Quelle: Archiv MG - BRD WIRTSCHAFTSPOLITIK BETRIEBE - Vom Umgang mit dem Arbeiter


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       Bremer Hochschulzeitung Nr. 41, 20.10.1981
       
       Bremen aktuell
       

NORDMENDE-ENTLASSUNGEN: ALLE BETROFFENEN SEHR IN SORGE

In Bremen gibt es plötzlich eine Menge Arbeiterfreunde. Solange es normal war, daß die Arbeiter von Nordmende in Bremerhaven und Bremen in die Fabrik marschierten, um dort zu arbeiten, hat sich kein Mensch für sie interessiert. Seit aber die zuständigen Leute beschlossen haben, daß das Werk Bremerhaven geschlossen wird und auch in Bremen etliche Arbeiter wegrationiert werden sollen, tut die gesamte Öffentlichkeit so, als liege ihr nichts so sehr am Herzen wie das "Schicksal" der von der Schließung betroffenen Ar- beiter. Da wird im Bremerhavener Stadtparlament die "arbeiterfeindliche Haltung" des französischen Mutterkonzerns von Nordmende gebrandmarkt, und die SPD wendet sich entschieden gegen eine "Rationalisierung auf dem Rücken der Arbeiter", die Nord- mende gerade erfolgreich durchzieht. Was werden da eigentlich für Sorgen verhandelt? "Nordmende will 659 Mitarbeiter entlassen" (Weser-Kurier) Für die Herren Journalisten ist die Zahl 659 der Skandal. Was ist für einen Entlassenen eigentlich der Unterschied, ob er einzeln, oder wie bei Nordmende mit vielen anderen zusammen abgeschoben wird? Es macht ja auch sonst kein Aufsehen, wenn im alltäglichen Verlauf unserer Marktwirtschaft massenhaft Leute einzeln außer Brot gesetzt und der Obhut des Arbeitsamtes übergeben werden. Das "Spektakuläre" an diesem Fall, daß es 659 auf einmal sein sollen, die rausfliegen, ist dann auch folgendes: "Der ohnehin arg gebeutelte Arbeitsmarkt im Zweistädtestaat an der Weser muß einen erneuten Tiefschlag verdauen". (Weser-Kurier) Wer soll durch die Schließung bei Nordmende besonders betroffen sein? Das Land Bremen? Können Koschnick und Co. etwa nicht mehr ruhig, schlafen, weil die Schlangen auf dem Arbeitsamt länger werden? Oder soll man vielleicht mit dem Arbeitsamt Mitleid ha- ben, weil es den Nordmende-Frauen etwas von deren jahrelang ein- gezahlten Beiträgen zurückzahlen muß? "Für die Region unersetzbare qualifizierte Frauenarbeitsplätze werden den egoistischen Interessen eines europäischen Großkon- zerns geopfert". (SPD Chef Beckmeyer) Jetzt ist es also raus! Nicht Leute verlieren ihre Arbeit und da- mit ihr Einkommen, sondern die Wirtschaft Arbeitsplätze. Wirklich verantwortungslos von diesen egoistischen Franzosen, dem klein- sten Bundesland Arbeitsplätze wegzunehmen, die es gerade für Frauen eingerichtet hat, damit die in Lohngruppe 2 oder 3 ihre berühmte Fingerfertigkeit beim Löten von elektronischen Schaltun- gen beweisen können. Ob es nicht in diesem Fall die "nationale Pflicht" der Bundesregierung ist, dem Egoismus der Franzosen hier in Deutschland einen Riegel vorzuschieben? Die können sich doch hier nicht aufführen wie eine deutsche Firma! Und die Gewerkschaft? Die sieht vor allen Dingen "verheerende Folgen für die Arbeitneh- mer", die "nicht die geringste Aussicht auf einen neuen Arbeits- platz haben". Komisch: Erst hatte die IG Metall massive Kampfmaßnahmen g e g e n die E n t l a s s u n g e n angekündigt. Jetzt ist davon nicht mehr die Rede. Die Entlassungen sind abgehakt, die Einführung der Schichtarbeit in Bremen abgesegnet, die Frauen werden bedauert, und die Sozialplanentwürfe aus der Schublade ge- holt. Bleiben schließlich die Betroffenen selbst: In tiefer Trauer, allerdings ohne den Segen eines Pfarrers, zie- hen sie mit schwarzen Fahnen zum Rathaus, um ihr Arbeitslosen- schicksal in die Hände der Obrigkeit zu legen. Das war ziemlich überflüssig, weil die ihre Pflicht zur "politischen Entscheidung zur Arbeitsplatzsicherung" schon wahrnehmen. zurück