Quelle: Archiv MG - BRD WIRTSCHAFTSPOLITIK BETRIEBE - Vom Umgang mit dem Arbeiter


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       Schließung des Kabelwerks in Zuffenhausen / 539 Entlassungen ste-
       hen an
       

BEI DEUTSCHEN ARBEITERN SIND FRANZÖSISCHE UNTERNEHMER (MAL WIEDER) UNTEN DURCH

Weswegen die 539 rausfliegen ---------------------------- Die Geschäftsleitung von Kabelmetal hat bekanntgegeben, daß das Kabelwerk in Zuffenhausen Ende 1991 geschlossen wird. Die dort Beschäftigten werden ab jetzt nach und nach entlassen. Kapitali- stischem Geschäftemachen geht es nicht darum, Arbeitern ein Aus- kommen zu verschaffen und zu erhalten. In unserer schönen Markt- wirtschaft hat nur das Unternehmen Erfolg, das sein Kapital in d e n Anlagesphären und s o einsetzt, daß ein möglichst hoher Gewinn erwirtschaftet wird. Die aktuelle Entscheidung von Kabelmetal: die Millioneninvesti- tionen vor drei Jahren in die Glasfaserproduktion hat sich ge- lohnt, für das zukünftige Geschäft mit dieser Ware wird das Stuttgarter Werk nicht mehr gebraucht. Also gibt es nach kapita- listischer Rechnungsart keinen Grund, dabei an die Arbeiter in diesem Werk zu denken, nur weil diese auf den Lohn bei Kabelmetal angewiesen sind. Lohn wird dafür gezahlt, daß der Betrieb über die Leistung der Arbeiter als Mittel seines Geschäfts verfügt. Der Einsatz von Arbeitern für die Kapitalvermehrung ist ein Ge- gensatz zum Einkommensinteresse der Arbeiter - während ihrer Be- schäftigung und deswegen auch bei ihrer Entlassung, weil der ver- diente Lohn für Zeiten der Arbeitslosigkeit nicht reicht. "Verratene Kabelwerker" überschrieb die IG Metall in ihrer Mit- gliederzeitschrift "metall" die Berichterstattung über die Werks- schließung. Gewerkschaft, Betriebsrat samt Kabelmetalbelegschaft sehen in der Rücksichtslosigkeit des Kapitals gegen die Geldbelange der Arbei- ter einen einzigen großen Verrat an den Arbeitern: "Jetzt hat sich alles als 'Lügerei von A bis Z' entpuppt, sagt BR-Vorsitzender Karl Rüb: der Lichtleiter als vermeintliche Zu- kunftstechnologie, für den SEL vor drei Jahren 40 Millionen Mark investiert hatte, und die 'notwendige' Wochenendarbeit zur 'dauerhaften Sicherung der Wirtschaftlichkeit'" ("metall" vom 10.8.) Mit diesem Verratsvorwurf liegen alle, die ihn äußern, ziemlich schief: 1. Die "Zukunftstechnologie", in die SEL Kapital investierte, galt einer neu auf den Markt gebrachten Ware; und das Geschäft mit Lichtleitern hat sich genau in diesen drei Jahren gelohnt. (Warum soll man ausgerechnet dieser Bilanz der Geschäftsleitung nicht glauben?) "Lügerei" kann man darin nur sehen, wenn man mit dem Gerede von einer Zukunftstechnologie in der Geschäftskalkula- tion von SEL damals etwas anderes sehen möchte als Geschäftema- cherei: nämlich so etwas wie einen durch die besondere Ware ga- rantierten Fortbestand der Arbeitsplätze in Zuffenhausen. Die Be- legschaft mag sich eingebildet haben, einen besonders sicheren Arbeitsplatz in der L i c h t l e i t e r p r o d u k t i o n erwischt zu haben - mit dieser Illusion, das besondere Produkt hätte eigentlich ein Schutz vor üblichen Gründen fürs Zumachen von Betrieben abgeben müssen, gibt sie aber selbst kund, daß es in dieser besten aller Wirtschaftsweisen gerade keine Sicherheit des Lohneinkommens gibt. 2. Die Wochenendarbeit wurde geleistet - der Einwand jetzt speist sich aus der Illusion, dies wäre zur dauerhaften Sicherung der Wirtschaftlichkeit = des Standorts Zuffenhausen gut gewesen. Wenn Arbeiter alles leisten, was das Unternehmen für seine dauerhafte Wirtschaftlichkeit verlangt, dann überantworten sie ihre Belange ganz der anderen Seite. Und ausgerechnet dieser Blankoscheck soll das Kapital dazu bringen, Arbeiterbelange zu berücksichtigen? SEL/Kabelmetal hat mit dem Kontischichtbetrieb die Nachfrage nach Glasfasern voll für sich ausgenutzt und produzierte so den Ge- winn, der angelegt wird, wo jetzt die größte Wirtschaftlichkeit ist. Aus dem Hinweis der Arbeiter auf ihre frühere Dienstbarkeit begründet sich nichts anderes wie der Vorwurf, daß man sich nun furchtbar getäuscht sieht. Was wollen sie eigentlich damit errei- chen? Französische Unternehmen gegen deutsche Arbeiter? ------------------------------------------------- Eigentlich wäre das Arbeitsplatzinteresse der Belegschaft und das Geschäftsinteresse von Kabelmetal vereinbar? Eigentlich gäbe es wegen des Geldverdienen m ü s s e n s auch eine unternehmerische Verpflichtung, den Arbeitern das Geldverdienen zu ermöglichen? In dieser Einbildung sind die Kabelmetaller um einen Schuldigen nicht verlegen: Kabelmetal gehört zu Alcatel - und das ist ein französisches Unternehmen. Betriebsrat und Belegschaft wollen die aufgrund kapitalistischer Kalkulationen anstehenden Entlassungen partout als Ergebnis f r a n z ö s i s c h e r Unternehmensent- scheidungen ansehen. Ein Unternehmen mit dem 'falschen' Paß in der Tasche als 'Arbeitgeber' - und schon ist man als Arbeitnehmer verratzt. Wohingegen deutsche Unternehmen wie Daimler oder Bosch bekanntermaßen rund um die Uhr nichts anderes treibt, als deut- sche Arbeiter in Lohn und Brot zu setzen. Weswegen diese Firmen nie Rationalisierungen durchführen, nie ein Werk im Inland dicht- und im Ausland aufmachen, nur deutschen Anlegern ihre Aktien ver- kaufen... Nebenbei: eigentlich wäre ein Glückwunschtelegramm an die franzö- sischen Arbeiter, die sich zukünftig in der Glasfaserproduktion krummlegen dürfen, doch angebracht, wenn man schon meint, die Na- tionalität müsse Kapital und Arbeiter zusammenschweißen. Nein, die bösen Franzosen machen das Werk in Stuttgart zu, in Frankreich eins auf und vereiteln damit, daß deutsche Arbeiter zu ihrem Recht kommen. Bloß: was ändert sich für Lohnarbeiter mit dem Paß, den sie in der Nachttischschublade haben? Der finanzielle Zwang, für den Lohn arbeiten zu gehen? Der Zwang, eine ruinöse Leistung zu bringen? Dafür spielt weder in der Bun- desrepublik noch in Frankreich der Paß eine Rolle. Denn beiden Staaten kommt es genau auf die Wirtschaftsweise an, in der es um Lohnarbeit für Kapitalvermehrung geht. Der Kabelmetal-Arbeitsdirektor Rohner hat diese Wahrheit, daß das Kapital Arbeiter jeder Nationalität ausnutzt, den demnächst Ent- lassenen als frohe Botschaft mit auf die Betriebsversammlung ge- bracht: sie könnten nach der Schließung des Stuttgarter Werks einen Arbeitsplatz in anderen Bereichen des Konzerns, etwa in dem geplanten Kabelwerk in der nordfranzösischen Stadt Douvrin erhal- ten. Das Kapital: ganz ohne nationale Vorbehalte! Wenn deutsche Arbeiter wollen - bitte, eine französische Fabrik bleibt ihnen nicht verschlossen! So kriegen die Arbeiter die Schuld daran zu- geschrieben, zukünftig arbeitslos zu sein; sie sind es ja nur, wenn bzw. weil sie nicht flexibel genug sind, sie können ja nach Frankreich gehen. Diese Frechheit haben die Arbeiter damit gekon- tert, das wäre doch gar nicht so "oifach..., wenn d'Kinder hosch, die in dr Schuel send" (Stuttgarter Zeitung vom 27.7.). Schon ein blöder Protest, die Ansprüche des Kapitals als die gültigen zu behandeln, denen man unbedingt nachkommen will, aber der Kinder wegen nicht kann, und damit der Schuldzuweisung des Hetzers aus der Chefetage recht zu geben. zurück