Quelle: Archiv MG - BRD WIRTSCHAFTSPOLITIK BETRIEBE - Vom Umgang mit dem Arbeiter
zurück Arbeitsschutzwoche im Krupp-Konzern:DIE FIRMA LOBT IHRE UNFALLBILANZ
Anläßlich der alljährlich stattfindenden Arbeitsschutzwoche hält es der Krupp-Konzern wieder einmal für angebracht, sich und seine sinkende Zahl der Betriebsunfälle zu loben: waren es 1982 noch 42,7 pro 1 Million Arbeitsstunden, so sank die Zahl bis 1986 auf 32,3 - was Krupp veranlaßt, einen "positiven Trend in der Unfall- statistik" festzustellen. Man soll die Sache so sehen: nicht die Unfälle, die s t a t t g e f u n d e n haben, gehen auf Rech- nung des Betriebes - nein, auf die, die n i c h t stattgefunden haben, ist der Betrieb stolz. Für die soll gelten, daß "die Anstrengungen, die auf dem Gebiet des Arbeitsschutzes unter- nommen werden, Früchte tragen." (Krupp-aktuell) Ein ziemlich bescheuerter Gedanke: wenn einer vom Gerüst fällt, ist er schon deshalb ein relativer Pluspunkt für den Betrieb, weil sich nicht gleichzeitig noch einer das Bein gebrochen hat! Einem Verunglückten kann die Frage, ob früher oder anderswo noch Leute zu Schaden gekommen sind, als ihm gerade etwas passierte, jedenfalls ziemlich wurscht sein. Dem Betrieb kommt es auf diesen Vergleich allerdings sehr an, und nicht bloß aus Gründen der Reklame. Der geht nämlich genau wie alle anderen Fabriken hierzulande sehr selbstverständlich davon aus, daß Unfälle zum "Betriebsgeschehen" eben dazugehören. Des- halb will er wissen, wie er im Verhältnis zu seinen Mitveranstal- tern hiesiger Fabrikarbeit hinsichtlich der Z a h l der Unfälle so dasteht. Unfälle: Ein Stück durchschnittlicher Vernutzung ------------------------------------------------ deutscher Arbeitskraft ---------------------- Praktisch sind Unfälle für den Betrieb eine Kalkulationsgröße un- ter anderen. Er beurteilt Unfälle als eine Wirkung des Einsatzes der Gesamtbelegschaft, die i h m Kosten verursacht: durch Stö- rungen des Produktionsablaufs, Schäden an Maschinerie oder Arbeitsgegenständen, Ausfall einsetzbarer Arbeitskraft. Dabei ist dem Betrieb durchaus der Gesichtspunkt vertraut, daß Unfälle - ebenso wie die dabei anfallenden Kosten - einiges damit zu tun haben, mit welcher Arbeitsintensität er die Arbeitskraft an wel- cher Sorte Produktions- bzw. Arbeitsmittel einsetzt. Kapitalisten sind sich sicher: acht Stunden am Tag Gabelstaplerfahren z.B., also kontinuierliche Konzentration auf eine stumpfsinnige Tätig- keit, ist ohne eine stattliche Zahl von Unfällen nicht zu haben. Gerade s o wollen sie die Arbeit ja stattfinden lassen, weil sie s o stückkostensenkend wirkt. Gerade deshalb sind ihnen die Unfälle, die "dabei" passieren, noch immer die Frage wert, ob die gewünschte Arbeitsintensität nicht auch o h n e die dabei auf- tretenden Unfallkosten zu haben wäre. Deshalb ergänzt noch jeder Betrieb das Arbeiten um Arbeitsschutzmaßnahmen - und rechnet fest mit dem regelmäßigen Anfallen einer (un-)bestimmten Zahl von Un- fällen. Ist dann das Jahr vorbei, kommt die Statistik daher und berechnet die angefallene Verletztenzahl auf den Durchschnitt der Ge- samtbeschäftigten, bezogen jeweils auf die einzelne Branche. Da- mit wiederholt sie e r s t e n s die praktische Gewißheit der Kapitalisten, daß Unfälle zu ihrer Produktion nun einmal dazuge- hören. Mit der Berechnung auf die Branche spricht sie z w e i t e n s aus, daß hinsichtlich der Kombination von Produktionsmitteln und Arbeitern alles erlaubt ist, was Profit bringt. Die Betriebe entscheiden sehr freihändig darüber, wie ih- nen die "moderne Technik" als Mittel ihrer Geschäftskalkulation taugt; und damit definieren sie den Arbeitern, mit welcher Sorte Arbeitsbedingungen s i e zu kalkulieren haben, wenn sie bei Klöckner, beim Vulkan oder bei Krupp antreten. Deshalb gibt es Unfallstatistiken für Hafenbetriebe, wo das Arbeiten immer mal wieder für Arbeiter tödlich endet, und andere für "moderne" Fa- briken wie Krupp, die eher andere Arten des Verschleißes für ihre Belegschaft parat halten. So ist auch ganz nebenbei ausgeplau- dert, daß Unfälle herzlich wenig damit zu tun haben, wie gut oder schlecht A r b e i t e r beim Arbeiten "aufpassen". Das will ja schließlich keiner behauptet haben, daß sich im Hafen lauter Selbstmordkandidaten einfinden, während z.B. bei Krupp eher le- bensfrohe Typen anzutreffen sind! Für die Betriebe leisten die Berechnungen der Statistik folgen- des: Sie entnehmen ihnen, wie relativ gut oder schlecht sie im Vergleich mit ihren Kapitalistenkollegen diesen "Kostenfaktor" ihrer Produktion im Griff haben. Da für sie e i n e r s e i t s feststeht, d a ß eine bestimmte Zahl von Unfällen in ihrer Branche "normalerweise" so dazugehört, und a n d e r e r- s e i t s, daß sich an dieser Zahl durch geschicktes Umgehen mit unfallträchtiger Arbeit und Arbeitsschutz durchaus etwas drehen läßt, nehmen sie die Z a h l der Unfälle einfach als I n d i z dafür, wie relativ gut oder schlecht ihnen das Vermeiden unnötiger Kosten in diesem Felde gelungen ist. F o l g e n tut für den Betrieb aus der Unfallstatistik also gar nichts: außer der Konsequenz, mit der Kalkulation von U n f a l l kosten im Verhältnis zu allen anderen gewinnbringenden Kosten"faktoren" genauso fortzufahren wie bisher. Es lebe der Arbeitsschutz ------------------------- Das sieht Krupp genauso. Schließlich wissen auch Krupp-Manager, daß die relativ niedrige Zahl von Unfällen bzw. ihr Rückgang sich nicht der Sorge des Betriebes um die Gesundheit seiner Beleg- schaft verdankt. Eine Tatsache, die "Krupp-aktuell" nebenbei auch ausplaudert, wenn es schreibt, daß "der Stahlbereich in der Sta- tistik nicht enthalten ist" - da hat man sich anscheinend weniger "angestrengt", oder was? Weniger Unfälle sind Konsequenz des schlichten Umstandes, daß Rationalisierung und Modernisierung ganz nebenbei Arbeitsplätze abschafft, an denen Arbeiter bei Krupp früher zu Schaden kamen. Und wo die unsachgemäße Bedienung von Produktionsanlagen ganze Maschinen zu Bruch gehen lassen könnte, da läßt Krupp es eben gar nicht erst zu, daß die Kalkulation mit möglichen Unfällen noch irgendwie vom "Aufpassen" der Arbeiter abhängig wäre. Wo "noch" Unfälle angefallen sind, heißt deshalb die schlichte Logik des Unfallberichts, da liegt das daran, daß Arbeiter sie nicht ver- hindert haben. Deswegen ist die "Arbeitsschutzwoche" auch angeb- lich so w i c h t i g: um die "Mitarbeiter anzuspornen, auf die Sicherheit am Arbeitsplatz zu achten", was bei Krupp-Atlas damit geschieht, daß überall Plakate aufgehängt werden. Dann weiß näm- lich jeder, daß der Betrieb sich ganz sehr um die Ar- beitssicherheit sorgt - und daß deswegen Unfälle garantiert nur noch da passieren, wo sie passieren können. Na dann! zurück