Quelle: Archiv MG - BRD WIRTSCHAFTSPOLITIK STAHLINDUSTRIE - Der Fall Rheinhausen usw.
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Politische Stahlsanierung auf geschäftsmäßiger Basis:
STAHL FÜR DEUTSCHLAND
Die drei Stahl-Moderatoren haben letzte Woche ihr "Konzept" zur
Sanierung der Stahlindustrie vorgelegt mit der Grundidee, "zwei
gleich starke Konzerne (Thyssen/Krupp und Hoesch/Salzgitter/
Klöckner) zur Aufrechterhaltung der Konkurrenz zu schaffen".
Gemäß dieser Grundidee sind sie streng nach dem Kalkül der
Rentabilität und des nationalen Interesses vorgegangen und haben
so sämtliche Prinzipien bundesrepublikanischer Krisenbewältigung
vorstellig gemacht.
1. Das Stahlkapital und seine Krise
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Stahl ist eine Sphäre für die Anlage von Kapital wie jede andere
Branche auch: Gewinn muß sich machen lassen mit der Produktion
und dem Verkauf dieses Dings. Mit dem Vorschuß einer großen Kapi-
talsumme (zustandegebracht durch die Konzentration von Kapital
und durch die Benutzung sämtlicher Kreditquellen der Gesell-
schaft) und mit einer hohen organischen Zusammensetzung des Kapi-
tals (sinkender Lohnkostenanteil am sich vergrößernden Vorschuß)
haben sich für die Stahlunternehmer die Tonnenkosten eingestellt,
mit denen sie ihre Extra-rofite - der Stachel der Konkurrenz -
erzielt haben. An den reichlich angesammelten Geschäftsmitteln
läßt sich der Erfolg diesbezüglicher Bemühungen ablesen. Heutzu-
tage gelten diese Geschäftsmittel als "Überkapazitäten", was mit
einem Zuviel an K a p a z i t ä t e n allerdings nichts zu tun
hat. Es hat sich ein Zuviel an Stahl k a p i t a l angesammelt,
das jetzt ein zuwenig an Geschäftsbedingungen, an lohnender Wei-
terverwendung all der schönen Geschäftsmittel, vorfindet. Kapita-
listen bewältigen i h r e Krise souverän: durch Entwertung von
dem Kapital, das seinen Zweck der Vermehrung nicht erfüllt. Der
bürgerliche Verstand stellt sich das so vor: "Die Probleme der
europäischen Stahlindustrie müßten zunächst mit Dynamit und Bull-
dozern gelöst werden" (Süddeutsche Zeitung, 29.1.83). Das Kapital
kennt effektivere Methoden (siehe 3. und 4.).
2. Das nationale Interesse am Stahl
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Die Geschäftsentwicklung des Stahlkapitals und seine Geschäfts-
krise laufen ab unter staatlicher Begutachtung und Beförderung
seiner Zwecke. Politiker haben ein Interesse an diesem Geschäfts-
artikel, weil er
a) ein G e s c h ä f t s artikel ist, eine ganze Branche damit
ihr Geld macht, Kapitalakkumulation zustandebringt, und das nicht
zu knapp. So etwas wissen Politiker als die ökonomische Grundlage
für den Reichtum der N a t i o n zu schützen, aus dem sie eini-
ges an Ansprüchen auf die Benutzung anderer Staaten ableiten. Und
wenn sie da schon nicht auf die vergleichsweise kleine Asbestin-
dustrie, die - rein produktionsmäßig - über Leichen geht, ver-
zichten wollen, dann schon erst recht nicht auf den beachtlichen
Brocken Stahlkapital.
b) ein Geschäfts a r t i k e l ist, der als Zwischenprodukt für
so manch andere Säule nationaler Akkumulation vonnöten ist und
als Element des Kostpreises in deren Kalkulation eingeht: Maschi-
nenbau, Anlagenbau, Fahrzeugbau etc., alles gerade wegen der
i m p e r i a l i s t i s c h e n Erfolge des dort engagierten
Kapitals sehr geschätzte Branchen. Nicht zu vergessen das natio-
nale Interesse am Gebrauchswert Stahl, der für die
m i l i t ä r i s c h e n Ambitionen bundesdeutscher Politik
nachgefragt wird: Panzer, Schiffe und dergleichen mehr erfreuen
sich bekanntlich eines staatlichen Auftragbooms.
All diese staatlichen Zwecke sollen - so der Auftrag der erteil-
ten Subventionen und Investitionszuschüsse - realisiert werden
durch ein rentables und weltweit konkurrenzfähiges Kapital. Die-
sen Anspruch teilt der hiesige Staat mit einigen anderen auf der
Welt, was etliche Wirtschaftsverhandlungen mit den imperialisti-
schen Konkurrenten in Übersee und innerhalb der EG vonnöten
macht, wo auf der Grundlage wechselseitiger Benutzung der Märkte
der Grad der zulässigen Benutzung (= Schädigung) ausgehandelt
wird.
3. Strategie für eine Stahlsanierung
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Die jetzt aufgelegten Vorschläge der "Stahl-Weisen" und all die
Alternativ-Vorschläge von Landesregierungen und Verbänden laufen
alle auf das Gleiche hinaus: Pläne für Fusionen von Betrieben
sind das mit dem Zweck, nationale "Über- und Doppelkapazitäten"
(in Boomzeiten sehr gefragt, in Krisenzeiten störend) abzubauen
und durch die Reduzierung und Effektivierung dieser "Kapazitäten"
neue Grundlagen fürs Geschäftemachen zu schaffen. Diese Ein-
schränkung der Produktion wird geschäftsmäßig abgewickelt - siehe
die "Grundidee" vom Anfang - und angereichert mit einer
"Diversifizierung", also mit der Produktion von Waren, die Profi-
taussichten eröffnen.
Ziel der ganzen Chose ist eine r e n t a b l e n a t i o-
n a l e Stahlkapazität, womit beiden beteiligten Fraktionen,
Kapitalisten und Politikern, gedient ist. Dafür gibt's dann auch
wieder Bürgschaften, Kredite und Subventionen in Milliardenhöhe.
Neben dem Unternehmerverband ist auch der konkurrierende Verband
an der nationalen Arbeitsfront mit einer Latte von Vorschlägen im
genannten Sinne immer dabei: die Gewerkschaft. Rudolf Judith,
"Stahlexperte" seiner Organisation, wiederholte in der "Wirt-
schaftswoche" (Nr. 5/83) deren Interessen im Schnelldurchgang:
"Tatsache ist... zuviel Kapazitäten.. weitere Rationalisierungen
im Stahlbereich... Reduzierung der Belegschaften... Gesunde und
realistische Größenordnung: 40-42 Mio Tonnen... Bundesregierung
muß knallhart sagen, daß sie die Stahlindustrie gegenüber dem
Ausland mit allen Mitteln stützen will..."
4. Die Lohnarbeiter
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sind bisher noch gar nicht extra vorgekommen. Und das ist auch
schon die ganze Härte. Sie sind nämlich in dieser ganzen Sache
als das M a t e r i a l und die M a n ö v r i e r m a s s e
zur Bewältigung der Stahlkrise unterstellt. In der Vergangenheit
und in der Zukunft ist ihre negative Betroffenheit eine ausge-
machte Sache: mit Entlassungen werden sie unter das finanzielle
Existenzminimum gebracht, mit Kurzarbeit bekommen sie Lohnsenkun-
gen von einigen Hundert Mark pro Monat verpaßt, mit der Strei-
chung von übertariflichen Zulagen aller Art bei Hoesch, Krupp und
anderswo wird ihr Lohn absolut gedruckt, mit der Veränderung des
Verhältnisses von Lohn und der mit ihm erpreßten Leistung wird in
den Betrieben saniert.
Daß das Ruhrgebiet als "Niedriglohnland" wieder eine Chance
hätte, daß Sozialpolitik als lästige Kost für die Opfer der Wirt-
schaftspolitik ihren angeblichen "Vorrang verlieren muß Sprüche
diesen Kalibers sind gang und gäbe und weisen auf d i e Wahr-
heit bei der bundesrepublikanischen Krisenbewältigung hin: auf
die absolute U n v e r t r ä g l i c h k e i t von Arbeiterwohl
und nationalem Wohl.
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