Quelle: Archiv MG - BRD WIRTSCHAFTSPOLITIK CHEMIEINDUSTRIE - Von BASF bis Hoechst
zurück"KNAST FÜR CHEMIE-BOSSE"?
Anfang November brachte die Baseler Chemie-Firma Sandoz etliche Tonnen Quecksilber und andere gesundheitsförderliche Substanzen unter die Leute. Die für die Verwaltung des bundesdeutschen Men- schenschlags zuständigen Stellen hatten dazu folgendes zu vermel- den: 1. keine Gefahr für die Bevölkerung, 2. schade um unseren deutschen Rhein, 3. völlig ausgeschlossen, daß so etwas bei uns passiert. Die Funktionstüchtigkeit demokratischer Nationalisten-Hirne sorgte dafür, daß niemandem der Widerspruch zwischen dem Gejammer über ein verseuchtes Gewässer und der angeblichen Unbedenklich- keit derselben Gifte für seine Anwohner aufstieß. Und auch aus der seither tagtäglich vollzogenen praktischen Widerlegung der Lüge von der "Umweltfreundlichkeit deutscher Chemie-Werke" mochte keiner Schlußfolgerungen auf den Charakter des G e s c h ä f t s mit dem Gift und dessen p o l i t i s c h e n G a r a n t e n ziehen. Im Gegenteil: Zu der nach wie vor stattfindenden Beschwichti- gungspropaganda gesellt sich nun der Ruf nach "schärferen Geset- zen". Ob einer der Verfechter erhöhter Strafmaße ernsthaft glaubt, daß damit etwas v e r h i n d e r t würde in puncto Vergiftung von Mensch und Natur? Mit veränderten Grenzwerten und einem entsprechend angeglichenen Bußgeldkatalog wird dem Chemie- kapital doch lediglich eine neue Kalkulationsgrundlage bezüglich der Kosten für die Abfallbeseitigung aufgemacht. Mit den Worten eines "Umweltexperten" der SPD: "Die Sprache des Geldes wird von der Großindustrie gut verstan- den." (Abendzeitung, 25.11.) Bayer und Konsorten, die sich schließlich nicht aus Gründen der Romantik an Rhein, Main und anderen Gewässern niedergelassen ha- ben, sollen also Mengen und zeitliche Abstände ihrer "Stör-", "Zwischen-" und "Unglücksfälle" neu berechnen. D a ß sie Gifte nicht nur produzieren, sondern auch freilassen, um eine möglichst hohe Spanne zwischen Kost- und Marktpreis zu erzielen, ist schließlich ihr sozial-marktwirtschaftlicher Auftrag und wird deswegen auch von keinem in Frage gestellt. Und zwar auch und gerade dann, wenn der Volksmund besonders weit aufgerissen wird und nach "Gefängnisstrafen für Umweltsünder" verlangt. Da wird säuberlich unterschieden zwischen der "sozialdienlichen Funktion der Arbeitsplatzbeschaffung", die in höchstem Ansehen steht, und "kriminellen Elementen", die man här- ter anfassen sollte. "Knast für Manager!" - das mag zwar den Volkszorn tief befriedigen, ändert aber todsicher nichts an den Giftmengen, die der Staat fürs s a u b e r e G e s c h ä f t freigibt; und was die unerlaubten Giftmengen betrifft, kommen be- stenfalls neue Arbeitsplätze für Umweltbeamte, Rechts- und Staatsanwälte und Gefängniswärter zustande. Denn mit gutem Recht geht b e i d e s weiter: der zielstrebige Gebrauch von Land und Leuten für das Geschäft u n d die dazugehörigen "Zwischenfälle", die dann verurteilt werden, wenn man sie ent- deckt. Die zuständigen Behörden hören es gern, wenn sie zum Durchgreifen aufgefordert werden. Beim Verfolgen und Bestrafen richten sie sich allerdings nach sehr viel sachlicheren Gesichts- punkten als denen der Rache. Sie achten darauf, daß der ruinöse Umgang des Kapitals mit seinen natürlichen Voraussetzungen nicht zugleich seine eigene Grundlage zerstört. Die Anwendung dieses Grundsatzes garantiert, daß die Vergiftung amtlich kontrolliert und gesetzlich geschützt fortschreitet. zurück