Quelle: Archiv MG - BRD WIRTSCHAFTSPOLITIK BETRIEBE - Vom Umgang mit dem Arbeiter
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Der Werksurlaub - eine Kapazitätsreserve
VW RUFT - UND ALLE SPRINGEN!
Bis Ende Mai war bei VW noch alles klar - die Belegschaft hatte
sich wie immer darauf eingestellt, daß die Werke in der Hauptur-
laubszeit ihre Pforten schließen. Dann beschließt der Vorstand
Anfang Juni, daß der Werksurlaub ja eigentlich auch noch zum Au-
tobauen genutzt werden könnte. So etwas nennt er dann
"Kapazitätsreserve". Und siehe da, kaum erfunden, ist diese Re-
serve auch schon genutzt.
Die Werksleitungen legen einfach fest, wieviele Autos, Motoren
etc. im "Urlaub" gebaut werden sollen - selbstverständlich neben
den üblichen "Werksurlaubsarbeiten". Und schon braucht es nur
noch ein paar Anweisungen und Telefonate und die Sache ist ge-
ritzt.
13.000 Mitarbeiter, die sich noch eine Woche vorher auf die
Werksplanung Urlaub einstellen durften, dürfen sich jetzt auf die
Werksplanung "Urlaubsschicht" einstellen - da ist sich VW ganz
sicher, daß das keine Probleme macht.
Die Selbstverständlichkeit, mit der VW sein Interesse da
"managt", stellt dreierlei klar:
1.
Ein "Werksurlaub" ist keine Erfindung zur Erleichterung der Ur-
laubskalkulation der Belegschaft. Urlaub ist eine gesetzliche
Verpflichtung
- für die Betriebe, die ihn als Nichtarbeitszeit gewähren müssen,
also nicht einfach streichen können;
- und für die Arbeiter, die ihn zur "Regeneration des Arbeitsver-
mögens" benutzen müssen.
Er ist also eine "Betriebsnotwendigkeit", mit der der Betrieb
kalkuliert und plant. Entweder kalkuliert er übers Jahr verteilt
eine bestimmte - in der Haupturlaubszeit erhöhte - Abwesenheits-
quote der Belegschaft. Dann sorgt er dafür, daß er erstens jeder-
zeit genug Leute hat und daß die zweitens ihre Urlaubszeiten so
abstimmen, daß sie den Betriebsablauf nicht stören. Urlaubszeiten
der lieben Mitarbeiter sind dann das Resultat der Planung einer
ununterbrochenen Produktion, weswegen sie Urlaub dann kriegen,
wenn "es" paßt.
Oder ein Betrieb beschließt "Werksurlaub". Dann haben seine Mit-
arbeiter Urlaub, "wenn Urlaub ist". Die Produktion ruht eine
Zeit, die "Abwesenheitsquote" außerhalb dieser Zeit wird nicht
durch diese Urlaubs"ansprüche" erhöht; für deren Ausgleich
braucht es deshalb auch keine zusätzlichen Leute.
Außerdem lassen sich andere "Betriebsnotwendigkeiten" in dieser
Zeit erledigen, die sonst den reibungslosen Produktionsablauf be-
hindern würden.
Für die Mannschaften, die diese im Werksurlaub üblichen War-
tungs-, Reparatur und Umstellungsarbeiten zu erledigen haben,
gilt deswegen umgekehrt, daß sie in genau dieser Zeit nicht in
Urlaub gehen dürfen.
VW hat jetzt einfach für dieses Jahr beschlossen, beide Vorteile
zu kombinieren.
Der Werksurlaub bleibt bestehen - und damit für die meisten VWler
die Pflicht, ihren Urlaub danach zu richten. Eine "Teilpro-
duktion" läuft durch - und dafür bleiben 13.000 Mitarbeiter da.
Das geht einfach so, daß VW einen Teil der Belegschaft von der
Pflicht, in der Hauptsaison Urlaub zu machen, entbindet und schon
kann sich der Betrieb darauf verlassen, daß sich genügend
Urlaubsarbeiter melden. Dafür haben sie dann die Freiheit, bis
zum nächsten März ihren Urlaub als Bestandteil einer ausge-
fuchsten "Abwesenheitsplanung" von VW einzurichten.
Man sieht: bei VW reißt Freiheit ein. Ab sofort gibt es zwei Be-
triebskalkulatikonen als Alternative, in welcher Zeit des Jahres
die "Regeneration des Arbeitsvermögens" stattfindet.
2.
VW will für eine bestimmte Zeit zusätzliche Arbeit - um sein Ka-
pital zusätzlich zu nutzen. Der Betrieb ist sich ganz sicher, daß
die einfach vorhanden ist. Und zwar erst mal bei der eigenen Be-
legschaft: Kaum gestattet sich VW Alternativen der Ur-
laubsplanung, hat es auch schon seine "Urlaubsstammbelegschaft".
Das reicht aber VW noch nicht; schließlich soll das
"Arbeitsvolumen" nicht verschoben, sondern vergrößert werden.
Weil die Autokonjunktur mehr Absatz verspricht, macht VW die
bahnbrechende Entdeckung, daß Maschinen nicht in Urlaub gehen,
sondern nur Arbeiter. Also wird einfach zusätzlich "Arbeit" be-
schafft, um die Maschinen zur "Kapazitätsreserve" zu komplettie-
ren. Und die wird wieder abgeschafft, wenn VW sie nicht mehr
braucht. Ein Anruf bei den umliegenden Arbeitsämtern, dazu ein
Hinweis an die örtlichen Presseorgane, daß VW zusätzlich gerne
noch ein paar "Kurzzeitbeschäftigte" hätte, das genügt vollstän-
dig. Die Arbeitsverwaltung tut ihren Dienst, der ja nicht im Ver-
teilen von Wohltaten für Arbeiter besteht, sondern im Bereitstel-
len der von den Unternehmen jeweils gewünschten Arbeitskräfte.
Das ist eben der kleine Unterschied zwischen Arbeitern und Ma-
schinen: Letztere muß VW sich kaufen, also vollständig und nicht
nur "teil-bezahlen" damit es sie zur Verfügung hat und für den
Markt nutzen kann. Mit der "Arbeit" ist das viel einfacher: Die
läuft in Gestalt von "Arbeitskräften" auf der Straße rum, ist
massenhaft knapp bei Kasse, hat eine staatliche Verwaltung und
steht deswegen ganz prinzipiell zur Verfügung. Bezahlen muß VW
sie deshalb nur für die Zeit, in der es die Arbeitskraft tatsäch-
lich benutzt, und sei die Zeit noch so kurz.
Belegschaftsvergrößerung ist so für die "Kapazitätsausweitung"
der Arbeit erst mal überflüssig. Kaum winkt VW mit einem Zwan-
zigmarkschein, schon rennen ihm alle möglichen Leute für eine
"Kurzzeitbeschäftigung" für "Kurzzeitgeld" die Tür ein.
Das ist eben das Nette an der Marktwirtschaft - für die Sorte
"Teilnehmer" wie VW: Die eine Sorte "Teilnehmer" besitzt eine
dauerhafte Geldknappheit und sonst nichts. Deswegen braucht die
andere Sorte nichts außer Kapital, damit ihr die erste Sorte je-
derzeit zur Verfügung steht.
3.
VW will mehr Autos bauen. Dafür braucht's Leute, die fürs Auto-
bauen "qualifiziert" sind. Und siehe da, wenn VW so etwas
braucht, sind die Arbeitskräfte, die es einkauft - Autobauer. Die
"Kunst", die es dazu braucht, die hat VW nämlich schon längst -
eben in Gestalt seines Produktionskapitals. Ob die Arbeitskräfte
ansonsten Schüler, Studenten oder Bäcker sind - nach 2 bis 3 Ta-
gen Anlernzeit sind sie bei VW eben - Autobauer. Von wegen, die
Produktion läuft nur, wenn VW seine "Könner" - also das, was sich
"Stammbelegschaft" nennt -, ans Werkeln schickt. VW demonstriert
gerade, was eine "Stammbelegschaft" für das Werk ist: nämlich ein
"Stamm der Belegschaft", der sich einigermaßen auskennt, schon an
die Sorte Arbeit gewöhnt ist und Neuen zeigen kann, wo und wie
man hinzulangen hat. So ein "Stamm" ist dann leicht nach Bedarf
durch Hinz und Kunz zu ergänzen - die Qualifikation, die die
brauchen, heißt einfach "Arbeiten".
Da verläßt sich VW voll auf die Sorte Arbeitsteilung in seinen
Werken: Stammbelegschaft sind die, die länger da sind - im Werk-
surlaub eben die 13.000. Mit denen klappt es lässig, daß mit den
anderen "Nicht-Stammm-Menschen" alles läuft.
Wenn die nicht gleich jeden Handgriff aus dem Effeff beherrschen,
dann läuft das Band eben etwas langsamer, bis der "Stamm" die
Mannschaft auf Trab gebracht hat.
Dabei darf der Stamm sich über die "ungeschickten Studenten und
Schüler" schwer lustig machen, weil die das "normale" VW Ar-
beitstempo noch nicht packen
Na klar, dafür muß man schon 4 Wochen kräftig trainieren. Aber
bei dem "Stamm" werden sie's schon packen. Danach sind sie entwe-
der selber "Stammbelegschaft" - oder halt wieder draußen. Das
nennt VW dann für den Rest des Jahres "Facharbeitermangel".
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