Quelle: Archiv MG - BRD WIRTSCHAFTSPOLITIK ELEKTROINDUSTRIE - Von AEG bis Grundig
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Pleitefirma Nixdorf von Siemens übernommen
EIN KLARER FALL VON MARRKTWIRTSCHAFT
Parteigänger der freien Marktwirtschaft, und wer ist das nicht,
haben viele gute Argumente auf ihrer Seite. Marktwirtschaftlicher
Erfolg wie marktwirtschaftliche Erfolgsmethoden sind einfach un-
übertrefflich. Aktuelles Beispiel: die Sache mit Nixdorf.
Ein "Paradepferd der deutschen Elektronikindustrie", ein 28.000-
Mann-Multi, jahrelang auf der Erfolgsstraße, muß plötzlich
"Schwierigkeiten" eingestehen. Offenbar hatte sich ganz einfach
die für den weiteren Konkurrenzerfolg notwendige "Ertragslage"
nicht mehr eingestellt.
Konkurrenzerfolg erfordert Kostenersparnis, und Kostenersparnis
kostet Geld. Je größer die Geschäftsdimensionen, desto mehr. Und
dafür, für die notwendigen und schon in Angriff genommenen Ratio-
nalisierungen, für die als notwendig erachtete und vollzogene
"Produkterneuerung" und Forschung war die "Gewinnspanne" offenbar
ganz einfach nicht mehr groß genug. So mußte für '89 ein Defizit
von 1 Mrd. DM angekündigt werden. Ein zu hohes Defizit für einen
Konzern wie Nixdorf. Soweit so gut, oder auch so schlecht. So ist
das nun einmal mit der Konkurrenz. Die wäre keine, gäbe es nur
Gewinner.
Nun wäre der Niedergang des Paderborner Großkonzerns als Preis
der freien Konkurrenz bilanziert worden, wenn da nicht noch einer
gewesen wäre: ein um noch eine Dimension größerer deutscher
Multi, Siemens eben. Da lacht der Wirtschaftsfachmann: "Des einen
Leid, des anderen Freud." (Süddeutsche Zeitung).
Nun kann von "Leid" zwar keine Rede sein; die Familie Nixdorf
wurde für den Verkauf ihrer 51% Stammaktien sicher mit Geld und
nicht mit "Leid" bezahlt. Aber für die Siemens AG war es sicher
eine "Freud": ließ sich doch so billigst an ein fürs eigene Ge-
schäft gerade noch fehlendes Erfolgsunternehmen kommen. Eben
wirklich unübertrefflich diese Marktwirtschaft! Zack, wird aus
dem geschäftlichen Mißerfolg auf der einen Seite auf der anderen
eine wunderschöne Geschäftserweiterung. Und wer ist der Gewinner?
Wir natürlich, weil so "unsere" wirtschaftliche Schlagkraft nur
dazugewinnt!
Siemens kauft also Nixdorf auf, und alles wendet sich zum Guten:
Das Geld für die bereits in Angriff genommenen Rationalisierungs-
maßnahmen ist jetzt kein "unlösbares Problem" mehr: Der Münchner
Elektronikriese hat die "ausreichenden finanziellen Mittel", de-
ren Fehlen Nixdorf scheitern ließ. Zusätzlich eröffnen sich ihm
wie von selbst "bedeutende Synergie-Potentiale", auf deutsch:
Einsparungen ganz anderer Größenordnung als bei Nixdorf vorgese-
hen, treten ins Blickfeld. Überhaupt erblickt eine ganz neue
Firma mit nahezu 50.000 Mitarbeitern und 12 Mrd. DM Umsatz das
Licht der Geschäftswelt - mit einem Schlag die Nummer Eins der
europäischen Datenverarbeitungsindustrie und damit mit einer
Schlagkraft ausgestattet, die Deutschlands Blätterwald jubeln
läßt: Was für eine "glückliche Fügung", "Siemens auch weltweit in
die Spitzengruppe aufgerückt".
Fast hätte man es vergessen, daß neben Geld und Produktionsmit-
teln auch noch der menschliche Faktor beteiligt ist. Mehrere 1000
Arbeitnehmer hat Nixdorf schon '89 hinausgespart, um sein Kosten-
Nutzenverhältnis konkurrenzfähig zu halten. Jetzt stehen bis 1.
Juni weitere 5000 an, und: "Es bleibt noch ein sicherer Sanie-
rungsbedarf. Auch eine weitere Reduzierung der Belegschaft ist
dabei nicht auszuschließen. Doch das dürfte für Siemens kein un-
lösbares Problem sein." (Süddeutsche Zeitung)
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