCHAFTSPOLITIK UMWELTPOLITIK - Smog und Molke - alles im Griff!
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Was heutzutage die Gemüter bewegt:
"UNSER MÜLL"
Es soll 'Müllnotstand' herrschen im Lande, sogar die 'Entsor-
gungssicherheit ist in Gefahr', kurz - 'wir ersticken im Müll!'
Der Müll ist Thema öffentlicher Debatten und alle sind sich
einig, wer im Grunde schuld ist: unser aller "Wohlstand".
Der wahre und wirkliche Müllproduzent
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ist schnell ermittelt.
"In unserer Wohlstandsgesellschaft produziert jeder Bürger rund
500 kg Müll im Jahr" wobei sich "allein bei den privaten Haus-
haltsabfällen die Menge in den letzten 30 Jahren verfünffacht
hat."
Vollkommen egal, was man mit den einzelnen Größen eigentlich an-
fangen soll, die Botschaft ist eindeutig: 'Wir werfen zuviel
weg!' Das 'Müllproblem' ist damit lokalisiert und hat seine
Ursache im privaten Umgang mit dem Müll gefunden.
Die Diagnose ist eigenartig. Ausgerechnet der Verbraucher, der
sich aus dem v o r f i n d l i c h e n A n g e b o t seine Le-
bensmittel besorgt, üblicherweise in Städten wohnt, in denen eine
kommunale Müllabführ organisiert ist, also vorne und hinten
nichts damit zu tun hat, wie eigentlich die Produktion und Ab-
fallwirtschaft in dieser Gesellschaft eingerichtet sind, soll der
eigentliche Müll p r o d u z e n t sein. An seinen Entscheidun-
gen soll es angeblich liegen, wenn die Deponien der Gemeinden und
Landkreise aus den Nähten platzen und dementsprechend idiotisch
sind die diskutierten "Lösungen".
Abhilfe ist demzufolge nämlich im 'Verbraucherverhalten' zu fin-
den. Und dieser Verbraucher hat noch nicht einmal den Ernst der
Lage erkannt und gibt sich gar dem Irrtum hin "solange die Tonne
rechtzeitig geleert wird ist die Sache für ihn gelaufen" und
"schert sich um den Müll einen Dreck" (SZ 9.3.90)
Eine Leistung ist der Debatte über das 'Müllproblem' auf jeden
Fall zu attestieren: kein Mensch will in der Produktion und wie
sie in der freien Marktwirtschaft geregelt ist d e n Grund für
die beklagte Misere ausmachen. Dann würden die offiziellen und
selbsternannten Müllspezialisten nämlich darauf stoßen, daß in
dieser Sphäre längst alles g e r e g e l t ist. Alles läuft
längst nach den staatlichen Verordnungen, die gelten. Wenn staat-
liche Stellen nun Probleme mit ihrer Praxis von gestern bekommen,
heißt das noch lange nicht, daß plötzlich Planwirtschaft angesagt
ist. Freiheit des Geschäfts soll natürlich nach wie vor sein, und
die beinhaltet nicht nur die eine oder andere Folie für die Ver-
packung, sondern auch daß so manches andere Produktionsmaterial,
aus dem man ein Geschäft machen kann, anschließend "die Umwelt
belastet".
Der Müll des Kapitals unter staatlicher Obhut
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Seine Zuständigkeit in Sachen Müll hat sich der bundesdeutsche
Staat gesetzlich verankert und seine Bundesländer mit der Durch-
führung beauftragt. Mit der Regelung von Planung, Organisation
und Überwachung der Abfallbeseitigung durch Sondergesetze über-
nimmt er die Verwaltung des anfallenden Abfalls.
"Genehmigungspflichtige Anlagen sind so zu errichten und betrei-
ben, daß die beim Betrieb anfallenden Abfälle ordnungsgemäß und
schadlos wiederverwertet, oder soweit dies technisch nicht mög-
lich oder wirtschaftlich nicht vertretbar ist, als Abfälle ord-
nungsgemäß beseitigt werden müssen" (Bundes-Immissionsschutzge-
setz).
Zunächst einmal wird die Vorstellung aufgemacht, als sei jeder
Krümel Abfall, noch bevor er auf seine Beseitigung wartet, laut
Gesetz erst einmal einer Begutachtung auf die Möglichkeiten sei-
ner Wiederverwertung unterzogen worden. Eine Verpflichtung zu ei-
nem rationellen Umgang mit den Stoffen soll damit jedoch keines-
wegs ausgesprochen sein. Die weitere Erläuterung dessen, wie die
Ausschöpfung der "technischen Möglichkeiten" zu verstehen ist,
gibt schon genauere Auskunft über die Prämisse" die sich die Po-
litiker dafür vorstellen, "wirtschaftlich vertretbar" muß sie
schon sein. Sie bekunden darin ihren Willen zu einer Produktions-
weise, die auch die Abfälle der Produktion unter Kostengesichts-
punkte stellt. "Vermeidung von Müll" oder "Wiederverwertung" sind
unter dem Gesichtspunkt der schwarzen Zahlen, die ein Betrieb nun
einmal schreiben will, reiner Idealismus, sofern die Firma nicht
selbst eine Berechnung anstellt, nach der sich '"Recycling"
lohnt.
Wiederverwertung - wenn es der Gewinn fordert
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"Recycling" ist in einem Unternehmen mit kapitalistischer Rech-
nungsführung durchaus nichts Neues. Unsere Herren Unternehmer
sind im Grunde sehr pingelig, wenn es um den im Zuge des Produk-
tionsprozesses entstehenden Abfall geht. "Materialökonomie" ge-
hört seit jeher zu den Methoden der Kostenkalkalation, und wo ein
"Abprodukt" selbst ein Rohstoff ist, dessen Rückführung in den
Produktionsprozeß sich rechnet, findet er statt.
"Das innerbetriebliche Recycling von Kunststoffabfällen aus dem
Produktionsprozeß im Umschmelzverfahren befindet sich auf einem
hohen Niveau und ist für die wirtschaftliche Fertigung in Kunst-
stoffverarbeitungsbetrieben schon seit vielen Jahren ein unver-
zichtbarer Bestandteil". (VDI-Nachrichten, 16.2.90)
Ob ein Stoff "Abfall" ist oder nicht, ist keine Frage seiner na-
türlichen Beschaffenheit, sondern eine der herrschenden Ökonomie.
Wo das Abprodukt allerdings tatsächlich bloß "Abfall" ist, kommt
es umgekehrt darauf an, es möglichst kostengünstig zu entsorgen.
Und auf diesem Feld dürfen Unternehmer einiges, schließlich sind
sie d i e V o l k s w i r t s c h a f t, von deren Wohlerge-
hen... Was schlußendlich als Müll daherkommt, war eben wohl not-
wendig in Sachen Geschäftsbilanz und hat als solcher seine staat-
liche Anerkennung. Daß für eben diese Geschäftsbilanz die Entsor-
gungskosten Gift sind - sie sind nichts anderes als Unkosten und
damit Abzug vom Gewinn -, verstehen die Verfechter der freien
Marktwirtschaft einerseits nur allzu gut. Andererseits denken die
staatlichen Stellen aber auch daran, daß schließlich alle Unter-
nehmer die Nation als kostenlose Müllkippe nutzen wollen, und da
geht heutzutage nicht mehr alles, was gestern noch Usus war, bzw.
heute noch ist.
Das Verursacherprinzip: Die Freiheit des Kapitals, seinen Müll
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auf Grundlage staatlicher Vorgaben loszuwerden
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Mit diesem Verfahren schafft der Staat sich bzw. den zuständigen,
beauftragten Kommunen und Gemeinden erst einmal Kosten vom Hals,
indem er für den in der Produktion anfallenden Müll den Produzen-
ten haftbar macht.
"Für Abfälle, die nach Art und Menge nicht mit den in Haushaltun-
gen anfallenden Abfällen entsorgt werden können, ist der Abfall-
produzent zuständig." (Abfallbeseitigungsgesetz)
Wenn Politiker die Unternehmen verpflichten, sich um ihren Abfall
und seine Beseitigung selbst zu kümmern, so gelten die auferleg-
ten Schranken nur b e d i n g t: Sie eröffnen eine neue Art der
Geschäftskalkulation - Dreck gegen Gebühr. Anliegern deutscher
Flüsse z.B. wird eine "Einleitungsgebühr" berechnet. Sauber wird
das Wasser dadurch nur in Grenzen, dann nämlich, wenn für einen
Betrieb die eigene Klärung der Abwässer billiger kommt (einmal
abgesehen davon, was dann als sauber gilt). Andernfalls ist we-
nigstens der Staat nicht leer ausgegangen und mindert seine Ko-
sten. Sauber macht der allerdings auch nichts, denn das wäre ja
absurd, wenn er sich all die Kosten auferlegen würde, die er sei-
nen Unternehmern ersparen will - das geht nach der gültigen Regel
unserer Volkswirtschaft schon wegen der internationalen Konkur-
renz nicht. Deswegen ist in Form von Grenzwerten, Ausnahmegeneh-
migungen etc. festgeschriehen, was im allgemeinen in unseren Lan-
den verträglich ist.
Daß dieser Abfall alles andere als harmlos ist, davon geht der
Staat aus: er begutachtet ihn, teilt ihn in diverse Kategorien
ein und gibt Richtlinien an, wie die ordnungsgemäße Abfallbesei-
tigung von statten zu gehen hat. Er erläßt Vorschriften und er-
teilt damit prinzipiell die Erlaubnis zur Freisetzung von Giften.
Auf dieser Grundlage erhebt sich sodann eine muntere Debatte, ob
denn der Wert für die Umwelt nicht ein bißchen zu niedrig ange-
setzt sei und ob sich nicht durch höhere Gebühren mehr vermeiden
ließe.
Staatliche Entsorgungskonzepte
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Eine Gefährdung wichtiger allgemeiner Voraussetzungen, die der
Staat dem marktwirtschaftlichen Leben zuliebe verwaltet, soll
nicht sein. Wo die Kontinuität der Produktion und die schlichten
Lebensbedingungen der Bevölkerung in Frage stehen, wo Boden, Luft
und Wasser die Gestalt einer akuten Krankheitsursache annehmen,
da entdecken staatliche Stellen ihr Aufgabenfeld. Die bislang fa-
vorisierte Methode der 'Verwertung' war die
Entlagerung auf Deponien
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Man schätzte dieses wenig aufwendige Verfahren als eine kosten-
günstige Art der Entsorgung. Das "selbst bei voller Realisierung
des integrierten Entsorgungskonzeptes beachtliche Volumen ver-
bleibender, teils hoch schadstoffbelasteter Reststoffe" (SZ
23.3.89) in der gelagerten Müllmasse reicherte zum einen die Luft
und Umgebung an oder machte sich als Sickerwasser bemerkbar. Bei
einer daraus resultierenden Vergiftung des Grundwassers haben die
Politiker Regelungsbedarf entdeckt.
"Stehen bei der Standortwahl für eine Deponie Flächen mit natür-
lichem, ausreichend dichten Untergrund zur Verfügung, sollten
diese nach Möglichkeit bevorzugt werden. Bei anderen Standortbe-
stimmungen sind besondere Dichtungsmaßnahmen an der Deponiebasis
dann erforderlich, wenn der Zutritt von Sickerwasser aus der De-
ponie in den Untergrund verhindert oder auf ein Mindestmaß be-
schränkt werden soll. Über die Notwendigkeit derartiger Maßnahmen
entscheidet die Behörde." (Länderarbeitsgemeinschaft Abfall)
Eines ist damit bereits auf alle Fälle sicher: Boden und Wasser
kriegen Gift ab, und zwar wenigstens ein Mindestmaß. Ob deswegen,
wenn schon der natürliche Untergrund versagt, besondere Maßnahmen
getroffen werden müssen, ist mit dem Schadstoffgehalt des Sicker-
wassers allein noch überhaupt nicht ausgemacht. Da braucht's erst
den staatlichen Beschluß, der entscheidet, wieviel Vergiftung er
zulassen will und ob dafür der vorhandene Untergrund schon
'ausreichend dicht' genug ist oder ob zusätzliche Aufwendungen
erforderlich sind.
Diese seit Jahren bewährte Methode der Abfallentsorgung ist an
ihre Grenze gestoßen. Angesichts der kontinuierlichen Menge Ab-
fall handelt es sich bei der als privates Geschäft betriebenen
Deponierung um eine Geschäftssphäre, in der sich "die Wachstums-
raten seit Jahren im zweistelligen Bereich bewegen." (SZ,
23.3.90). Dementsprechend herrscht angesichts der Qualität des
anfallenden Drecks akuter Mangel an ausweisbaren Deponieflächen.
Und so war die neue Aufgabe schon vorgezeichnet: 'Reduktion des
Abfallvolumens'.
Hierfür machten Politiker in der
Müllverbrennung
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ein Verfahren aus, daß dieser Anforderung gerecht wird.
Das Prinzip ist einfach.
"Hausmüll und hausmüllähnliche Gewerbeabfälle werden bei der An-
lieferung zur Müllverbrennungsanlage in riesige Becken abgekippt
und per Kran in einzelnen Portionen in den Ofen eingegeben und
verbrannt".
Der Erfolg ist augenscheinlich. Die Ausgangsmenge ist um ca. 90%
reduziert. Zurück bleiben Schlacke, Filterstäube, sowie Rück-
stände aus der Rauchgasreinigung. Bei der Verbrennung gewonnene
Wärme und Strom schlagen zudem durch ihren Verkauf bei den Be-
triebskosten positiv zu Buch. Nur - verschwunden sind die diver-
sen Stoffe, die in den Ofen gewandert sind damit noch überhaupt
nicht, in konzentrierter Form lagern sie sich in Reststoffen und
Abluft an, und die haben es in sich: Schwermetalle in der
Schlacke und sonstigen festen Rückständen, in den Abgasen und der
Flugasche eine reichhaltige Palette von Salzsäure bis zu einem
"ganzen Sammelsurium der Dioxingarnitur" (VDI-Nachrichten
26.1.90).
Das wird überhaupt nicht bestritten, davon gehen Politiker auch
aus:
"Die Müllverbrennung trägt heute zur (Dioxin-) Belastung 10-30%
bei" (Neidhardt, Umweltbundesamt).
Unbestritten ist auch die Wirkung, die Dioxine und Furane auf den
Menschen haben:
"Dioxine erzeugen bereits in unvorstellbar kleinen Mengen Krebs".
(VDI-Nachrichten 26.1.90)
Wer aber meint, sich deswegen den Standpunkt zueigen machen zu
müssen - wenn diese Stoffe die Gesundheit schädigen, dann dürfen
eben keine raus -, muß sich vom obersten Hüter der Umwelt eines
besseren belehren lassen:
"Die Forderung, daß keine weiteren Dioxine mehr in die Umwelt ge-
bracht werden dürfen (Null-Immission), ist irreal" (Töpfer).
Schließlich entsprechen unsere MVA's ja dem "Stand der Technik"-,
eine weitere Reduzierung der Schadstoffemission ist d e s w e-
g e n unmöglich. Von etwas anderem als den "Dioxinen" spricht
ohnehin niemand mehr.
Im übrigen. Der "Stand der Technik" fällt hierzulande nicht unbe-
dingt mit dem zusammen, was technisch machbar wäre. Als "Stand
der Technik" gelten bezüglich der MVA's wie bezüglich sonstiger
"umweltschonender Produktion" solche Verfahrensweisen, die von
geschäftsttüchtigen Unternehmern rentabel angewandt werden können
und sich deshalb allgemeiner Durchgesetztheit erfreuen. Ob da
technisch nicht noch einiges an Schadstoffvermeidung drin wäre,
steht auf einem ganz anderen Blatt, wenn die Einführung techni-
scher Neuerungen dem Kriterium der "wirtschaftlichen Zumutbar-
keit" unterliegt. So laufen beispielsweise Müllöfen, die dem bun-
desdeutschen "Stand der Technik" entsprechen, mit einer Tempera-
tur von 900 - 1000 C, obwohl bekannt ist, daß Dioxin "überall
dort entsteht, wo organisches chlorhaltiges Material erhitzt oder
unvollständig verbrannt wird" (VDI 26.1.90) und sich in jedem
Chemiebuch nachschlagen läßt, daß die erforderliche Temperatur
für vollständige Verbrennung bei über 1200 °C liegt. Die landes-
weit betriebenen Anlagen haben den staatlichen Segen.
"Soweit diese dem neuesten Stand der Technik und damit der TA
Luft genügen, ist nicht mit einer unvertretbar hohen toxischen
Emission zu rechnen." (Bundesumweltamt)
Eine schöne Abrechnung mit allen Illusionen über staatliche
Grenzwerte. Die TA Luft stellt an den "Stand der Technik"' kei-
nesfalls "irreale" Anforderungen hinsichtlich Giftvermeidung und
Gesundheitsverträglichkeit, sondern orientiert sich am ihm. Also:
Die Giftmenge, die beim "neuesten Stand der Technik" eben an-
fällt, genügt "damit" der TA Luft. Umgekehrt gibt die staatliche
Richtlinie dann auch vor, was als "Stand der Technik" gilt: Was
der TA Luft genügt, entspricht "damit" auch dem "Stand der Tech-
nik". Und das gilt dann als unschädlich, nicht etwa weil es das
ist, sondern weil das Umweltamt es so beschlossen hat.
Die Leute werden zwar weiterhin einer andauernden Vergiftung
durch Müllverbrennungsanlagen ausgesetzt, aber sie ist eigentlich
gar keine mehr, denn sie ist erstens gesetzlich und zweitens
nicht unvertretbar. Und gelegentlich wird auch einmal ein Grenz-
wert herabgesetzt.
Die bunte Welt der Chemie
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Nicht d a ß etwas verbrannt wird, sondern w a s da alles sei-
nen Eingang in die nationalen Deponien und Verbrennungsanlagen
findet, schafft das ungesunde Klima. Die staatlichen oder staat-
lich lizensierten Abfallverwerter sehen sich all den schönen
Stoffen unserer modernen Welt gegenüber, mit denen keine Sau mehr
etwas anfangen kann. Neben dem laufenden Abfall aus der Produk-
tion enden letztlich auch die Produkte unserer Marktwirtschaft
auf dem Müll, wenn sie nicht mehr gebraucht werden. Zuvor hat
Freiheit geherrscht in der Herstellung jeglichen Stoffes, wenn er
nur an den Mann zu bringen war. Dann, wenn er weggeworfen wird,
handelt es sich um einen "Problemstoff", dessen "Entsorgung"
Schwierigkeiten bereitet.
Mischen, Trennen, Sammeln - die Förderung der Müllmoral
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Und so stellt sich das nächste Ideal der Verminderung des Abfalls
ein. Lassen sich einzelne Bestandteile des anfallenden Mülls aus-
sortieren und einer getrennten Verwertung zuführen? Mehr kosten
soll es allerdings auch nicht.
Die gegenwärtige Praxis besteht im wesentlichen darin, Hausmüll
und hausmüllähnlichen Gewerbemüll pauschal und damit gleichgültig
gegenüber seinen unterschiedlichen Bestandteilen einzusammeln.
Diesem Prinzip wollen die Politiker auch treu bleiben, weil sie
in ihr das kostengünstigste und damit der Sache angemessenste
Verfahren ausgemacht haben.
D a n e b e n kommen Praktiken zu ehren, die der Gesetzgeber
eher in den Bereich überholter Produktionsweisen verwiesen hat.
Das Sammeln von Altpapier und Glas findet als Tätigkeit carita-
tiver Vereine statt, was nicht auf dem überschwemmten Altstoff-
markt unterkommt, wandert auf diesem Umweg dann doch auf die De-
ponie oder findet zur Verbesserung des Brennwerts seinen Weg in
die Müllverbrennung. Wiederverwertung als Standpunkt wird dabei
durchaus geschätzt. Und wenn etwa die Großmolkerei diesen noch
praktisch werden und alte Joghurtbecher wiedereinsammeln läßt,
dann ist "Lob aus Bonn und aus dem Rathaus" sicher. Daß
"Wiederverwertung" deswegen das neueste Prinzip wäre, nach dem
unsere Volkswirtschaft eingerichtet würde, und sei es auch nur
tendenziell, bleibt ein Gerücht. Das wäre schließlich Planwirt-
schaft.
Als Betätigungsfeld für die Moral der Bürger eignet sich der Müll
dafür um so besser. Die "Eigeninitiative des Verbrauchers" ist
gefordert, wo die Kommunen im Ernst gar nichts an ihren Entsor-
gungskonzepten ändern wollen. Wenn Leute dazu aufgerufen werden,
den "Hausmüll zu entgiften", und Giftmobile losgeschickt werden,
zu denen jeder seine aussortierten und gesammelten Chemikalienre-
ste hintragen darf; wenn in den Supermärkten Kartons für ausge-
diente Batterien aufgestellt werden, dann kann der zum Mülltren-
nungssubjekt erhobene Verbraucher gar nicht das leisten, wozu er
ernannt wurde. Wie sollte auch mit ein paar speziell entsorgten
Batterien der Müll entgiftet werden können, angesichts der Menge
von Schadstoffen, die zum einen "auch in gemeinhin als harmlos
geltenden Stoffen" des Hausmülls, zum anderen im ganzen mit-
entsorgten Gewerbemüll enthalten sind. Und was soll ein Ausein-
andersortieren der Stoffe nach ihrem Gebrauch bringen, wenn die
Einzelbestandteile der Gegenstände für sich schon die schädlichen
Stoffe enthalten.
Den staatlichen Stellen kommt es anscheinend aber genau auf die-
ses Hin und Her Schieben von Schadstoffen, die sie in ihrer Ge-
samtbilanz messen, an. Hier einen Grenzwert unterschritten, dort
auf die Unzuverlässigkeit des Bürgers geschimpft, der eine Zink-
Kohle-Batterie nicht von einer mit Quecksilber unterscheiden
kann, das ist, was staatliche Stellen derzeit für "machbar"
halten. Etwas anderes ist eben wirtschaftlich nicht vertretbar.
Und was die Müllverwerter dann hinterher selbst wieder
zusammenschütten, auseinandersortieren oder sonst wie behandeln,
findet nach anderen Regeln statt, als der moralische Impetus
umweltbewußter Bürger sich das vorstellt oder für nötig befindet.
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