Quelle: Archiv MG - BRD WIRTSCHAFTSPOLITIK BETRIEBE - Vom Umgang mit dem Arbeiter
zurück VW will klarstellen:KLASSENKAMPF JA, ABER NUR VON OBEN!
Bisher ist man von VW und anderen kapitalistischen Betrieben eher gewohnt, daß sie ihre Sparprogramme nach dem folgenden Muster durchziehen: Da wird z.B. der Betriebsrat zu einem Gespräch über die Vorgabezeiten gebeten, wird ihm deren Absenkung wegen der "Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit" oder der "Erhaltung der Ar- beitsplätze" - zwei Dinge, die der Betriebsrat sowieso nicht aus- einanderhalten will - plausibel gemacht, dann werden die Modali- täten der Neufestsetzung streng nach den vereinbarten Regeln besprochen und endlich wird unter genauer Kontrolle durch den Be- triebsrat mit den neu abgesenkten Vorgabezeiten den VW-Arbeitern das Fabrikleben wieder ein bißchen schwerer gemacht. Ist dieses Programm durchgezogen, schließt sich in der Regel das nächste an, das nach demselben Muster verläuft. So geht der ganz normale k a p i t a l i s t i s c h e A l l t a g in der Fabrik. Ein Angriff auf Lohn und Leistung kommt zum nächsten: Mal wird hier an der Leistungsschraube gedreht, mal dort eine "Vergünstigung" gestrichen oder wieder woanders ein Akkord neu festgelegt. Für den Betrieb macht dieses "Kleinvieh" den Mist. Das s u m m i e r t sich für die U n t e r n e h m e n s b i l a n z auf der P l u s-Seite und das s u m m i e r t sich für die A r b e i t e r auf der M i n u s-Seite. Für einen Generalangriff auf den Lohnarbeiter... ------------------------------------------------ Das VW-Werk bereitet dieses Programm zur Zeit etwas a n d e r s vor: E s f a ß t a l l e m ö g l i c h e n A n g r i f f s- p u n k t e a u f d i e P e r s o n a l k o s t e n z u- s a m m e n und schnürt sie zu einem Paket von Maßnahmen, das in seiner V o l l s t ä n d i g k e i t nichts zu wünschen übrig läßt. Kein Moment des vom Betrieb bestimmten Arbeiterlebens bleibt unberücksichtigt: Ein G e n e r a l a n g r i f f, der die Intensität der Arbeit, die tägliche Arbeitszeit, die jährliche Arbeitszeit, den Tariflohn, die Sonderzahlungen, die Fehlzeiten und die Belegschaftsstärke gleichermaßen für zu üppig erklärt. Überall möchte das Werk seinen Rotstift ansetzen. Als ginge es ihm um die gesonderte Klarstellung, daß es für den Arbeiter keinen einzigen Bereich seines Arbeiterdaseins gibt, in welchem er Sicherheit hätte, geschweige denn eigene Interessen anmelden könnte. So betrachtet das Werk den Arbeiter in seiner "Stoffsammlung" (Briam) ausschließlich als K o s t e n b e l a- s t u n g: Zu teuer, zu faul, zu wehleidig und zu viele (vgl. MAZ: Sparprogramm Teil 1)! Wie wenn die Arbeiter, die in Zwei- oder Dreischicht den ganzen Autokrempel zusammenschrauben und -schweißen, dem Werk eher eine Last und ein einziges Hindernis beim Gewinneeinstreichen wäre! Offensichtlich setzt das Werk darauf, daß ihm die Arbeiter als die P r o d u z e n t e n d e s K a p i t a l r e i c h- t u m s v o n V W so v o l l s t ä n d i g z u r V e r- f ü g u n g stehen, daß es sich auf eine einzige Aufgabe konzentrieren kann: Wie läßt sich aus allen Kostenbestandteilen der Mannschaft noch mehr herausschlagen? Wie gesagt, das t u t das VW-Werk eben nicht nur, sondern mit seinem neuesten Totalsparprogramm gibt es den Leuten noch gleich knallhart zu verstehen, d a ß e s n u r d a r u m u n d u m n i c h t s a n d e r e s g e h t. Wie wenn der Vorstand die täglich im Werk p r a k t i s c h wahrgemachte Kampfansage an die Leute noch einmal als Haupt- und Generalprogramm v e r k ü n d e n möchte: "Merkt's Euch gefälligst, falls es noch nicht klar ist: Hier zählt erstens nur das Kapitalinteresse, in dem zweitens Eure Lebensnotwendigkeiten einen Dreck zählen." ...ruft VW die öffentliche Zustimmung ab. ----------------------------------------- Das VW-Werk glaubt sich mit diesem Vorgehen dermaßen im Recht, daß es das Sparprogramm auch noch öffentlich ausposaunt. Der SPIEGEL durfte eine Story daraus machen, das Fernsehen machte das Sparprogramm einige Zeit zur Topmeldung, Magazine berichten dar- über, kurz: Die Einsparaktion von VW ist vom Werk b e w u ß t zu einer ö f f e n t l i c h e n S a c h e erklärt worden, an der die Nation jetzt teilnimmt. Jetzt darf und soll sich jeder- mann eine Meinung darüber zulegen, wie denn dieser deutsche Groß- betrieb die "Automobilkrise" bewältigt. Auf den Klassenkampf, den das Werk mit seinem Programm ganz offensiv den Beschäftigten an- gekündigt hat, darf sich jetzt jeder Bürger seinen Reim machen. Und das ist schon ein dicker Hammer: Das VW-Werk spekuliert dar- auf, daß es die öffentliche Meinung nicht zu scheuen, geschweige denn zu fürchten hat. Die VW-Herren kalkulieren damit, daß sie in der Öffentlichkeit keine Minus-, sondern durchaus Plus-Punkte ma- chen, wenn sie ankündigen, daß sie den VW-Werkern in der Zukunft noch rücksichtsloser und nach allen Regeln kapitalistischer Kunst das Fell über die Ohren ziehen wollen. Sie scheinen sich sicher zu sein, daß dieser Skandal zu keinem Skandal wird! Voll glauben sie sich darauf verlassen zu können, daß in der geschulten bundesdeutschen Öffentlichkeit der Stand der Ausbeutung nach dem Motto beurteilt wird: Je härter die Maßnahmen, desto mehr ist mit ihnen bewiesen, daß sie sein müssen! Der VW-Vorstand ist also mit dem modernen Kapitalismus 1988 of- fensichtlich sehr zufrieden. I m B e t r i e b läßt man - dank tätiger Mithilfe durch die Betriebsräte und die Gewerkschaft - sowieso nichts anbrennen. Und a u ß e r h a l b d e s B e t r i e b e s finden sich für die "Probleme" von VW nur of- fene Ohren. So läßt sich die geheuchelte Sorge um das nationale Problem Nr. 1, die Arbeitslosigkeit, für jede kapitalistische Frechheit ausnutzen. Für das VW-Werk bilanziert sich die "Lage der Nation 1988" also folgendermaßen: "Klassenkampf wird geführt: Und zwar von uns, also von oben nach unten! Die Arbeiter haben sich aufzuführen wie das personifizierte Per- sonalkostenproblem: Zu jeder Mehrleistung und Lohnkürzung bereit! Von der Gewerkschaft erwarten wir nur eines: Hilfe bei der Ab- wicklung des Sparprogrammes! Daß wir all das tun dürfen, das steht außer Frage: Deswegen kün- digen wir das Sparprogramm öffentlich an. Das geht zwar die Öffentlichkeit eigentlich nichts an: Aber ange- sichts der von uns Unternehmern entlassenen Millionen Arbeiter wird die Ankündigung gleich "richtig" aufgenommen - als Aktion zur Rettung von Arbeitsplätzen. Das ist zwar gelogen, aber genau so erhalten wir die Zustimmung der Öffentlichkeit für unser Programm, die von uns Entlassenen dafür zu benutzen, die noch Beschäftigten in Sachen Lohn und Lei- stung härter ranzunehmen. So wünschen wir uns den modernen Kapitalismus: Unser Interesse ist das einzige, das in der Welt der freien Marktwirtschaft prak- tisch gilt, und es wird in aller demokratischen Öffentlichkeit auch noch als unser gutes R e c h t abgesegnet! Kapitalistenherz, was willst Du mehr!" Für die VW-Arbeiter stellt sich angesichts dieses Befundes ihres Vorstands nur eine einzige Frage: Soll VW mit diesem Befund recht behalten oder nicht? zurück