Quelle: Archiv MG - BRD WIRTSCHAFTSPOLITIK BETRIEBE - Vom Umgang mit dem Arbeiter


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WAS GEHT DEN VW-ARBEITER DIE "WETTBEWERBSFÄHIGKEIT" DES VW-WERKS AN?

Es mag ja zutreffen, daß die "Umsatzrendite" von VW klar unter der seiner in- und ausländischen Konkurrenten von Rang liegt. Es mag auch durchaus sein, daß die Löhne bei VW durchschnittlich um 6% über denen der Konkurrenz liegen. Es mag schließlich auch stimmen, daß die Jahresarbeitszeit eines VW-Werkers ein paar Stunden unter der seiner Kollegen von Ford, Fiat oder Opel liegt. Es mag sogar zutreffen, daß dadurch die "Wettbewerbsfähigkeit" des VW-Werks beeinträchtigt ist. Und wenn das alles so wäre? Was sollen denn diese Vergleiche dem VW-Arbeiter bedeuten? Sie können ihm völlig egal sein! Denn e r s t e n s sagt ein Lohnvergleich weder etwas darüber aus, was man sich in welchem Land für das Geld kaufen kann, noch sagt er etwas über die Arbeit aus, die für den Lohn geleistet werden muß; noch sagt eine Stundenzahl etwas über die Leistung aus, die in bestimmter Zeit erbracht werden muß. Und z w e i t e n s: Was wäre denn, wenn es dem VW-Arbeiter tatsäch- lich i m V e r g l e i c h zu italienischen, französischen oder süddeutschen Kollegen etwas b e s s e r ginge? Soll er zu- frieden sein mit Geld und Arbeit, nur w e i l es den Arbeitern in konkurrierenden Werken dreckiger geht? Es wird doch sein Lohn nicht dadurch m e h r, daß andere w e n i g e r bekommen. Und es wird seine Arbeit nicht dadurch zum Vergnügen, daß sie anderen Automobilwerkern noch mehr zusetzt. Das VW-Werk sieht das ganz anders. Hahn, Briam und Co. halten nämlich diesen Vergleich mit ihrer Konkurrenz für ein Argument, das unbedingt jedermann von der Not- wendigkeit ihres Sparkonzepts überzeugen soll. Auch die VW-Arbei- ter. Dabei schneidet doch der VW-Arbeiter - angeblich - besser ab, als seine Kollegen bei Fiat, Ford und Toyota. Soll er sich allen Ernstes sagen: "Weil es uns hier bei VW vergleichsweise besser geht, d e s h a l b muß es uns in Zukunft vergleichs- weise schlechter gehen!" Natürlich nicht! Denn der V e r g l e i c h d e r G e l d- b e u t e l gäbe ja, folgt man der Bilanz des VW-Werks, über- haupt keinen Grund ab, dem Sparkonzept zuzustimmen. Verlangt ist von den VW-Arbeitern ein anderer Vergleich. Sie sollen ihre jetzige Lage im Arbeiterparadies von VW vergleichen mit der Lage, in welche sie geraten k ö n n t e n, wenn VW den Wettbewerb mit der Konkurrenz v e r l i e r e n würde. Das ist der Wink mit der Arbeitslosigkeit. Der zieht immer. Und so setzt VW die Be- hauptung in die Welt: "Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit sichert Arbeitsplätze!" Mit anderen Worten sagt also das VW-Werk: 'Lange genug haben wir Euch verwöhnt. Damit ist jetzt Schluß. Es kommt auf jeden Fall schlechter für Euch. Aber das ist nur gut für Euch. Denn sonst käme es n o c h dicker für Euch!' Auf dieses Angebot, sich das Sparkonzept plausibel zu machen, sollte man nicht eingehen. Daß mit "einschneidenden Maßnahmen" immer noch "einschneiden d e r e Maßnahmen" verhindert werden sollen, ist Geschwätz. D a v o n s t i m m t k e i n W o r t. Und irgendwie weiß das auch jeder VW-Arbeiter: 1. Daß die Wettbewerbsfähigkeit des Konzerns nicht gestärkt wird, um den Leuten die Arbeitsplätze zu erhalten, ist ohnehin klar. Auch wenn es ständig behauptet wird, daß es den Unternehmern nur um die Arbeitsplätze ginge, wird es dadurch noch lange nicht wahr. VW geht es - da nimmt das Werk kein Blatt vor den Mund - um die Verbesserung der Umsatzrendite, sprich: um die Verbesserung der Gewinnsitution. 2. Deshalb stimmt es auch nicht einmal, daß bei verbesserter Wettbewerbsposition des Werks gesicherte Arbeitsplätze wenigstens das erfreuliche Abfallprodukt wären. Abgesehen davon, daß das mit dem e r f r e u l i c h e n Abfallprodukt 'Arbeitsplatz' ohne- hin so eine Sache ist, scheint völlig in Vergessenheit geraten zu sein, daß Anfang der 80er Jahre bei VW ca. 12000 Leute einem Rationalisierungsprogramm zum Opfer gefallen sind. Und dies bei munter steigenden Absatzzahlen. Es wird eben keineswegs nur dann entlassen, wenn ein Werk in eine Absatzflaute geraten ist. So ein kapitalistisches Unternehmen weiß doch immer Gründe zur Verbesse- rung der Personalkostensituation. Ohne daß auch nur ein Wagen we- niger die Bänder verläßt - vielfach werden umgekehrt mehr Wagen in gleicher Zeit produziert -, wird schon mal gefeuert: wegen Leistungssteigerung, wegen Rationalisierung, wegen Verjüngung usw. 3. An Verarschung grenzt es schließlich, wenn ein Profit-Sanie- rungskonzept, w e l c h e s E n t l a s s u n g e n g e r a- d e v o r s i e h t, als R e t t e r von Arbeitsplätzen angepriesen wird! Und dies übrigens nicht, um das Werk aus tiefster Krise zu führen, sondern um die Wettbewerbsposition zu stabilisieren - mit der das Werk dann offensichtlich ziemlich zu- frieden ist. Münzner und Briam haben laut "Handelsblatt" vom 31.5. einen "Freisetzungseffekt" von mehr als 1 5 0 0 0 L e u t e n errechnet!! Und da wollen Hahn & Co. irgendeinem mit dem möglichen Verlust des Arbeitsplatzes in der Z u k u n f t drohen - für den Fall, daß das Sparkonzept nicht durchkommt? Wen soll denn das wovon überzeugen? Was soll es denn für die Gefeuer- ten für einen Unterschied ausmachen, ob sie als Teil eines Sanie- rungskonzepts "freigestellt" werden oder ob sie ihren Ar- beitsplatz verlieren, weil VW Marktanteile einbüßt? Ändert sich dadurch was am Arbeitslosengeld? Ist die Entlassung jetzt mit ei- ner Einstellungsgarantie für später verbunden? Alles Unfug. Ge- feuert ist gefeuert! 4. Aber da gibt es noch die Z u s a t z d r o h u n g. Und die heißt so: "Wenn das VW-Werk nicht jetzt mit drastischen Maßnah- men, zu denen auch 'Freisetzungen' gehören müssen, seine Wettbe- werbsposition verbessert, dann werden später mit Sicherheit m e h r Leute ihre Papiere abholen müssen!" Das ist ein Schuh, den man sich a u c h n i c h t anziehen sollte. Denn e r s t e n s tröstet es jene Leute, die jetzt für die Arbeitslosigkeit vorgesehen sind, kaum, daß n u r s i e und n i c h t n o c h m e h r entlassen werden. Als Arbeiter sollte man sich wirklich nicht auf den Standpunkt stellen, daß der Schaden erst bei Entlassungen in drei- oder vierstelligen Größenordnungen beginnt. Das ist was für Statistiker des Ar- beitsamtes. Nichts für Leute, die dann mit ca. 60 % ihres alten Einkommens auskommen müssen. Z w e i t e n s ist es schon eine ungeheure Frechheit, mit mehr als 15000 Entlassungen zu rechnen und dann mit "Massenentlassungen" zu drohen. Wann beginnt denn für den VW-Vorstand die "Masse"? D r i t t e n s sollte man sich einmal ganz genau die A l t e r n a t i v e vor Augen füh- ren, mit der diese Drohung operiert. Die heißt im Klartext näm- lich so: E n t w e d e r die Belegschaft akzeptiert, daß jetzt ein Teil von ihr ohne Einkommen dasteht und der Rest für weniger Lohn bei verlängerter Arbeitszeit und verkürzten Vorgabezeiten weiter arbeiten darf (!). O d e r es gibt später mindestens noch mehr Entlassungen. Das VW-Werk hält das für eine Alternative, die einem VW-Arbeiter einsichtig sein soll. Dabei arbeitet es mit dem vorgelegten Spar- konzept selbst daran, daß die Arbeitslosigkeit ihre Schrecken verliert - gemessen an dem, was es von den Beschäftigten ver- langt: Immer noch mehr Arbeit für immer weniger Geld! Daß die Löhne von heute dem Arbeitslosengeld von gestern entsprechen, ist eben wirklich kein dummer Spruch. Es mag also durchaus sein, daß VW in der Konkurrenz zu anderen Automobilkapitalen schlechter dasteht. Es mag sein, daß das Sa- nierungskonzept die Wettbewerbsposition des Werks wieder verbes- sert und die Gewinnposition stabilisiert. Es kann übrigens auch sein, daß das schief geht, weil die anderen Automobilkapitalisten dasselbe machen - so geht eben die freie Marktwirtschaft. Aber egal, was mit der Wettbewerbsfähigkeit und der Umsatzrendite von VW passiert, ob VW in der verschärften Automobilkonkurrenz zu den Gewinnern oder zu den Verlierern gehören wird, die V W - A r b e i t e r s i n d i m m e r d i e V e r l i e- r e r: Wenn VW knackige schwarze Zahlen schreibt, werden sie rangenommen und einige von ihnen wegrationalisiert, damit das Werk seine Position hält. Ist VW, wie zur Zeit, trotz neuer Absatzrekorde vielleicht in der Konkurrenz ein paar Plätze abgesackt, dann werden sie rangenommen, um die Wettbewerbs- position zu festigen. Sinkt der Absatz und mit ihm der Profit wirklich in den Keller, dann ist es sowieso klar, daß die Mann- schaft rangenommen, ausgedünnt und auf Kurzarbeit gesetzt werden muß. Denn VW will wieder nach oben. Ist das Werk dann oben, dann geht der Zirkus wieder von vorne los. Besser als durch sein jüng- stes Sparkonzept kann VW also den dummen Spruch, von einem florierenden Geschäft hätten auch die Arbeiter was, gar nicht de- mentieren: Mit dem Argument, es gelte die Krise des Werks zu ver- meiden, wird die nächste Etappe der D a u e r k r i s e d e r V W - A r b e i t e r eingeläutet. Wer sich also über den Stand der "Wettbewerbsfähigkeit" des VW- Konzerns den Kopf zerbricht, der hat längst aufgehört, einmal nachzurechnen, wofür er eigentlich Tag für Tag in die Fabrik rennt! zurück