Quelle: Archiv MG - BRD WIRTSCHAFTSPOLITIK BETRIEBE - Vom Umgang mit dem Arbeiter


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VW TEILT SICH NEUE ARBEITSZEITEN ZU

VW verhandelt zur Zeit mit der IG Metall über die neue Gestaltung der "Arbeitszeitverkürzung" - und zwar mit dem Ziel, daß die Ma- schinen länger laufen sollen als bisher. Gerüchteweise wissen die VW'ler, wie VW sie da einspannen will: vom Samstag als Regelar- beitszeit ist die Rede bzw. vom Streichen von Pausen. Das Ganze nennt sich "Erhöhung der Betriebsnutzungszeit" - und zu der ist VW durch sein Gewinninteresse absolut gezwungen. Je län- ger nämlich die Maschinen pro Tag oder pro Woche laufen, umso schneller fließt nach Verkauf der Autos eine gewachsene Geldsumme an VW zurück. Und da weiß VW den kleinen Unterschied zwischen seinem sachlichen und seinem lebendigen Betriebszubehör sehr wohl zu schätzen: Die B e t r i e b s a n l a g e n, Maschinen, Robbis usw. ko- sten VW nämlich gleich viel Geld, ob sie nun 8, 16 oder 20 Stun- den pro Tag "ausgelastet" werden; nur daß sie sich im letzteren Fall erfreulich schnell wieder in klingende Münze umsetzen. Aber nicht nur "Stillstandskosten" werden so vermieden, sondern viel entscheidender: die durchrationalisierten Anlagen werden damit erst so richtig zur Waffe im Kampf um Marktanteile. Der Golf ist ein Renner, und damit das so bleibt, muß seine Produktion rennen. Es wäre also geradezu ein Verbrechen gegen den Gewinn, wenn mit den Betriebsanlagen nicht genausoviel Autos produziert w e r d e n, wie VW gewinnbringend verkaufen k ö n n t e - und stattdessen Maschinen stillstehen, bloß weil dies die gerade gül- tige Arbeitszeitregelung vorschreibt. Also hat VW beschlossen, daß seine Anlagen pro Woche mindestens eine Schicht länger laufen als bisher. Die Arbeitszeiten werden dann einfach an die neuen Schichtpläne "angepaßt". Und genau deshalb braucht VW die A r b e i t e r in seinem Plan auch überhaupt nicht zu erwähnen. Sie sind ganz selbstverständlich eingerechnet: als Leute, die die neuen "Betriebsnutzungszeiten" mit Arbeit auszufüllen haben. Die Ar- beiter werden einfach als a b h ä n g i g e r F a k t o r kalkuliert, den der Betrieb nach seinem Belieben anders, länger oder kürzer, zu regelmäßigen oder unregelmäßigen Zeiten, nachts oder samstags, mit oder ohne Pausen beanspruchen kann; als Leute, deren Lebensumstände, deren Arbeits- und Freizeit man durcheinan- derwürfeln kann, wie es zur gerade angesetzten Maschinenlaufzeit paßt; bei denen VW ohne Frage davon ausgeht, daß sie ihre Frei- zeit immer genau nach den jeweiligen Bedürfnissen des Betriebs einrichten. Wo so sonnenklar ist, daß nur e i n Interesse gilt, also auch überhaupt nichts anderes zu "regeln" ist als das Bedürfnis von VW nach längerer Anlagennutzung, da ist VW großzügig: die Art und Weise, w i e dies Interesse zum Zuge kommt, ist dem Betrieb ziemlich wurscht. Das VW-Interesse gilt - die Methode darf gewählt werden ------------------------------------------------------- VW bringt in die Verhandlungen mit Betriebsrat und IG Metall doch glatt von selbst alle möglichen Alternativvorschläge ein, damit die Sache zur beiderseitigen Zufriedenheit erledigt werden kann. 1. VW kann es sich gut vorstellen, daß sein Interesse mit einer S a m s t a g s s c h i c h t bedient wäre. Dazu ist gar nichts weiter erforderlich als den Samstag zum Regelarbeitstag zu er- klären. Wahrlich die einfachste und unbürokratischste Lösung. 2. Falls das der Gewerkschaft aber z u einfach ist, geht's auch anders. Wie wäre es mit dem B M W / B l ü m - M o d e l l? Ein- fach einen 9-Stunden-Tag, der Samstag gehört zur Arbeitswoche, und frei ist mal 1, 2 oder auch 5 Tage lang - irgendwann. 3. Aber wenn's auch das nicht sein soll (z.B. wegen "Blüm"), dann geht's auch g a n z anders. Bei uns im Betrieb gibt's ja auch noch P a u s e n, aus denen sich richtige Arbeitszeit machen läßt. Z.B. gibt's da eine Pause pro Schicht, in der tatsächlich die Maschinen stillstehen - die 1/2 Stunde A Z O - P a u s e. Wenn wir die streichen, ergibt das ebenfalls 5 Stunden Arbeits- zeit für uns pro Woche. 4. Oder darf's gleich noch etwas radikaler sein? Bitte sehr: wir legen a l l e P a u s e n auf Schichtanfang oder - ende. Dann kann die Schichtmannschaft doch zuhause pausen und dafür 6 Stun- den pausenlos arbeiten. So kriegen wir leicht 3 Schichten in den Tag und haben ordentlich Betriebsnutzungszeit gewonnen. Bitte schön, wir sind so frei - die Gewerkschaft darf ruhig aus- wählen! Und die Arbeiter? Die haben sich eben einzurichten. Die Freizeit hat zu passen -------------------------- Die VW-Arbeiter haben sich von diesen Alternativen keine be- stellt. Keiner hat Samstagsarbeit verlangt - quasi als "Austausch" für einen freien Dienstag oder Mittwoch; genauso we- nig übrigens, wie den Samstag frei zu haben und die ganze übrige Woche in die Fabrik zu müssen jemals ein Verlangen von Arbeitern gewesen wäre. Aber wie Arbeiter da mit Arbeitszeit und Freizeit zu kalkulieren haben, kommt in der VW-Rechnung sowieso gar nicht vor. Daß hierzulande alles darauf eingerichtet ist, daß man seine "sozialen Bindungen", Familie, Sport oder Stammtisch, vorwiegend am Wochenende pflegt; daß man dafür also das Wochenende auch braucht, - das ist für VW ein völlig sachfremder Gesichtspunkt. Arbeiter haben pünktlich zur Arbeit zu erscheinen, wann immer sie stattfinden mag - basta. In welche Freischicht an welchem wech- selnden Wochentag sie dann Frau, Bier oder Ausflug packen, das dürfen sie sich aussuchen. Für VW gibt's da überhaupt keine Pro- bleme: Schicht ist Schicht, den Rest hat wie immer die Freiheit des Lohnarbeiters zu erledigen. Pausen - einfach überflüssig ---------------------------- "Pausen" wie die, die es in modernen Fabriken wie VW gibt, haben sich Arbeiter ebenfalls weder bestellt noch abbestellt. Von we- gen, man "braucht mal eine Pause", wenn einem z.B. das Kreuz weh- tut, man eine rauchen will usw. - und dann m a c h t man sie eben. Pause ist, wenn Pause a n g e s e t z t ist - bzw. wenn es der Banddurchlauf "erlaubt". Zwischendrin gibt's nur eins: die Arbeit ist auszuhalten. Umso dringender braucht man deshalb na- türlich die Pausen, w e n n es sie dann gibt. Auch das erklärt VW jetzt zu einem völlig gleichgültigen Umstand. Wenn es Pausen sowieso nur gibt, wenn VW sie ansetzt; wenn sie sowieso höchstens dafür taugen, daß die Arbeit irgendwie noch auszuhalten ist - dann, so der Standpunkt von VW, dann ist es ja wohl selbstverständlich, daß die Arbeiter auch noch ein bißchen mehr aushalten. Daß Arbeiter für nichts anderes da sind als da- für, noch jede Anforderung zu bewältigen, die VW in den Sinn kommt - das ist dem Betrieb so selbstverständlich, daß er daran gar keinen Gedanken verschwendet. Der Arbeitstag - so lang, wie wir ihn brauchen ---------------------------------------------- Genauso sieht VW den Arbeitstag seiner Arbeiter. Welchen Unter- schied macht es denn, ob der Arbeitstag 6, 8 oder 9 Stunden dau- ert? Laufen etwa die Bänder in der 8. Stunde langsamer, weil die Leute müde sind? Eben. Die Arbeiter haben sich einem gleichmäßig schnellen Arbeitstempo unterzuordnen und das bis zum Ende durch- zuhalten. Und wenn der Betrieb das Schichtende eine Stunde nach hinten zu schieben beliebt, dann ist es für ihn sonnenklar, daß die Arbeiter die verlängerte Arbeitszeit genauso zuverlässig zu bewältigen haben. Daß sie am Schichtende müde sind, versteht sich sowieso von selbst; das ist jetzt schon ein für VW völlig gleich- gültiger Umstand. Wieso sollte dieser Gesichtspunkt VW also bei der Neukalkulation des Arbeitstages einfallen? Wie Arbeiter damit zurechtkommen, haben sie selbst zu regeln - in ihrer Freizeit eben. Alles klar? Jedes diese Modelle bringt für VW nur Vorteile - die Arbeiter ha- ben dafür den einen oder anderen Schaden hinzunehmen. Nichts ist umsonst. Die Gewerkschaft gestaltet mit - und wählt aus ---------------------------------------------- Die Sorgen der Gewerkschaft anläßlich dieser schönen Alternativen von VW sind von der höheren Art. Sonnenklar ist ihr, daß sie "neue Arbeitszeitmodelle, die einen effektiveren Einsatz von kapitalintensiven Anlagen ermöglichen" auf jeden Fall begrüßen und unbedingt mit VW vereinbaren muß. Das Argument dafür heißt "Standort" und meint: weil VW das so will! Aber welches Modell es denn nun sein soll - da tut sich die Ge- werkschaft schwer. Das Interesse des Arbeiters kommt bei diesen Bauchschmerzen nicht vor - wie auch? Von d e m Standpunkt aus kann man da gar nichts "entscheiden", weil alles die g l e i c h e Scheiße ist! Aber die Gewerkschaft möchte ja gerne einem der Modelle den Zuschlag geben - als Ausdruck gewerkschaft- licher "Einflußnahme und Gestaltung". Bloß welchem? 1. Die Pausenstreichung? Das wäre ein Sieg im gewerkschaftlichen Kampf für "Das Freie Wochenende"! 2. Samstag Regelarbeitstag? Das würde die Arbeiter vor der Blüm- schen Aufweichung des 8-Stundentags retten! 3. Der 9-Stundentag? Mit dem könnte man eine weitere Verkürzung der Wochenarbeitszeit erkämpfen! 4. Wegfall der Pausen? Damit hätte man den Arbeitern einen länge- ren Feierabend oder freie Tage erkämpft! Oder doch schlicht und einfach: Jedes dieser Modelle rettet die deutsche Polo-Produktion!! Das sind so schwerwiegende Fragen, daß sich nach unseren Informa- tionen die VW-eigene IG-Metall-Tarifkommission einfach nicht ent- scheiden konnte. So gesehen ist die Frage der zukünftigen Ar- beitszeitregelung bei VW richtiggehend spannend! Fazit: VW befindet längere Maschinenlaufzeiten für n o t w e n- d i g - für sein Gewinninteresse. Dafür geht der Betrieb rücksichtslos gegen jede N o t w e n d i g k e i t vor, die Arbeit und Freizeit den VW-A r b e i t e r n aufmachen. Irgendein Interesse von ihnen kommt in dieser ganzen Herumrechne- rei mit "Modellen" gar nicht vor - für sie gibt es da also auch gar nichts "auszuwählen". Im Gegenteil: wenn jetzt schon das Zurechtkommen mit Arbeit und Freizeit bei ihnen lauter Einrichtungskunststücke verlangt, so daß jede gestrichene Pause, jede Stunde mehr Arbeit am Tag eine z u s ä t z l i c h e Härte bedeutet - dann lügt man sich in die Tasche, wenn man meint, mit irgendeinem Modell, auf das "die da oben" sich einigen, fahre man vielleicht besser, weil es einem immerhin den freien Samstag oder die Pause läßt oder sogar die eine oder andere Freischicht b r i n g t. Wenn Arbeiter hier das Aufrechnen anfangen, dann sind das auf jeden Fall Milchmädchenrechnungen, weil sie nur auf eines hinauslaufen: auf das Hinnehmen eines auf jeden Fall ausge- machten S c h a d e n s. zurück