Quelle: Archiv MG - BRD WIRTSCHAFTSPOLITIK BETRIEBE - Vom Umgang mit dem Arbeiter
zurückEIN ARBEITSUNFALL BEI DER BREMER LAGERHAUSGESELLSCHAFT IST BEWÄLTIGT
Der zwei Jahre zurückliegende Arbeitsunfall im Neustädter Hafen, bei dem ein Kranführer tödlich verletzt wurde, hatte erst neulich ein gerichtliches Nachspiel. Der Tat dringend verdächtigt waren sieben ehemalige Kollegen, inzwischen zu 500,-- DM Geldbuße ver- donnert. Als Haupttäter saß heimlich der Kranführer selbst auf der Anklagebank. Davon wird der Tote zwar auch nicht mehr le- bendig. Aber wo die Gründe nicht weiter interessieren, ist die S c h u l d f r a g e umso ertragreicher. Was war eigentlich passiert? ---------------------------- Arbeiter der Bremer Lagerhausgesellschaft (BLG) haben in der zweiten Schicht beim Beladen eines Schiffes den Kran mit 18 Stahlrohren belastet, bei ca. 8 Rohren liegt die Höchstbelastung des Krans. Die sog. Überlastsicherung, die die Kräne bei zuviel Gewicht zum Stoppen bringt, war nicht nur bei diesem, sondern vier weiteren defekt. "Um trotzdem (!) mit den Geräten weiterar- beiten zu können, hatte man die Sicherung elektrisch überbrückt und die Kranführer mit einem Schild in der Kanzel auf den Defekt hingewiesen" (WK 15.5.). Kurz gesagt, es wurde g e a r- b e i t e t, wie es auf diesen Arbeitsplätzen wohl üblich war. Nur ist diesmal dabei einer hops gegangen. Aber so einfach soll man das nicht sehen. Da Unfälle solchen Kalibers ja nicht jeden Tag passieren, scheint es jedermann klar zu sein, daß es an der Arbeit und ihrer Organi- sierung nicht liegen kann, sondern an denen, die sie v e r r i c h t e n. Die Betriebsleitung der BLG hat jedenfalls saubere Hände. Sie hat niemanden angewiesen, die 5 Tonnen mehr an den Kran zu hängen. sie hat nur beschlossen, daß ein bestimmtes Arbeitspensum von den Arbeitern in bestimmter Zeit abzuwickeln sei. Termingerechte, Ko- sten und Liegezeit sparende Abfertigung eines Schiffes heißt bei der BLG auch, daß die Arbeiter eine zweite Schicht dranzuhängen haben. Schließlich ist die Verkürzung der Liegezeit für die Ree- der d a s Konkurrenzmittel der Häfen. Ganz nebenbei spart sich die BLG das Organisieren und Abrufen einer anderen Schichtko- lonne. Diese Betriebspraxis ist selbstverständlich ordnungsgemäß per Betriebsvereinbarung abgesegnet, der 16 Stunden-Tag in dieser Branche eine durchaus übliche Arbeitszeit. Die betriebliche Kal- kulation geht also über die absolute Verfügung der BLG über die Arbeitszeit der Arbeiter auf. Wie die Arbeiter die Verlängerung der Arbeitszeit packen und mit den so eingerichteten Arbeitsbedingungen zurechtkommen, ist i h r e Sache. Nicht so ganz. Denn daß der BLG keineswegs gleichgültig ist, wie die Arbeiter die Schicht bewältigen, stellt sie mit ihrer hausei- genen Vereinbarung zu Lohn und Arbeitszeit klar. Bei der BLG ist üblich, was in anderen Betrieben verboten ist: Je schneller die Arbeiter mit ihrem Arbeitspensum fertig sind, desto mehr b e z a h l t e Freizeit haben sie. Wenn die Arbeiter vor Schichtende fertig sind, dürfen sie früher nach Hause gehen und bekommen die Schicht voll bezahlt. Was für ein S t u n d e n- l o h n für sie dabei rauskommt, hängt also zuletzt auch davon ab, wie sie sich in die Arbeit reinhängen und die Schichtzeit u n t e r schreiten. Wenn das kein Angebot ist! Die BLG erzeugt also bei den Arbeitern das Interesse an Arbeits- zeitverkürzung und stellt klar, wie sie dieses Interesse zu ver- folgen haben: Einzig Intensivierung der Arbeit pro Schicht ist als Ausweg erlaubt, wenn man früher nach Hause will. Auf diese Weise bedienen die Arbeiter nämlich nicht nur das Interesse der BLG an der Abwicklung jeden Auftrags, sondern sorgen auch noch für kürzere Liegezeiten. W i e die Arbeiter das bewerkstelligen, war im Hafen ein o f f e n e s G e h e i m n i s: die Sicherung zu überbrücken, damit mehr Rohre angepickt werden können, war eine "gewohnte Pra- xis". Nur den Herren von der Betriebsleitung haben's die Spatzen offenbar nicht von den Dächern gepfiffen - wo ihnen doch sonst keine Unregelmäßigkeit, Verspätung usw. entgeht. Dieser Unfall war also der reinste 'Zufall'. Wenn die Arbeiter die Arbeit immer dann erledigen, wenn der Be- trieb sie anfallen läßt und so, wie der Betrieb sie organisiert, ist es der BLG recht, solange alles gut geht. Wenn es schief geht, haben die Arbeiter sich das selbst zuzuschreiben. Sicher- heitsvorschriften werden schließlich nicht umsonst überall aufge- hängt, Sicherheitsingenieure nicht umsonst beschäftigt und das Gewerbeaufsichtsamt nicht umsonst bemüht. Unter die Erde bringen, will die BLG ihre Mitarbeiter wirklich nicht. Dabei nutzt die BLG die Dummheit der Arbeiter aus. Um sich die zweite Schicht in voller Länge zu ersparen, wollen sie nur ein probates Mittel kennen: das, welches ihnen der Betrieb anbietet - Arbeiten bis zur Selbstgefährdung. Eine saubere Rechnung. Einen Schaden abzuwenden, indem man einen anderen in Kauf nimmt. Dabei kommt für sie bestenfalls heraus, daß die Arbeit erledigt wird. N a c h einem Arbeitsunfall übernimmt sofort die Betriebsleitung wieder die V e r a n t w o r t u n g, die ihr zwischenzeitlich abhanden gekommen ist, um die Arbeit neu zu organisieren und neue Anweisungen zu geben - bis zum nächsten Mal. zurück