Quelle: Archiv MG - BRD WIRTSCHAFTSPOLITIK BETRIEBE - Vom Umgang mit dem Arbeiter


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       Bei Siemens, Agfa und Rodenstock:
       

WIEDER EINMAL GANZ NORMALE ENTLASSUNGEN

Drei Münchner Betriebe haben nachgerechnet und festgestellt, daß bei ihnen zu viele Leute auf der Lohnliste stehen. Also müssen sie weg, und das möglichst ohne viel Trara und vor allem ohne Ko- sten für die Firmen. S i e m e n s läßt die Belegschaft wissen, daß ein Standort nicht mehr ins Betriebskonzept paßt, weil "die Auftragslage in diesem Bereich nicht mehr ausreichend und für München nicht ren- tabel ist". Deshalb sollen in den nächsten drei Jahren rund 700 von 1200 Beschäftigten "eingespart" werden. "Betriebsbedingte Kündigungen" soll es nicht geben. Statt dessen "setzt die Firma auf die natürliche Fluktuation": "Sanfter" Druck zur freiwilligen Kündigung, Frühverrentung, dringende "Angebote" zum Wechsel an andere Standorte, also eine feine Umschreibung für Entlassungen. Die Betroffenen können sich davon zwar nichts kaufen, aber zumin- dest die Betriebsleitung und vor allem der Betriebsrat sind zu- frieden. A g f a hat beschlossen, daß 100 Arbeiter Opfer des "Fortschritts" werden sollen, der angeblich die Firma zwinge, eine Service-Abteilung zu schließen. "Fortschrittsbedingt kann heute jeder bessere Fotohändler Dias entwickeln", meint ein Fir- mensprecher. An jenem ominösen Ding namens "Fortschritt" selbst kann es ja wohl nicht liegen. Der macht Arbeit überflüssig. Daß Arbeiter überflüssig und entlassen werden - das liegt ausschließ- lich an den Fortschritten der freien Marktwirtschaft und der Ent- scheidung von Agfa, seine Konkurrenzfähigkeit mit gesunkenen Lohnkosten zu verbessern. R o d e n s t o c k stellt seinen ganzen Betrieb auf den Kopf. Die Abteilungen Präzisionsoptik in München wird aufgelöst und im Bayerischen Wald neu aufgebaut. Die dortige Fertigung von Serien- Brillengläsern zieht voraussichtlich nach Malta um und die Ver- kaufsniederlassungen in Bremen, Mannheim und Köln werden ge- schlossen. Im Mai und Juni läßt die Firma kurzarbeiten, nachdem Ende des vergangenen Jahres Überstunden an der Tagesordnung wa- ren. Die Rationalisierungsfirma McKinsey "durchforstet" schon seit längerem in Ebersberg die Abteilungen nach vermeidbaren Lüc- ken im Arbeitsablauf und anderen Kosten, die eingespart werden können. Rosenstock zieht also alle Register, die einem kapitali- stischen Betrieb zur Verfügung stehen, damit sich die Arbeit der Beschäftigten für das Unternehmen besser lohnt. Völlig daneben liegen deshalb die Beschäftigten und ihr Betriebs- rat, die zusammen mit der Betriebsleitung den "Blüm und seine Gesundheitsreform" für die Maßnahmen von Rosenstock ver- antwortlich machen. Wenn der Gesetzgeber Brillen teurer macht, indem er die Kassenleistungen kürzt, ist noch lange nicht ausge- macht, daß das auch auf Kosten der Arbeiter und Angestellten ge- hen muß, die sie produzieren. Dazu gehört allemal die Profitkal- kulation einer Firma, die Arbeiter als Kalkulationsgröße für ihr Geschäft behandelt, und eine freie Marktwirtschaft, für die nichts selbstverständlicher ist als eben das. * Hier mal 700 Kündigungen bei Siemens, dort mal 100 bei Agfa, und bei Rosenstock werden auch noch eine ganze Reihe dazukommen: So unspektakulär läppern sich in der Republik die circa 8 Mio. zu- sammen, die jährlich entlassen werden, weil sie für das Geschäft ihrer Unternehmer für überflüssig erklärt wurden. Der Großteil davon findet anderswo seine Verwendung - wo und zu welchen Bedin- gungen sie wieder ihren Lebensunterhalt verdienen dürfen, liegt allerdings genausowenig in ihrer Hand wie die Dauer ihrer Benüt- zung. Der übriggebliebene Rest, der nicht zu den Glücklichen zählt, die einer neuen Beschäftigung zugeführt werden, bildet den sogenannten Bodensatz der Arbeitslosigkeit, also die Sorte Arbei- ter, die den dauerhaften Ausschuß der freien Marktwirtschaft stellen. Von wegen also: Massenarbeitslosigkeit t r o t z satter Kon- junktur und "explodierender" Gewinne! zurück