Quelle: Archiv MG - BRD WIRTSCHAFTSPOLITIK STAHLINDUSTRIE - Der Fall Rheinhausen usw.
zurück StreitgesprächPROF. PAUL KLEMMER VERSUS MARXISTISCHE GRUPPE
Themen: 1. Stahlkrise und ihre Ursachen 2. Arbeitslosigkeit im Ruhrgebiet 1. Die Stahlkrise samt ihren Folgen für die lohnarbeitende Menschheit - Anlaß zu welchen Schlußfolgerungen? - Anlaß dafür, einer regional- und volkswirtschaftlich sinnvollen Stabilisierung der deutschen Stahlproduktion sowie einer be- triebswirtschaftlichen Standortoptimierung das Wort zu reden, so wie im Klemmer/Schrumpf-Gutachten "Die Auswirkungen der Stahlpo- litik auf die Wirtschaftsstruktur des Ruhrgebiets" geschehen? "(Es) muß davon ausgegangen werden, daß aufgrund der nationalen Interessen der einzelnen EG-Staaten, aber auch aufgrund der ver- ringerten Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Stahlindustrie auf den Weltmärkten diese einen schmerzhaften Anpassungsprozeß nicht wird vermeiden können. - Da der Stahlbereich heute weitgehend über Produktionsquoten und Preiskartelle dem Markt entzogen ist, somit der Wirtschaftspolitik eine direkte Verantwortung zukommt, stellt sich hier die Frage, wie ein als notwendig anerkannter Ka- pazitätsabbau auf die einzelnen Standorte der Stahlindustrie in der Bundesrepublik Deutschland zu verteilen ist. ... (Es) ergibt sich, daß in der Bundesrepublik Deutschland, weitge- hend aber auch in der europäischen Gemeinschaft insgesamt, das Ruhrgebiet aufgrund der Konzentration der weiterverarbeitenden Industrie in diesem Raum, der Verfügbarkeit des Rheins als rela- tiv billigem Transportmittel und der Modernität der Anlagen er- hebliche Vorteile aufweist, die diese Region als einzigen, lang- fristig ohne Subventionen überlebensfähigen Stahlstandort auswei- sen. - Vor dieser Ausgangslage ist in dem erwähnten Gutachten auch auf die intraregionale Standortgunst der Stahlindustrie im Ruhrgebiet eingegangen worden." (zitiert nach ITZ-Schwerpunktheft 3/82, S. 39) - Oder Anlaß dafür, sich nach den Gründen und Zwecken der natio- nalen Interessen am Geschäftikel Stahl, der politischen Krisenbe- wältigung à la 1983 und der internationalen Konkurrenz um und mit dem Stahl zu erkundigen? "Der 'Handelskrieg' im Stahl: Die Staaten lassen es sich sehr angelegen sein, die Interessen wichtiger nationaler Geschäftszweige gegeneinander ins Feld zu führen. Wie alle anderen Branchen ist die Stahlbranche unmittel- bar vom allgemeinen Stand der Konjunktur abhängig. Aufgrund ihres großen Kapitalvorschusses und des hohen Anteils von fixem Kapital ist sie jedoch von den Konjunkturschwankungen und insbesondere von chronisch darniederliegender Konjunktur extra betroffen; zugleich steht mit ihrer Existenz ein bedeutender Teil der natio- nalen Akkumulation auf dem Spiel. - Der staatlicherseits ans Stahlkapital ergehende Auftrag, sich dem Produktivitätsvergleich auf dem Weltmarkt zu stellen und so zur Kostpreissenkung für die eigene Aufrüstung beizutragen, wird deshalb überall ergänzt durch staatliche Maßnahmen, die jenseits aller negativen Wirkungen die- ses Vergleichs, jenseits auch der Wirkungen des eigenen Konjunk- turverlaufs den Erhalt von Kapazitäten und Produktivität als si- chere Grundlage nationaler Akkumulation garantieren sollen. - Ge- genwärtig ist die Stahlindustrie in allen Staaten des westlichen Bündnisses deswegen bevorzugtes Objekt staatlicher Sorge. Ihr wird - nach Maßgabe der Reichweite der politischen Gewalt ihres jeweiligen Beschützers - jede Schranke aus dem Weg geräumt, die ihr die Wahrnehmung ihres nationalen Auftrags erschweren könnte, bei sinkender Nachfrage, fallenden Preisen, Entwertung ihres fi- xen Kapitals und aktuell nicht absehbar im Aufschwung nicht nur für die Aufrechterhaltung, sondern für die beschleunigte Moderni- sierung ihrer Anlagen in staatlich erwünschtem Umfang zu sorgen. Damit aus diesen Anstrengungen bereits jetzt so weit wie möglich ein Geschäft wird (der Staat seine Kosten in Form von Struktur- hilfen usw. also möglichst gering hält!) bemühen sich die feind- lichen Brüder redlich, die Märkte ihrer gleichgesinnten Konkur- renten für den eigenen Stahl zu benutzen..." (aus: MSZ - Politi- sches Magazin der MG, Nr. 5/82, S. 34 ff) 2. Die Arbeitslosigkeit im Ruhrgebiet (und anderswo) als Resultat unternehmerischer Entscheidungen - Anlaß zu welchen Schlußfolge- rungen? - Anlaß dafür, Arbeitslosigkeit für das gesellschaftliche Problem Nr. 1 zu halten und darüber zu folgenden Auskünften zu gelangen? "Die speziellen Probleme des Ruhrgebiets kommen im Zustand rela- tiver Vollbeschäftigung zum Ausdruck: es gibt eine hohe Sockelar- beitslosigkeit... Das Revier leidet an einer relativ hohen Kon- junkturreagibilität. Man kann jede Region mit einem Resonanzboden gleichsetzen, der in Abhängigkeit von seiner Struktur auf gesamt- wirtschaftliche Störungen mit unterschiedlicher Intensität rea- giert. Die Resonanz setzt im Ruhrgebiet auf viel schlechterem An- passungsniveau an... Die These, die beste Ruhrgebietspolitik sei eine Bundes-Konjunkturpolitik, ist nicht falsch, aber nicht al- lein seligmachend. Denn 2/3 der Arbeitslosigkeit könnten ein Echoeffekt einer gesamtwirtschaftlichen Entwicklung sein, aber es ist auch das Ruhrgebiet als Resonanzboden der wirtschaftlichen Entwicklung zu beleben." (sinngemäß zitiert nach einem Vortrag von Professor Klemmer am 25.11.1982 bei der IGM-RUB-Ringvorle- sung). - Oder Anlaß dafür, über den Sachverhalt von Lohnarbeit und Ar- beitslosigkeit zu einer Kritik der kapitalistischen Produktions- weise zu gelangen? "Die Wahrheit über die Arbeitslosigkeit ist ziemlich schlicht und ziemlich brutal - und ganz anders als die offizielle Parole von der 'Arbeitslosigkeit: unser Problem Nr. 1'. Die einfache ökono- mische Wahrheit lautet: Abgeschafft werden die Arbeitsplätze, die sich für ihre wirklichen Besitzer - und das sind die Kapitalisten jeder Sorte - nicht mehr lohnen. Dieser harte Maßstab: ob die Ei- gentümer der Produktionsmittel aus der Anwendung von Lohnarbei- tern ein Geschäft machen oder nicht, kommt beim Tun und Treiben dieser Geschäftemacher dauernd praktisch in Anschlag: Verschlech- tern sich die Geschäfte der Unternehmer (und das bringen sie in ihrer Konkurrenz untereinander selbst zuwege) - dann stehen Ent- lassungen an. Damit sich die Geschäfte der Unternehmer verbes- sern, unternehmen sie allerhand: sie 1. investieren in Maschine- rie, wenn deren Kosten pro Produkt billiger kommen als Kosten für Lohn und dann stehen neue Entlassungen an. Für die Leute, die von ihrer Arbeit leben müssen, heißt das zweierlei, und beidesmal nichts Gutes: - einen Arbeitsplatz zu haben, der sich für einen Unternehmer lohnt, heißt: für den Arbeiter lohnt er sich nicht. Der hat sein Leben nach der Arbeit einzurichten und, ruiniert sich für seinen schieren Lebensunterhalt. - keinen Arbeitsplatz zu haben, heißt: nicht einmal für seinen schieren Lebensunterhalt aufkommen können. So viel steht fest: Daß das Geschäft der Erpressung mit der Armut funktioniert, dafür braucht es einen Staat, der mit seiner Gewalt die Geltung des privaten Eigentums schützt; der den sachgerechten Umgang mit dem Eigentum (= daß es sich vermehrt) verlangt und ab- sichert." (aus "Argumente zur Arbeitslosigkeit", Flugblatt der MG) zurück