Quelle: Archiv MG - BRD WIRTSCHAFTSPOLITIK ALLGEMEIN - Erfolgsrezepte einer Nation
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"Wohl aber kann die mächtigste Regierung wie diese hier objektiv den Knall befördern, den sie zu verhindern vorhat. Dies ist keine Vemunftpolitik mehr, sondern Besessenheit besessener Idee(olo- gie). Traurig sagen zu müssen, daß unsere Sicherheit noch am ehesten gewährleistet wird, wenn Ronald Reagan mit seiner (zu riskanten) Wirtschaftspolitik scheitert: Auch dies schon eine mittlere Katastrophe." (Rudolf Augstein im Spiegel 41/81) "28. September: US-Finanzmarkt hat Reagan-Plan abgeschrieben / Wall-Street glaubt nicht mehr an Durchsetzung des Wirtschaftspro- gramms. Kurseinbruch an der Börse." (Süddeutsche Zeitung) An der Wall-Street, der Zentrale des internationalen Geldkapi- tals, gibt es zwei Sorten von Menschen: die "bulls" und die "bears". Letztere haben zur Zeit das Sagen: "Es ist ganz offensichtlich, daß die Bären, wie im Börsenjargon die Pessimisten oder Baissespekulanten genannt werden, in Wall Street regieren. Ihnen gehört der breite Markt..." (Wirtschafts- woche 37/81) Ihr Pessimismus ging sogar so weit, daß sie auf die düsteren Pro- gnosen des Börsenpapstes Granville hin mit einem "Schwarzen Mon- tag" reagierten, den Dow-Jones-Index auf einen dramatischen Tief- punkt brachten - wobei jedoch gleichzeitig irgendwie Zweifel an der Herrschaft der Bären aufkommen müssen, hatten doch die Bullen den Index schon am nächsten Tag wieder auf seine alte Höhe zu- rückspekuliert. Seltsam anmuten muß auch, daß die Herren Baissespekulanten sich ausgerechnet jetzt in den Vordergrund drängen, wo Präsident Rea- gan dem amerikanischen Kapital einen gigantischen Aufschwung nicht nur verspricht, sondern auch tatkräftig angeht, also dem Material des Spekulanten, den Aktien, zumindest tendenziell ge- steigerten Wert angedeihen lassen will. Ausgerechnet das scheint jedoch den Pessimismus zu befördern: "Manchen Börsen-Beobachter mag die plötzliche Schwäche des US-Ak- tienmarkts überraschen. Denn US-Wirtschaft und Börse sehen nun endlich (?) mit den Reagan-Republikanern die furchtlosen Vorkämp- fer von Kapitalismus und Marktwirtschaft an den Schalthebeln der Macht. Doch mittlerweile machen sich Zweifel an des Präsidenten Programm und Unsicherheit über die wirtschaftliche Zukunft be- merkbar. Für manchen hoffnungsvollen Reagan-Enthusiasten, der je- den Morgen die neuesten Hiobs(!)-Schätzungen für das - dank gi- gantischer Rüstungsanstrengungen und massiver Steuersenkungen - viel höhere Defizit im kommenden Bundeshaushalt lesen muß, war die neuerliche Reagan-Schlappe an der Inflationsfront nun doch zuviel." (a.a.O.) Gleich noch ein Rätsel: Das haben sie doch vorher schon gewußt, daß Rüstung, Steuersenkungen fürs Kapital und hohes Staatsdefizit auf jeden Fall eintreten werden? Warum wird denn das nun plötz- lich zum Argument? Allerdings sollte man die Sorgen des Geldkapitals nicht zu ernst nehmen. Auf Pessimismus machen heißt für die Börse ja nicht, sie mache Verluste - vielmehr macht sie ihr Geschäft mit dem Sinken der Kurse: "Baissiers rechnen mit einem Fallen der Kurse und spekulieren da- her a la baisse. Wenn dabei 'Leerverkäufe' vorgenommen werden, so werden also Effekten verkauft, die der Baissier noch gar nicht besitzt, die er aber vor Ablauf des Lieferungstermins bei ent- sprechendem Sinken der Kurse billiger zu kaufen und dann teuer abzusetzen gedenkt... Erwarten die Baissiers eine Änderung des Kurstrends, d.h. in diesem Falle eine Festigung und ein Steigen der Kurse, so 'decken sie sich ein'. Für sie gilt es also, recht- zeitig bei einer Umkehr der Tendenz mitzumachen." (Börsen-ABC) Daraus lernt man zum einen, daß jeder Börsenhänger Bulle und Bär zugleich ist, nur je nachdem das eine oder das andere raushängen läßt, zum anderen, daß eine Baisse höchstens in der Aufbereitung für die Massen etwas mit der Gefährdung des Kapitalismus zu tun hat (Gefahr, Risiko usw. usw.): Eher läßt sich da nämlich schon das feste Vertrauen des Geldkapitals in seine produktive Basis herauslesen; denn erstens muß es ja welche geben, die bei den "Leerverkäufen" dem Baissier einen Kaufvertrag geben, und zwei- tens hat der Baissier selbst ja großen Gefallen am Fallen der Kurse - sofern er sie richtig ausnutzt. Daß die Zettel womöglich überhaupt wertlos werden könnten, kommt ihm nicht im Traum in den Sinn, weswegen durch Spekulation a la baisse die Abwärtsbewegung zu verstärken, absolut kein anrüchiges Unternehmen ist. In schö- ner Selbstironie weist er auf das von ihm selbst betriebene in- stitutionalisierte Übertreiben hin, das manchem wohl Kopf und Kragen kosten kann, ihn jedoch - kühlen Kopf und dickes Kapital- polster gegeben - mit satten Gewinnen daraus hervorgehen sieht: "Diesen Sinn hat der Erfahrungsgrundsatz: La baisse amene la baisse, also eine in Gang gekommene Baisse verstärkt oft noch die Kursstürze. Das hängt auch mit dem Verhalten von Anlegern zusam- men, die sich beim Sinken der Kurse nicht selten in eine Art Pa- nik hineintreiben (!) lassen" (wer kauft da wohl?) "und verkau- fen, was das Zeug hält." (a.a.O.) Überflüssig zu betonen, daß es noch einen "Erfahrungsgrundsatz" gibt: La hausse amene la hausse... Börsenphilosophie ----------------- Im Unterschied zu den Leuten, denen er seine Ideologien erzählt, weiß der Banker um die wirklich zweifelhafte Seite seines Ge- schäfts: Gegen die Behauptung, dem Industriellen mit Vorbedacht die Gurgel abdrehen zu wollen, wehrt er sich - spätestens seit ihm die staatliche Kontrolle des Kreditwesens sanft ermahnend, d.h. durchaus unter Berücksichtigung seines Geschäftsinteresses, auf die Sprünge hilft - empört und zurecht, denn schließlich wäre die kapitalistische Akkumulation nicht zu machen ohne die tenden- zielle Schrankenlosigkeit der Expansion (in der guten alten Zeit periodisch von der Krise korrigiert), die der Kredit dem ermög- licht, der den dafür erforderlichen Erfolg in der Ausbeutung nachweisen kann; daß aber im Zuge dieses Sich-Dienstbarmachens für die wirklichen Quellen des Reichtums die Bewegung des Kredits diese eigentümliche Verselbständigung annimmt, daß eine ungeheure Zahl von Spekulationsmöglichkeiten und Kredit-auf-Kredithäufen stattfindet, daß sich eine unendlich verschlungene Kette von Kre- ditoperationen auftut, wo eine Kreditzusage die wesentliche Auf- gabe hat, der nächsten als Sicherheit zu dienen, daß schließlich hinter all dem hochkomplizierten Zahlenwerk der feste Kern des Ganzen, nämlich die tatsächliche Produktion einer Ware und ihr handelsmäßiger Austausch, immer verschwommener wird - das gibt dem Banker, um die reale Grundlage seines Tuns also wohl wissend, immer zu denken. Da wird er geradezu zum Philosophen, der in ideologischer Manier Rechtfertigungen sucht, in denen er selbst als tastendes Geldgenie in einer geheimnisvoll ihn umschließenden Welt von Kursen und Zinsen vorkommt - "Geld..., dessen Anlage sicher durch die Wirren der Zeit zu steu- ern, erfordert schon die höheren (finanziellen) Weihen. Worauf man alles achten muß, übersteigt das Vorstellungsvermögen des Durchschnittsbürgers bei weitem." -, und der nicht auf den Nachweis verzichten will, daß selbst in den obskursten Operationen noch irgendwo eine "volkswirtschaftliche Nützlichkeit" stecken muß: "Kulisse: Dem Sinn der Börsenberichte nach handelt es sich bei der K. um den berufsmäßigen Hendel, also um all diejenigen Börsenteilnehmer, die für eigene Rechnung Ge- schäfte machen und die dann am Markt in Erscheinung treten, wenn Spekulationsgewinne in Aussicht stehen. Der volkswirtschaftliche Sinn dieser K. liegt darin, daß sie einen Markt für Papiere schafft, der sonst vielleicht nicht vorhanden wäre; ihre Transak- tionen können auf längere Sicht ausgleichend wirken; des hängt naturgemäß von den jeweiligen Umständen ab." (Börsen-ABC) Wollen wir ihnen die kleine Tautologie vom Markt, den es nicht gäbe, wenn sie ihn nicht machen täten, nicht weiter übelnehmen. Recht haben sie ja in dem, daß es für den Markt, auf welch ver- wickelten Umwegen auch immer, ein Bedürfnis geben muß. Schließ- lich wird dort nicht mit Luft gehandelt und es finden sehr reale Gewinne und Verluste statt. Womit wir wieder beim Unbehagen des Bankers seinem eigenen Ge- schäft gegenüber bzw. bei der realen Grundlage all des spekulati- ven Erfindungsreichtums wären. Die Grundlage ihres ganzen Ge- schäfts - worauf sie ihre Kreativität begründen -, kann nichts anderes sein als ein Stück realer Reichtum, genauer: ein Teil des Mehrwerts, den ihnen die Industriellen eben zum Zwecke des Schranken-Niederreißens überlassen, der Schranken nämlich, die sich dem einzelnen Kapitalisten beim Geschäftserweitern in Form des mangelnden Kapital auftun - ein Stück Mehrwert, das sich die Industriellen sozusagen via Banken gegenseitig vorschießen. Daß er von diesem Stück Mehrwert - den er befördern hilft - abhängig ist, macht sich ihm so bemerkbar, daß seine Kreditvergabe bei den Industriellen gerade dann auf höchste Nachfrage trifft, wenn ihre Rückzahlungsfähigkeit am zweifelhaftesten erscheint. Die Vorsicht gebietet, dann mit der Kreditvergabe zurückzuhalten bzw. hohe Zinsen zu verlangen, womit er den Zustand einer bedeutenden An- zahl von Industriellen reflektiert, daß diese mit dem Kredit nicht mehr ihren Gewinn befördern, sondern den a u s b l e i- b e n d e n Gewinn - der sich als Unverkäuflichkeit der Waren und Zahlungsklemme ausdrückt - mit Kredit zu kompensieren versuchen. An dieser Stelle ruft der Banker, um die Rückflüsse besorgt, die Krise aus, erklärt also der Produktion, daß sie es für ihn nicht mehr bringt. Indem er ausgerechnet die am dringendsten benötigten Kredite verweigert, bereinigt er die Konkurrenz per Geldkrise von den Ausbeutern, die sich um die Mehrwertproduktion nicht mehr verdient machen. Er hängt also in seine Schaufenster dumme Sprüche der Art "Aus Geld wird mehr Geld", weiß aber, daß er d a f ü r sehr auf das Gelingen der Produktion angewiesen ist und darauf achten muß. "Schlechtes Geld" ----------------- Daß eben für die "Gesunderhaltung" der Kredits hin und wieder et- was gegen eine "unkontrollierte Aufblähung des Geldmarktes" un- ternommen werden muß - so einfach geht das heutzutage nicht mehr. Der S t a a t, ansonsten Überwacher der geregelten Bereinigung "konjunktureller Überhitzungen", kommandiert über den Kapital- markt in einer Weise, daß das Festsetzen des Zinses zur Steuerung der Nachfrage einfach nicht mehr klappen will. Und zwar indem er sich Kredit am Kapitalmarkt besorgt und dabei auf die Zinskosten nur sehr bedingt achtet, ungefähr so: Ich brauch' a u f j e d e n F a l l viel Geld, lieber wär's mir natürlich, wenn's billiger wäre. Die Kreditnachfrage ist also kein Indikator mehr für das, was sich im Bereich der privaten Kreditnehmer so ab- spielt, im Gegenteil: Kreditmenge und Kreditkosten werden vom Staat nach seinem Bedarf kalkuliert, ganz unabhängig von der Kon- junktur - über die Lüge von der "Inflationsbekämpfung" ist man sich dabei in diesen Kreisen einig, daß man sie zum Zwecke der Massenagitation beibehalten will. Nicht, daß die Banken etwas gegen hohe Zinsen hätten, und auch was die Kreditmenge angeht, ist der Staat durchaus kein Spielver- derber, kann man doch seine reichlich ausgeschütteten Anleihenpa- piere z.B. per Sonderlombard jederzeit als Grundlage privater Kreditvergabe verwenden. Bedenken müssen sie aber haben gegen die Solidität dieser Zinsen, denn eines springt sofort ins Auge: er- wirtschaftet wurden sie nicht, vielmehr besteht ihre Sicherheit zunächst einmal "nur" in der staatlichen Geldhoheit. Dieses "nur" heißt natürlich nicht, daß der Banker sich ziert, dieses Geschäft mitzunehmen, aber er hat seine Zweifel daran, ob dies eine solide Grundlage für sein mächtig angeschwollenes Kreditvolumen ist. Er bricht nicht in Jubel über dessen kontinuierliches Wachstum aus, sondern er schaut den geschenkten Gäulen sehr genau ins Maul. Es grassiert die Rede vom "schlechten Geld", was nichts anderes be- deutet, als daß der Banker die leichte Erringbarkeit und Verzin- sung dieses Geldes sehr korrekt mit der Fiktivität, d.h. der Los- lösung vom wirklichen Reichtum, in Zusammenhang bringt. Am Staat kennt er diese Fiktivität in der Differenz zwischen "investiven Ausgaben", also solchen, die dem Wirtschaftswachstum zugutekommen, und "konsumtiven Ausgaben", solchen, wo der Staat ausschließlich seinen Zweck verfolgt, was sofort als Rücksichts- losigkeit gegen die eigene produktive Basis ausgelegt wird. Und dabei bleibt festzustellen, daß die westlichen Staatshaushalte jetzt einen massiven "Konsum" betreiben - die schleimige Partei- lichkeit der Nationalökonomie zeigt sich hier übrigens darin, daß sie diesen von ihr erfundenen, pejorativ gemeinten Begriff bei der Rüstung partout nicht auftischen will -, den die beim Volk ansetzenden "Sparhaushalte" zwar zurückdämmen, aber nicht seiner "erschreckenden Dimensionen" berauben können. Ganz sachlich kom- men hier also die Botmäßigkeit der diversen Völker und die Rü- stungsanstrengungen als zwei Faktoren vor, die nur in einer Hin- sicht interessieren: Wie hoch ist die Staatsverschuldung? Ihre Höhe ins Verhältnis zur nationalen Wirtschaftskraft gesetzt, ent- scheidet über die Vertrauenswürdigkeit des Staates. Damit steht fest, daß staatliche Erfolge im "Kampf gegen die Steigerungsrate" der Staatsverschuldung (da auch der Vergleich zwischen den Staa- ten wichtig) begrüßt werden - doch ist mit ihrer absoluten Höhe noch nichts endgültig entschieden, da ja der Faktor "nationale Wirtschaftskraft" auch noch zu berücksichtigen ist. "Unsicherheit" -------------- Der vorsichtig kalkulierende Wall-Street-Banker ist also nicht besonders begeistert: Wie soll er denn auch, wo doch die ganze Welt von "tiefen Unsicherheiten" geprägt ist? Wo gibt es denn heutzutage noch eine sichere Geldanlage? Das mag einen vielleicht verwundern. Angesichts dieser hohen Zin- sen! Man muß sich jedoch zunächst verdeutlichen, was für einen Geldkapitalisten "Verlust" heißt: daß sich sein Geldkapital ver- zinst, ist selbstverständlich, wenn er aber zu früh/zu spät sein Kapital in einem bestimmten Projekt festgelegt hat, dann nennt er den e n t g a n g e n e n Gewinn (aus einer anderen Anlage) seinen Verlust. Man muß sich zweitens vergegenwärtigen, daß er sein Geschäft aus der D i f f e r e n z von Geldanlagen macht und ihm schließlich das Auf und Ab gleichgültig ist, er nur in die richtige B e w e g u n g eingestiegen sein muß. Da sieht er sich in seiner prognostischen Kraft, die seinen geschäftlichen Erfolg ausmacht, durch die jetzige Vorherrschaft der Staatsschuld en stark strapaziert: - Welcher Staat wird denn wie seinen Zins halten, steigern, sen- ken? Wenn der italienische Staat sich gezwungen sieht, seine Zin- sen zur Anlockung auswärtigen Kapitals weiter anzuheben, dann war der verfrühte Einstieg der bekannte pure Verlust, man muß also die wirtschaftliche labile Lage Italiens so einschätzen, ob da nicht noch höhere Zinsen rauskommen werden. - Wenn der deutsche Staat erfolgreich eine Aufwertung durchziehen kann, ohne damit z.B. den Exportkapitalisten ernsthafte Schwierigkeiten zu machen (was entsprechende Kapitalproduktivität unterstellt), dann war es richtig, frühzeitig in die DM einzusteigen, denn ab nun werden die Zinsen fallen: "4. Oktober: Aufwertung der DM im EWS." "7. Oktober: Auslandskapital strömt in die Bundesrepublik." "9. Oktober: Bundesbank ermäßigt den Sonderlombardsatz." Es ist also gar nicht paradox, daß fallende Zinsen den Zustrom von Geldkapital ermuntern, als Zeichen von Vertrauenswürdigkeit gelten und v.v. - Wie werden sich denn die Staatschulden in der wirtschaftlichen Entwicklung der jeweiligen Nation geltend machen? Wo kommt es denn am meisten zu Pleiten und Arbeitslosigkeit, die auf Dauer der Profitabilität nicht zuträglich sein können? Welche Kapitale schaffen es, aus der von den Staaten angeheizten Konkurrenz ge- stärkt hervorzugehen, welche gehen womöglich unter? - Welche Erschütterungen können politische Ereignisse, die "sich" ja zur Zeit dauernd zuspitzen, in bestimmten Staaten hervorrufen und eine dramatisch veränderte Lage bewirken? (Ganz nebenbei kommt hier übrigens das Proletariat unter dem Stichwort "Innere Sicherheit" vor.) Seinen Jargon und seine Weltsicht braucht der Börsenjobber über- haupt nicht zu verändern, wenn er verkündet: "Wir stehen vor ei- ner Phase verstärkter Turbulenzen!" Er klagt über die Zunahme "schlechter Schuldner", insbesondere in den "Dritte Welt"-Län- dern, aber auch im Osten, denen er andererseits die Kredite auch nicht verweigern mag - allein schon deswegen, weil er haufenweise von dem Zeug hat und darauf nicht rumhocken will. Natürlich wer- den die "Margen" auf dem überquellenden Euro-Dollar-Markt immer kleiner, dafür die bewegten Massen größer. Er muß seine ganze Ge- nialität ausschöpfen, um neue profitable "Zwischengeschäfte" sich auszudenken, die endgültige Entscheidungen noch offen lassen, wie zum Beispiel den Einstieg in die Kaufoptionen: "Für Anleger, die sich auch bei einer jetzt zu erwartenden Kur- serholung nicht von ihren Aktien trennen wollen; empfiehlt Paul Breuer von Merill Lynch, ihre Bestände durch den Verkauf von Kaufoptionen abzusichern, um den Kursfall zu mildern. Möglicher- weise fällt sogar noch Gewinn an, wenn die Option abgerufen wird." (Wirtschaftswoche) Trostpflaster in der Baisse Ausgewählte US-Kaufoptionen für Stillhaltegeschäfte (Kursangaben in US-Dollar) Aktie Kurs Stillhalteoption Options Kursab- maximal Verfalls- Preis kurs siche- möglicher monat rung Gewinn (in %) * General Motors 46 1/8 Dezember 50 2 1/4 43 7/8 13,3 Goodyear 18 1/2 Januar 20 1 17 1/2 13,5 IBM 56 Januar 60 2 1/2 53 1/2 11,6 Mesa Petroleum 27 3/4 Januar 30 3 1/2 24 1/4 20,7 Sears, Roebuck 16 Dezember 20 3/8 15 5/8 27,3 Texaco 36 3/4 April 35 5 1/4 31 1/2 9,5 TW Airlines 19 1/4 Dezember 20 1 7/8 17 3/8 13,6 Xerox 47 Januar 50 2 1/8 44 7/8 10,9 * wenn die Option abgerufen wird Soll uns keiner fragen, wie sie diese "Stillhaltergeschäfte" ma- chen (vgl. Graphik), offenkundig ist jedoch daß dies eine Möglichkeit ist sich auf die vermutete Aufwärtsbewegung von Aktien zu beziehen, ohne die Aktien selbst schon handeln zu müssen - sei es die falsche zu früh kaufen, sei es, die richtige zu früh verkaufen. Da bieten sich zunehmend Inter-Bank-Geschäfte an, hat man es doch hier mit einigermaßen vertrauenswürdign Kollegen zu tun, die sich zudem auf diese Art so etwas wie eine interne Rückversicherung für riskante Großgeschäfte verschaffen sowie gerade nutzlos her- umliegende Summen, die ja tendenziell wachsen, einer zwischen- zeitlichen Beschäftigung zuzuführen. Ein Alarmsignal schließlich, wenn die Multis mit ihren jetzt riesigen freien Geldreserven - woher sie die wohl haben? - als konkurrierende Geldkapitalisten auf dem Markt einsteigen, wo sie sich doch bisher in bester Ko- operation mit dem Bankensektor befanden... Dies sind alles Auskünfte darüber, daß das Geschäft mit dem Geld glänzend floriert, gleichzeitig aber der Banker immer weniger da- mit zufrieden sein kann. Da handelt es sich nicht um den Pessis- mismus der "Bären", die geschickten Umgang mit einer Börsenbewe- gung pflegen, sondern um einen neuartigen Skeptizismus angesichts der staatlichen Geld- und Wirtschaftspolitik. In konsequenter Verlängerung seines Mißtrauens den Staatsschulden gegenüber er- hebt der Banker in seinem Kalkulationsschema den V e r g l e i c h z w i s c h e n d e n S t a a t e n zu dem vorrangigen Kriterium und s o r g t s o d a f ü r - indem er in Währungen "hineingeht", die es seiner Meinung nach mehr brin- gen als andere -, daß sich das Gelingen staatlicher Wirtschafts- politiken sehr direkt in eben diesen Währungen ausdrückt, bzw. b e d e u t e t mit einer schwachen Währung dem betreffenden Staat, daß er mit seiner Gestaltung der Staatsschuld einem soli- den Kreditwesen - mit dem es ja eh schon hapert - das Wasser ab- gräbt. Dollar! Das allgemein "verschlechterte Klima", der Skeptizismus den Staa- ten gegenüber, ist nun aber ausgerechnet bei den USA am allerwe- nigsten derart zu verdrehen, daß dieser Skeptizismus die staatli- che Wirtschaftspolitik für die Aufrüstung verunmöglichen wollte, könnte oder sollte - was ja die hiesigen Wirtschaftsbeobachter mit ziemlich leicht durchschaubarem nationalkonkurrenzlerischem Zungenschlag behaupten. Hier ist - umgekehrt zum "Normalen" ge- rade die massive, rücksichtslose Staatsverschuldung, also die Doppeltheit von gigantischer Rüstung (Weltherrschaft!) und radi- kaler Steuersenkung für die Kapitalisten (Kapitalherrschaft!), ein Gütezeichen. Denn darüber gibt's nicht viel nachzudenken: Der Dollar bleibt Weltgeld, egal wie ihn die US-Regierung aufbläht - das US Kapital ist das produktivste der Welt, erst recht, wenn ihm die Regierung bei Steuern und Lohnarbeit solch ungeheure Vor- teile verschafft. Die Unterüberschrift bei "Auslandskapital strömt in die Bundesrepublik" lautete: "Doch der Dollar gewinnt als Fluchtwährung in Krisenfällen." Da wird er immer gewinnen, weil die Krisenfälle nie ausbleiben, sei es nun das Attentat auf Sadat, sei es der Krieg gegen Libyen, sei es, daß Herr Mitterrand sich immer unbeliebter macht. Kurzum: "Haben wir damit nicht eine Traumkonstellation wie in den besten alten Zeiten? Die DM erstarkt auf den Devisenmärkten sichtlich - spektakulär gegenüber dem besonders wichtigen Dollar. Aus diesem Grunde müßten die ausländischen Anleger eigentlich auf unsere Währung springen. Dem ist aber zur Stunde bei weitem nicht so. Die vorsichtigen Schweizer Bankiers beispielsweise setzen noch lange nicht vorbehaltlos auf die Karte Bundesrepublik. Sie brin- gen die politischen Fakten ins Spiel, die in erster Linie für den Dollar sprechen und nicht für die DM." (Süddeutsche Zeitung, 14.10.) Eins wissen die Schweizer Bankiers allerdings auch: daß mit der DM mehr anzufangen ist als mit dem Franc oder der italienischen Lira; sie ziehen natürlich nicht ihr ganzes Geld in den USA zu- sammen, sondern nehmen - unter dem S c h u t z s c h i l d des Dollar - die diversen, fein nach jeweiliger Rangstellung der Staaten abgestuften Möglichkeiten der Geldanlage wahr. Wenngleich zwischen Geldkapitalist und Staat durchaus kein freundliches Verhältnis herrscht und insbesondere der Geldkapita- list den Staat argwöhnisch daraufhin beobachtet, ob er ihm nicht von einem Tag auf den anderen durch einfachen Federstrich - Zin- serhöhung/-senkung, Auf-/Abwertung - schwer eins reinwürgt, ist es nachgerade ein absurder und zutiefst apologetischer Glaube, ausgerechnet das Geldkapital würde der imperialistischen Staaten- welt in der Stunde der strahlenden Bewährung einen Strich durch die Rechnung machen - bloß weil es nicht dran "glaubt". Mag sein, daß sie dem einen oder anderen Staat gegenüber Zweifel hegen und dies durch entsprechende "Fluchtbewegungen" dokumentieren. Aber wo "flieht" denn das Geld dann hin? In die Sowjetunion? Wohl im- mer noch dahin, wo es sich die besseren Geschäfte verspricht. Übrigens hat Präsident Reagan seinen Baisse-Spekulanten nachgege- ben und damit zu einer deutlichen "Entkrampfung an der Börse" beigetragen. Er hat nämlich den "Schwierigkeiten" seines Budgets insofern Rechnung getragen, daß er es b e s t ä t i g t hat. Auf eine wunderbar ideologische Manier freilich: - Den Rüstungshaushalt hat er gekürzt: von geplanten 1,5 Billio- nen Dollar um genau 35 Milliarden, wobei natürlich die Antwort auf noch unbekannte "sowjetische Rüstungsherausforderungen" offen bleiben muß; - Die Steuersenkungen hat er zurückgenommen: indem er den "Endverbrauchern", also seinem gewöhnlichen Arbeitsvolk, noch hö- here Verbrauchssteuern aufbrummt. Die Börse hat es schon richtig verstanden. Er macht so weiter wie bisher. *** Die Aufwertung der DM --------------------- War sie nun gut oder schlecht? Also wenn man sich auf den Stand- punkt des Imports stellt, dann war sie gut, weil der Einkauf bil- liger wird, was unsere Zahlungsbilanz entlastet und die Inflati- onsrate drückt. Wenn man sich auf den Standpunkt des Exports stellt, dann war sie schlecht, weil der Export teurer wird, was umso schlimmer, weil dieser Export zur Zeit die "Stütze unseres konjunkturellen Aufschwungs" ist. Andererseits können die Expor- teure aber auch billigere Vorprodukte verarbeiten. Wenn es ihnen jedoch nicht mehr gelingt, ihre Waren im Ausland loszuschlagen, dann werden sie sich bei den inländischen Preisen schadlos halten müssen - das steigert die Inflationsrate. Andererseits bringen sie natürlich die nicht abgesetzte Warenmenge auf den inländi- schen Markt, erhöhen also das Angebot - das drückt die Preise. Es kann freilich auch sein, daß viele Exporteure schon gar nicht mehr exportieren, sondern ihre Produktionsstätte im Ausland ha- ben. Dann können sie jetzt dort mit der stärkeren Mark billiger einkaufen, was die Konjunktur bei uns stützt und die Inflations- rate senkt. Andererseits wollen sie vielleicht gar nicht mehr im Inland produzieren, was das Angebot verknappt und die Inflations- rate steigert. Für uns kleine Leute ist die Aufwertung ein "Wohlstandsgewinn", sagt Minister Matthöfer. Weil wir beim Sparhaushalt so brav mit- gemacht haben, können wir nun in Frankreich und Italien billiger Urlaub machen. Voraussetzung ist freilich, daß diese Länder das Signal verstehen und ihre Inflationsraten nicht weiter nach oben treiben lassen. Die Bundesregierung hat ihnen jetzt eine Möglich- keit eröffnet, dafür zu sorgen, daß sie nächstes Jahr ihre Preise nicht so sehr gesteigert haben werden, wie sie sie vielleicht hätten steigern können. Wenn sie es dennoch tun, dann war es trotzdem ein "Wohlstandsgewinn" - ein ideeller zumindest. Außer- dem hätte die Preissteigerungsrate ohne die Aufwertung vielleicht noch höher sein können. Hauptsächlich haben wir übrigens den Franzosen einen Gefallen ge- tan. Denen ihre Währung war ob der sozialistischen Experimente am wanken. Da sie unser Hauptexportmarkt sind, haben wir sie vom Druck deutscher Waren erst einmal entlastet. Gleichzeitig durften sie im EWS bleiben, womit festgestellt ist, daß sie immer noch in der EG sind - obwohl sie sich allmählich in acht nehmen müssen, denn allzu viele Belastungen können wir uns für ihre Force de frappe auch nicht zumuten. Die gute Tat hat natürlich auch einen unvermuteten Lohn: Die Auf- wertung stärkt das Vertrauen der internationalen Geldanleger in die DM und es fließt Geld, herein - das entlastet wiederum die Leistungsbilanz und ermöglicht uns, die Zinsen zu senken. Das, wenn der Herr Mitterrand versucht, wird sich in verstärktem Miß- trauen gegen seine Währung bemerkbar machen, und dann müssen wir wieder aufwerten. Und allzu viel Geduld mit sozialistischen Expe- rimenten kann man ja auch nicht haben, insbesondere dann nicht, wenn es immer zu Belastungen der eigenen Wirtschaft führt. Der kleine Mann wird außerdem offensichtlich um seinen Wohlstandsge- winn betrogen. zurück