Quelle: Archiv MG - BRD WIRTSCHAFTSPOLITIK SACHVERSTAENDIGE - Von Ratschlägen für Ausbeutung
zurück Bremer Hochschulzeitung Nr. 9, 13.12.1979 Sachverständigengutachten '79 - "Herausforderung von außen"WIR MACHEN DAS SCHON
Das alljährlich wiederkehrende Lehrstück ökonomischen Experten- tums (mal ehrlich: wer sonst kennt sich schon aus in der Ökono- mie?) liegt auf dem Tisch. Titel des neuen Jahresgutachtens der Fünf Weisen: "Herausfordemng von außen". Wenn wir im folgenden den Leitgedanken dieses Machwerks würdigen, dann sollte neben Einblicken in das sonst nur dem Sachverstand vorbehaltene Gebiet der Wirtschaft auch einiges darüber zu Tage treten, worin eigentlich ökonomische Sachverständigkeit besteht. Was unter dem Titel zu verstehen ist, läßt sich folgendem entneh- men: "Das Prinzip der Vorsoge legt eine Energiepolitik nahe, die sich mehr als bisher darauf einstellt, daß Öl knapp bleibt und und so- lange real teurer wird, wie bei dem gegenwärtigen Angebotsverhal- ten des Opec-Kartells das Wirtschaftswachstum in der Welt mit ei- nem steigenden Ölpreis verbunden ist." Die Wirtschaft - soviel ist gleich zu entnehmen - fährt recht gut mit dem Öl, schließlich hat sie ein Wachstum zustande gebracht. Das Kapital hat also weder ein Mengen- noch ein Preisproblem mit dem Öl gehabt, sondern mit ständig wachsenden Ölmengen seinen Schnitt gemacht. Was die andere Seite des Ölgeschäfts angeht, sollte die Lüge des Rates auffallen. Das Öl wird nun mal nicht von den "Ölförderländern", sondern von den Ölgesellschaften in den sog. Industrieländern verkauft, die auch die Preise m a c h e n, indem sie nehmen, was sie kriegen können. Ein Um- stand, dem die Sachverständigen auch bedenkenlos Rechnung tragen, indem sie die Gewinne der Ölverkäufer aufs hiesige Wachstumskonto verbuchen, sofern sie im Lande bleiben. Ginge es also um die Er- klärung des steigenden Ölpreises, wäre zunächst nur zu sagen, daß er ein Niederschlag des flott expandierenden Kapitals ist, womit auch schon einiges über den Zusammenhang von Ölpreis und Wachstum gefallen wäre. Nur, erklären wollten die Experten diesen Zusammenhang keines- wegs, alles was sie mit dem Wörtchen "verbunden" gesagt haben wollten, ist, d a ß hier ein Zusammenhang besteht, den sie mit reichlichem Zahlenmaterial belegen können. Ohne daß sie ein Wort darüber verlieren müßten, was das Wirtschaftswachstum und der Ölpreis ökonomisch sind und was sie deshalb miteinander zu tun haben, legen sie zur Beachtung nahe, daß das eine dem anderen und umgekehrt und überhaupt, B e d i n g u n g e n des Wirtschaf- tens sind, auf die sich eingestellt gehört. Daß die Rangfolge der Bedingungen dabei nicht beliebig ist, dafür ist mit dem Gerede von der Knappheit schon gesorgt. Das plädiert nämlich f ü r den hohen Preis, weil er das Öl für alle knapp m a c h t, die es nur verbrauchen, statt mit ihm ein Wachstum zu erwirtschaften. Womit sich ganz s a c h verständig die parteiliche "Vorsorglich- keit" vorgetragen hätte, daß es auch weiterhin dabei bleibt, daß Öl ein wohlfeiles Mittel der Profitmacherei ist. Soviel ist damit über die Sachverständigkeit des Rates schon klar: Man liegt völlig falsch, sie in seinem Verständnis v o n den sog. "wirtschaftlichen Rahmendaten" zu suchen; sie liegt im Verständ- nis f ü r sie. Der Vorschlag, der sich hier ganz zwanglos anschließt, die In- stanz der "Vorsorge" solle jetzt erst recht mit Mineralölsteuern nachrücken, zeigt freilich, daß der Sachverstand noch ganz andere Seiten aufziehen kann. Dabei bleibt er immer sachlich und unpar- teilich: "Bei einer steuerlichen Verteuerung des Öls ist zu erwarten (!), daß private Haushalte, Unternehmen und Behörden Öl dort einspa- ren, wo ihnen das nach ihrem (!) Urteil die geringsten Nachteile bringt." Die Kunst dieses Erwartens (griech.: Prognose), die der Ökonomie den Ruf eingetragen hat, eine besonders praxisrelevante Geistes- wissenchaft zu sein, besteht darin, ohne auch nur ein Wort der Erklärung zum Unterschied von Verbrauchern, Kapitalen und Staats- einrichtungen nötig zu haben, gleich zwei Untersteltungen an zu unterschieben. Erstens nämlich behauptet der Ökonom, daß sie alle gleichermaßen mit dem Öl w i r t s c h a f t e n, um jeweils i h r Optimum zu erzielen. So nennt des der Fachmann, wenn die einen, die er Verbraucher nennt, auf genau soviel Heizöl verzich- ten, wie sie sich nicht leisten können, die anderen dagegen genau soviel weiter kaufen, wie für ihren Gewinn nützlich ist, wobei bei ihnen neben den Einkaufspreisen läßt auch bisweilen die Ver- kaufspreise steigen. Zweitens aber unterstellt er, daß sie alle damit schon sein Ideal verwirklichen, nämlich ein jeder seinen Anteil zu einem daher - von wegen! - ausgeglichenem Wachstum lie- fern. Den Mut, sich derart unparteiisch zu den gegensätzlichen ökonomischen Interessen zu stellen, entspringt der praktischen Sicherheit, daß der ökonomische Zwang des Preises tatkräftig vom Staat unterstützt - zwar alle gleichermaßen, aber je nach ihrer ökonomischen Stellung unterschiedlich trifft. Deshalb ist dafür gesorgt, daß sich Optimum, auf das es ankommt, schon einstellt. Weshalb ein gestandener Gutachter mit dar Wohlstandsverteilung nur ein Problem hat: "Damit sollte der Rat endgültig klargestellt haben, daß es ihm bei seinen Überlegungen zur Einkommensverteilung nicht um ein Bild der Wohlstandsverteilung geht, sondern um Wachstum." (Süddeutsche Zeitung) Wie immer sagt die Presse nur die halbe Wahrheit: das Wachstum ist schon die ganze Verteilung. Womit eigentlich schon alles über die "Herausforderungen von außen" gesagt ist. Sie sind eine für innen. Der ganze Sachver- stand der folgenden Progmose: "Die am wenigsten beeinflußbare Annahme der fünf Sachverständigen - eine ausreichende Ölmenge zu Preisen die nicht schneller stei- gen, als das allgemeine Preisniveau..." liegt in der Erfindung ("Annahme"), der Ölpreis sei eine von "unbeeinflußbaren" Arabern ausgebrütete externe ökonomische Größe. Wenn der ökonomische Experte sich hier demonstrativ schwer tut, so macht er daraus das "Argument", daß hier ein Sachzwang bestehe, von dem alles und jeder "abhängig" sei. Womit er die Botschaft für die Nation verkündet, daß der kräftig gewachsene Reichtum jetzt keinesfalls zu haben ist. "Stabilisierung des Wachstums" heißt vielmehr die Devise, unter der die, die es schaffen, sich weiterhin um die "Bedingung" ihres möglichen Lohns verdient machen dürfen, während die anderen das Wachstum haben. Daß die Weisen damit ihr ganzes Gerede von der Knappheit, der Ab- hängigkeit und dem darin liegenden Risiko fürs Wachstum widerle- gen, daß es es sich einzig um die "Herausforderung" Gewinn - in- nen wie außen handelt - die, die es angeht, werden es schon mer- ken. zurück