Quelle: Archiv MG - BRD WIRTSCHAFTSPOLITIK BETRIEBE - Vom Umgang mit dem Arbeiter
zurückARBEITER BESCHWEREN SICH - ABER WIE!
Gründe zur Unzufriedenheit liefert VW mit seinem rigorosen Spar- programm zuhauf. Wo immer Arbeiter in Presse, Funk und Fernsehen gefragt werden, äußern sie deshalb ihren Unmut. Beschwerde und Beschwerde sind allerdings zweierlei: "Wenn jetzt die sozialen Vergünstigungen gestrichen werden, bleibt nichts mehr übrig." Das wird schon stimmen. Auf die offizielle Lüge von den betrieb- lichen Sozialleistungen fallt Ihr nicht rein. Die Wahrheit über das Soziale am VW-Lohn ist Euch geläufig: daß nämlich jede Extra- Mark, die der Betrieb unter dem Deckmantel 'soziale Vergünsti- gung' rausrückt, überhaupt kein zusätzlich gewährter Vorteil ist, sondern ein stinknormaler Bestandteil des Lohnes, der für die Notwendigkeiten eines Arbeiterhaushaltes draufgeht. Das ist übri- gens eine sehr negative Auskunft über den Lohn überhaupt, den VW zahlt. Der ist offensichtlich äußerst knapp bemessen, wenn jede Kürzung sich unmittelbar als Bestreitung des Lebensunterhaltes bemerkbar macht und die Frage aufwirft, was man sich abschminken muß, um über die Runden zu kommen. 'Das können die doch nicht machen!', wollt Ihr eingewendet haben. Was soll denn damit gesagt sein? Wollt Ihr Euch Euren Lebensun- terhalt nicht einfach vom VW-Vorstand diktieren lassen? Wollt Ihr anmelden, daß in Sachen Lohnhöhe Ihr wohl auch noch ein ge- wichtiges Wörtchen mitzureden habt? Oder wollt Ihr Eurer empörten Verwunderung Ausdruck verleihen, daß VW mit Arbeitern so um- springt? Weil Ihr meint, daß VW doch eigentlich auf die Notwen- digkeiten eines Arbeiterdaseins Rücksicht nehmen müßte? Da täuscht Ihr Euch aber gewaltig! Die negativen Auswirkungen, die das Sparprogramm auf den Geldbeutel der Arbeiter hat, haben Hahn & Co doch nicht übersehen. Die sind ihnen doch nicht unbekannt. Daß VW-Arbeiter "härteren Zeiten" entgegensehen, sprechen die Herren in ihrer Ankündigung doch offen aus und schrecken darüber nicht vor ihrem Programm zurück. Die Gewinnrechnung von VW ver- trägt sich nicht mit dem Lebensunterhalt der VW-Arbeiter. Für die Gewinnansprüche von VW ist der Lohn eine zu senkende Kost, und danach handeln sie. Wer bei seinen G e g n e r n um N a c h s i c h t bittet, läßt ihnen gerade f r e i e H a n d, den Lohn festzulegen. Ein folgenschwerer Irrtum! "Die sollen erst mal mit ihrem Geld ordentlich wirtschaften." Warum zerbrechen sich Arbeiter so gerne den Kopf darüber, wie die Geschäfte von VW besser zu machen wären? Will sich jemand bei Hahn um den Posten eines Managers mit dem Argument bewerben, daß er garantiert mehr Erfolg für VW verspricht? Natürlich nicht. Na also. Ist es dann nicht aber gescheiter, sich um die Sorgen zu kümmern, die VW den Arbeitern beschert? Als Arbeiter sollt man lieber nicht immer die e i g e n e N o t l a g e mit der G e s c h ä f t s l a g e von VW v e r w e c h s e l n. Was bliebe Euch denn erspart, wenn VW im Devisengeschäft nicht 480 Millionen in den Sand gesetzt hätte oder wenn VW die Hände von Triumph Adler gelassen hätte? Hätte VW unter diesen Umständen etwa die 480 Millionen und die paar Milliarden an Euch als Jahresprämie ausgeschüttet? Nein, das glaubt Ihr selber nicht. Dann hätte VW damit ja keine Geschäfte mehr machen können. Bloß, wo habt Ihr das denn her, daß erfolg- reiche Geschäfte Euch irgendwie zugutekommen? Aus eigener Erfah- rung kann Euch doch nicht ganz unbekannt sein, was los ist, wenn VW in Wolfsburg oder Emden investiert. Damit wird die Produktion durchrationalisiert, was noch immer etlichen Arbeitern den Lohn gekostet hat und für die Beschäftigten die Arbeit auch nicht ge- rade leichter gemacht hat. Mit weniger Arbeitern immer mehr Autos zu produzieren, das ist doch das Geheimnis des Geschäftserfolgs von VW, der auf Kosten der Arbeiter geht. Und wenn sich der Ge- schäftserfolg mal nicht einstellt, was ändert das denn an der Ar- beit? Rein gar nichts. Die bleibt nämlich dieselbe: viel Lei- stung, wenig Lohn. Arbeiten ist eine Sache, Geschäfte machen eine andere. Euer Vorwurf des Mismanagements taugt als Einwand gegen das Spar- programm von VW überhaupt nichts. Im Gegenteil, er ist eine Ein- ladung an VW. Das Sparprogramm w ä r e zu v e r m e i d e n gewesen, wenn VW nicht m i ß l u n g e n e Geschäfte vorzuwei- sen hätte, heißt ja wohl umgekehrt: wenn die Bilanzen nun mal ge- litten haben, sind Lohnkürzungen u n u m g ä n g l i c h. Soll's das gewesen sein? Dann unterschreibt man als Arbeiter doch glatt die von oben ausgegebene Lüge, daß VW l e i d e r n i c h t a n d e r s k a n n, wo VW überhaupt n i c h t a n d e r s w i l l. Damit handelt man sich ein, daß der Gang der Geschäfte wie selbstverständlich unangenehme Konsequenzen für die Arbeiter nach sich zieht. "Wenn es so weitergeht, lohnt es sich nicht mehr zu arbeiten." Es reicht Euch allmählich. Schließlich geht Ihr in die Fabrik, damit es sich für Euch lohnt. Schön und gut. Nur gewinnen wir den Eindruck, daß es Euch immer noch nicht reicht. Was soll das denn sonst heißen: "Wenn es s o w e i t e r g e h t". Ist das Sparprogramm damit von Euch bereits abgehakt, stellt Ihr Euch seelisch schon darauf ein? Wollt Ihr wirklich erst andere Saiten aufziehen, wenn VW es dabei nicht bewenden läßt? Das ist schon nicht mehr komisch. Wenn VW mit den angesagten Lohnkürzungen und Leistungssteigerungen dafür sorgt, daß das Arbeitengehen sich im- mer weniger lohnt, dann geht es gerade noch einmal. Bei jeder l a u f e n d e n Lohnsenkung zu behaupten, dies sei die l e t z t e, die man mit sich machen läßt, ist ein ziemlich haltloser Standpunkt, der deshalb immer nur bis zur n ä c h s t e n gilt. Dann geht dasselbe Theater wieder von vorne los. Oder habt Ihr etwa bei der letzten Erhöhung der Stück- zahl am Band nicht auch schon gesagt, daß es Euch allmählich reicht? Habt Ihr Euch denn schon jemals ernsthaft überlegt, was minde- stens drin sein muß, wenn Ihr acht Stunden am Tag antretet? Was man für seinen Lebensunterhalt braucht und haben will, muß man nämlich schon einmal f ü r s i c h f e s t l e g e n, damit man weiß, wann man VW Paroli zu bieten hat. Wenn man sich al- lerdings immer nur die Frage vorlegt, ob man mit dem Lohn zu- rechtkommen kann, den VW gerade zufällig zahlt, hat man sich an allerlei Einteilungskunststücke längst gewöhnt und streckt sich nach der Decke, wenn VW mal wieder verkündet, daß der Lohn zu hoch ist. Darüber kann ein VW-Arbeiter ziemlich alt und der VW- Lohn ziemlich popelig werden. Bleibt so nicht das Kriterium völ- lig auf der Strecke, ob sich das Arbeitengehen für Euch auch lohnt? "Man kann froh sein, daß man überhaupt noch einen Arbeitsplatz hat." Brav gesagt. Die Lektion von Kohl, Lafontaine, Steinkühler und Hahn habt Ihr Euch zu Herzen genommen. Mit dem Hinweis auf die vielen Arbeitslosen verbietet Ihr Euch die Frage, was Euch der Arbeitsplatz einbringt. Daß man einen hat, soll schon der ganze Vorteil sein. Das ist nicht wahr und das wißt Ihr auch. So unge- trübt ist Eure Freude über die hübschen Arbeitsplätze ja nun auch wieder nicht. Ist es denn nicht so, daß Euch dieser Spruch nur deshalb einfällt, weil VW gerade angekündigt hat, die Leistungs- schraube anzuziehen und den Lohn zusammenzustreichen? Nur, was bringt Euch denn die Vergleicherei, daß Ihr Euch immer noch einen größeren Schaden vorstellen könnt als den, den VW Euch gerade an- tut? Der eigene Schaden wird dadurch um keinen Deut kleiner. Ist es nicht nur Eure eigene Einbildung, daß die Ungemütlichkeiten eines Arbeitsplatzes bei VW das k l e i n e r e Übel sind? Lebt Eure Einbildung nicht davon, daß VW Euch überhaupt nicht entlas- sen will? Wenn das mal angesagt ist, vergleicht Ihr Euch dann mit nackten Negern? Daß es einen noch härter treffen k ö n n t e, diese Vorstellung taugt eben nur dazu, daß Ihr jede bittere Pille schluckt, die VW Euch verabreicht. Mit dem Sparprogramm trägt VW einen handfesten G e g e n s a t z g e g e n d i e V W - A r b e i t e r aus. Unmißverständlich stellt VW klar, daß sein Interesse am Geschäftserfolg sich mit einem gesicherten Lebensunterhalt der Arbeiter n i c h t v e r t r ä g t. Die Systemfrage wird gestellt - von VW! Man muß sich also mal entscheiden: Wenn Arbeiter es e r n s t m e i n e n m i t i h r e m L e b e n s u n t e r h a l t, müssen sie den K a m p f um ih- ren Lebensunterhalt annehmen, den die Gegenseite ihnen erklärt hat. Wenn sie jedoch auf Rücksichtnahme bei VW setzen, wenn sie die Hoffnung hegen, daß die Gewerkschaft es für sie richten wird, wenn sie Lohnverzicht für bitter, aber unvermeidlich halten und der Illusion nachhängen, daß es irgendwie schon nicht so schlimm kommen wird, dann haben sie ihren Lohn längst abgeschrieben. Mit solchen Beschwerden wollen sie die F r e i h e i t der maßgeb- lichen Instanzen gar nicht angreifen, die über ihren Lebensun- terhalt befinden. Ohne daß man sich kompromißlos für den eigenen Lebensunterhalt z u s t ä n d i g erklärt, darunter geht für die VW-Arbeiter wirklich nichts. Das hat VW klargestellt. Aber wenn VW die Sy- stemfrage schon stellt, kann man sie ja auch mal ganz anders be- antworten, als VW es vorsieht! zurück