Quelle: Archiv MG - BRD WIRTSCHAFTSPOLITIK BETRIEBE - Vom Umgang mit dem Arbeiter


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       Betriebsvereinbarung über Werkstattkreise:
       

NÖRGELN ALS PRODUKTIVKRAFT

Wer meint, Arbeiter seien allein zum Arbeiten in der Fabrik und auf ihre Meinung sei ansonsten geschissen, wird von Daimler-Benz seit einiger Zeit eines Besseren belehrt. Da hat Daimler-Benz nämlich mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung abgeschlos- sen zur Einrichtung von "Werkstattkreisen" bzw. Qualitätszirkeln, in denen für "Qualitätsverbesserung", "Förderung des Verständnis- ses für betriebliche Zusammenhänge" und die "betriebliche Zusam- menarbeit" einiges getan werden soll. Dafür sollen die "Mitarbeiter" in "betrieblichen Gesprächsrunden" während der Ar- beitszeit (!) bei vollem Lohn (!) und zwei Stunden in der Woche (!) zusammengefaßt und vollgelabert werden. Man denke, zwei Stun- den kostbarer Arbeitszeit bei vollem Lohn werden geopfert, damit sich die Arbeiter unter Aufsicht von Vorgesetzten über den Be- trieb ausquatschen. Natürlich hat niemand vorgesehen, ab sofort die Werkstattkreise als K o m m a n d o z e n t r a l e n für Arbeitsplanung und die Festsetzung von Lohn und Leistung einzusetzen. In Sachen Qua- litätsarbeit v e r l ä ß t sich Daimler-Benz nicht auf die E i n s t e l l u n g d e r L e u t e zur Arbeit, sondern al- lein auf seine O r g a n i s a t i o n d e r A r b e i t: auf Bandgeschwindigkeit, Stückzahlvorgaben, Qualitätsanforderungen, Nacharbeit usw. Das läuft alles ziemlich reibungslos, sofern die Leute als Anhängsel der Maschinen und der Arbeitsorganisation funktionieren. Natürlich gehört zu dieser Sorte Qualitätsarbeit die Dauerbeschwerde der Leute dazu, sie würden die Arbeit kaum schaffen und Daimler-Benz würde es ihnen mit allen möglichen Ar- beitsbedingungen schwer machen, das Pensum zu erreichen. Aber s o wird bekanntlich - unter Mosern und Schimpfen - die Arbeit allemal geschafft. Härten für die Daimler-Arbeiter sind dabei kein Zufall. Daß gelegentlich auch blinde Hühner ein Korn finden, sprich: an der Nörgelei der Leute über die Arbeitsbedingungen etwas f ü r D a i m l e r V e r w e r t b a r e s dran ist, das weiß man schon vom betrieblichen Vorschlagswesen. Es kann schon sein, daß die zuständigen Einrichter der Arbeit den Leuten mal eine Härte abverlangen, die n i c h t unbedingt dem Betriebsergebnis för- derlich ist. Das möchten sie dann schon wissen. Und so hat das Werk beschlossen, sich einen L u x u s in Gestalt eines kleinen Z u s a t z p r o g r a m m s zu leisten, in welchem es sich bei den Leuten erkundigt, ob und durch welche Maßnahmen bestehende Arbeitsabläufe im Detail noch effektiver gestaltet werden könn- ten, wodurch sich z.B. Nacharbeit ohne Zeitverlust und Kostenauf- wand reduzieren ließe usw. Die Werkstattkreise sind also so etwas wie ein für alle Beschäftigten organisiertes Verbesserungswesen, in dem sich d i e L e u t e systematisch den K o p f d e s U n t e r n e h m e n s zerbrechen sollen und bei dem dann schon mal das eine oder andere Eingang in die Arbeit finden kann. Vor demokratischen Praktiken ist man also auch hinter den Werks- toren nicht sicher: Jeder darf in den Werkstattkreisen seine Mei- nung sagen, weil es auf sie n i c h t a n k o m m t. Aber b e u r t e i l t wird sie schon darauf, ob sich aus ihr nicht irgendetwas zum Nutzen der Firma machen läßt. Und gegen die E i n b i l d u n g - die bekanntlich in der Demokratie "draußen" schwer gepflegt wird -, es k ä m e beim Lauf der betrieblichen Dinge irgendwie auf die Arbeiter auch als "Menschen" mit Urteil und Meinung a n, hat niemand etwas einzuwenden. Dafür muß man allerdings vergessen, daß das Anliegen, die vorgesetzte Arbeit h i n z u k r i e g e n, sich ganz aus dem von Daimler-Benz festgelegten Arbeitspensum ergibt und nichts mit der Frage zu tun hat, wie die Arbeit leichter und lohnender werden kann. So einfa- che "Verbesserungsvorschläge" wie die Verlangsamung des Bandtem- pos oder die Erhöhung der AWs stehen nämlich in diesen Werkstatt- kreisen gar nicht erst zur Debatte. Dem Werk kommt allerdings die Verwechslung der Anliegen des Wer- kes mit denen der Leute schwer gelegen. Es bietet im Rahmen der Werkstattkreise sogar extra Veranstaltungen an, in welchen der Wahn gepflegt wird, bei einer Automobilfabrik handele es sich um eine Einrichtung, in der sich vom Hilfsarbeiter bis zum Werkschef alle e i n t r ä c h t i g um das t e c h n i s c h vor- treffliche Gelingen der Automobilfertigung kümmern. Wenn etwa "Die Automobilproduktion der Zukunft" als Thema angeboten wird, dann darf man alle Z u m u t u n g e n, die das Werk in den nächsten Jahren in Sachen Arbeitszeit, -intensität und Rationali- sierung für die Leute vorgesehen hat, als W u n d e r w e r k e d e r T e c h n i k bestaunen. So treibt man sich die Frage: "Was kostet mich die Arbeit an Geld und Gesundheit?" aus und er- setzt sie durch die gewünschte Frage: "Wie funktioniert und wie klappt die Arbeit am effizientesten?" zurück