Quelle: Archiv MG - BRD WIRTSCHAFTSPOLITIK SACHVERSTAENDIGE - Von Ratschlägen für Ausbeutung
zurück Bremer Hochschulzeitung Nr. 14, 06.05.1980 Gegengutachten '80ALLES (AUF'S) NEU
macht der Mai. Der ist ja nun gekommen und mit ihm das "schon zur Tradition gewordene Gegengutachten zur herrschenden Lehre des Rats der 'Fünf Weisen'" (Frankfurter Rundschau). Wie immer --------- besteht es 1. im Ausmalen eines Bildes der BRD, das sie als tie- fes "Problem" erscheinen läßt. Dieses Bild setzt sich 2. aus den gerade vorher veröffentlichten aktuellen Schlagworten der anderen Gutachterfraktion zusammen, also handelt es sich 3. unverkennbar um Ökonomie. 4. ist damit hinlänglich bewiesen, daß Staat und Ka- pital schwer an ihrer herrschenden Interpretation zu tragen ha- ben, womit 5. dem alternativen Standesdünkel sein bedeutungs- schwerer Weg gewiesen ist. Unter dem Motto "Gegen konservative Formierung" tritt er den Beweis an, daß sich für ihn, der Welt- sicht linker Ökonomen, in der Welt von Staat und Kapital nur noch eins abspielt: die Ignoranz gegenüber der alternativen "Formierung", die s i e seit Jahren vorgesehen haben. 6. also: Nie war das Memo so wichtig wie 1980. Wie immer --------- nehmen die alternativen Ökonomen die Arbeitslosigkeit zum Anlaß für ihre besorgte Begutachtung. Daß sie diese nun schon zum x-tenmal besprechen, verführt sie keineswegs zu dem Schluß, daß die Freisetzung von Proleten offenbar ein unverzichtbares Mittel für die Flotte nationale Konjunktur ist, der die ganze Sorge der Wirtschafts- und Sozialpolitik gilt. Was rechte Verfasser von Me- moranden sind, die berufen sich darauf, immer schon an diese Be- gleiterscheinung kapitalistischen Wachstums erinnert zu haben, und sind damit schon ganz ohne Umschweife bei i h r e m Pro- blem: "Das Problem der Arbeitslosigkeit ist in weiten Bereichen der Öf- fentlichkeit und von einigen verantwortlichen Stellen vor allem durch Gewöhnung und Leugnung der eigentlichen Ursachen bewältigt worden." Das eigentliche Problem der Arbeitslosigkeit besteht also darin, daß niemand es in der Weise hat wie die Professoren. Einge- schnappt sind sie deswegen überhaupt nicht. Schließlich haben sie sich selbst diese Ignoranz - als ob der Stingl nicht jeden Monat der Öffentlichkeit die neueste Statistik ans Herz legen würde - erfunden. Die Moral der Geschichte lautet nämlich: "Allein schon die Weigerung, sich dieser Begriffsverwirrung anzu- schließen, beweist das Existenzrecht solcher Gegengutachten." (Frankfurter Rundschau) Womit auch schon alles darüber gesagt ist, was dieses über die "eigentlichen Ursachen" zu vermelden hat. Wie immer --------- liegen die in der Fehlleitung der Politik. Haben die "Fünf Wei- sen" sich in ihren letzten Gutachten dadurch um die Stärkung ihres Auftraggebers besorgt gezeigt, die sie die "Privatisierung" des einen oder anderen lästigen Staatsgeschäfts anempfahlen - die Auswahl fällt einem Sachverständigen nicht schwer -, ist für die Gegenfraktion das Scenario des bundesdeutschen Staats- und Wirt- schaftslebens schon fertig, ohne daß sie sich lange in der Ana- lyse irgendeiner Staatsmaßnahme und ihrer ökononomischen Wirkung verirren mußte. Der Staat betreibe "die Auslieferung von Wirtschaft und Gesellschaft an den Profit und die marktbeherrschenden Konzerne" lautet ihr Befund. Die alberne Vorstellung, die Profitwirtschaft als Opfer ihres eigenen Kriteriums, eben des Profits, auszumalen, ist immer für zweierlei gut. Erstens ist sie offenbar noch ganz etwas anderes, eben "Wirtschaft und Gesellschaft", wobei freilich die Frage offenbleibt, ob die "marktbeherrschenden Konzerne" auch dazu gehören. Zweitens läßt sich dem Auslieferer, dem Staat, der Widerspruch andichten, in s e i n e r Wirtschaftspolitik gar n i c h t s e i n e m Kriterium zu folgen. Was dieses denn sein soll - außer daß es g u t für Wirtschaft und Gesellschaft wäre -, will man nicht gesagt haben. Es reicht doch das Wörtchen "Privatisierung" mit dem Wort "Entstaatlichung" zu übersetzen, und schon liegt die ganze Wucht der alternativen Vorschläge auf der Hand. Handelt es sich doch bei ihnen keineswegs um beckmesse- rische Bestrebungen - die Systemveränderung liegt ganz bei der Gegenseite -, sondern um durchaus affirmativ gemeinte Ratschläge. Die "Fünf Weisen" trifft schon von daher der beinharte Vorwurf, in dieser Hinsicht nichts geleistet zu haben: "Herrschende Leere" heißen ihre Auslassungen in diesem Jahr, weil sie sich ganz im Gegensatz zu ihren Bremer Kollegen außer der "Profitorientie- rung"'einfach nichts anderes haben e i n f a l l e n lassen. Wie immer --------- ist dagegen der Einfallsreichtum von HICKEL und seinen Freunden sehr groß, was die Alternativen zur "konservativen Formierung" anbelangt. Freilich fällt die Auswahl bei diesem Motto auch nicht sehr schwer. Denn gemessen an diesem Maßstab, demzufolge eine konservative Systemveränderung droht, i s t eigentlich jede staatliche Einrichtung bzw. Maßnahme immer schon 1. fortschritt- lich, weil gegen konservativ, und 2. gleichzeitig bewahrend, weil ein Meilenstein gegen die "Entstaatlichung". Von der "Psychiatrie" über die "Entspannungspolitik", "Entwicklung neuer Technologien" natürlich mit "Mitbestimmung" und "Renten", alles sind "Bestandteile einer beschäftigungs- und bedarfsorientierten Wirtschaftspolitik". So besehen ist auch die Wirtschaft eigent- lich schon mehr als Ökonomie, nämlich "eine sinnvolle wirtschaft- liche Entwicklung". Zumindest aber ist ein Ökonom, der immer mehr davon fordert, mehr als das. Neu --- an diesem Gegengutachten ist zweierlei. Erstens haben diesmal 300 satt unterschrieben, zweitens aber einer weniger. Werner Glastet- ter hatte seinen Doktor schon für das Gutachten des Sachverstän- digenrates vergeben. Doch richtig besehen deutet beides nur an, "daß immerhin schon grundlegende Strukturveränderungen im Denk- prozeß nicht nur von Außenseitern der Gesellschaft im Gange sind." (Frankfurter Rundschau) *** Krieg und Frieden - alternativ ------------------------------ "In dem Memorandum heißt es, daß die gegenwärtige Krise fair viele Leute in der Bundesrepublik ein Anlaß sei, von der Arbeits- losigkeit, der Verschlechterung des Lebensstandards und der Ar- beitsbedingungen sowie der fortschreitenden Zerstörung der Umwelt abzulenken." Wie gut, daß es noch Wissenschaftler gibt, die sich von diesen Machenschaften nicht einschüchtern lassen und stattdessen beherzt die "gegenwärtige Krise" zum "Anlaß" nehmen, auf ihre wirt- schaftspolitischen Alternativvorstellungen hinzuweisen: "Auch die Einschränkung von Rüstungsausgaben und die sorgfältig geplante Umstellung von Kriegs- auf (arbeitsintensivere) Frie- densproduktion im Rahmen einer unverändert erforderlichen, konse- quenten Entspannungspolitik kann zusätzliche Beschäftigung und Nachfrage schaffen." (Die Klammer steht im Original) zurück