Quelle: Archiv MG - BRD WIRTSCHAFTSPOLITIK ALLGEMEIN - Erfolgsrezepte einer Nation
zurück"HURRA, DIE PREISSTEIGERUNGSRATE IST GESUNKEN!"
Wie sagte doch Finanzminister Stoltenberg jüngst im Bundestag? "Konsolidierungspolitik ist im Ergebnis Stabilitäts-Politik. Sparbeschlüsse tun zunächst weh, aber alle Bürger können bereits heute positive heilsame Wirkungen unserer Sanierungsentscheidun- gen feststellen. Denn die einschneidendste Veränderung der letz- ten zwei Jahre ist der nachhaltige Rückgang der Inflationsrate von 5,4 Prozent im Sommer 1982 auf 1,7 Prozent". Im Klartext: 'Ihr seht, liebe Bürger, ein hartes Durchgreifen ist zwar notwendig, wenn Staat und Wirtschaft auf ihre Kosten kommen wollen, aber dafür habt ihr jetzt eine prima Entschädigung - die Teuerungsrate ist um 2/3 gefallen!' Die Vorteils-Nachteils-Rechnung, die unser mit sich rundum zu- friedener Finanzminister da auftischt, um beim Wahlvolk das re- spektvolle Urteil "Nicht schlecht!" einzusacken, ist nun aller- dings ein einziges Verbot für die von seiner "Konsolidierungspolitik" Betroffenen, einmal im Ernst nachzurech- nen, was s i e davon haben bzw. was i h n e n da beschert wird. Zöge ein Vertreter der Kategorie "abhängig Beschäftigte" nämlich vom Standpunkt seines Interesses Bilanz, dann käme er wohl kaum an einer Feindschaftserklärung gegenüber einer Politik vorbei, die ihn im Namen des "Aufschwungs" von Wirtschaft und Na- tion u.a. - auf einen Arbeitsdienst festnagelt, in dem er "flexibel" und - ohne jede Rücksicht auf die eigene Physis jeder Leistungsanforde- rung seiner Firma nachzukommen hat; - mit vielfältigsten Einschnitten in seine Gehaltstüte eindeckt, indem tarifliche "Nullrunden" und Steuer- sowie Abgabeerhöhungen aller Art auf der Tagesordnung stehen; - erst recht dann auf die Kunst der Entsagung verpflichtet, wenn der Aufschwung seines Brötchengebers Entlassungen "nötig" macht; - zusätzlich zu alledem mit jener Wirkung der stetig wachsenden Staatsverschuldung beglückt, die unter dem Namen Inflation seinen Geldbeutel noch extra schmälert... Und da sollen allen Ernstes ein paar Prozentpunkte Preis s t e i g e r u n g w e n i g e r sowas wie eine Entschä- digung bedeuten? Wirklich ein gelungener Scherz von Herrn Stol- tenberg! Im übrigen kann sich noch der naivste Zeitgenosse keinen großen Illusionen hingeben, jene vielzitierte Traummarke von "nur noch" 1,7% Preissteigerung wäre gleichbedeutend damit, daß es ihm nun um 3,7% billiger komme, wenn er sich seine paar Siebensachen be- sorgt. Auch ohne jede Ahnung davon, wie solch ein Durchschnitts- preisindex statistisch berechnet wird, dürfte auch jene Hausfrau aus Herne, der die "Bild"-Zeitung zur gesunkenen Teuerungsrate gratuliert hat, kaum auf die Vorstellung verfallen, sie sei eine lebendige Verkörperung jenes konstruierten "Durchschnitts- verbrauchers", - dazu kennt sie ihren täglichen Ärger beim Einkauf, beim Strompreis- und Mietezahlen etc. sicher zu gut. Erst recht braucht sie dafür nichts von dem professionell- zynischen "Realismus" der Preisindex-Konstruierer zu wissen, die ihren Berechnungen alle paar Jahre einen "neuen Durchschnittswa- renkorb" zugrundelegen - und zwar derart, daß die "Verbrau- chergewohnheiten", die a u f g r u n d diverser Preissteige- rungen zustandekommen (manches kauft man eben gar nicht mehr, anderes wird durch Billigheimer "substituiert", wider anderes muß man sich trotz allem weiter leisten), als korrigierter "Standard" angesetzt werden. Nein, Stoltenbergs Frohbotschaft mit Deuten auf jene imaginäre Zahl, kann nur den beeindrucken, der seinen Vorteil eh in den Wind geschrieben hat, der vor den praktischen Erpressungen sei- tens Kapital und Staat kapituliert hat, der deshalb auf eine "Entschädigung" höherer Art abfährt. Und die kriegt er in der Tat preistig geboten in dieser unserer Republik: als Nationalist darf er stolz sein - auf den Aufschwung "seiner" Wirtschaft - auf die Gewichtigkeit "seiner" Nation in der EG und anderswo, - auf den neuen Elan der Fußballnationalelf - usw. usf. Warum also nicht auch auf die gesunkene Inflationsrate, zumal wenn die viel höheren Prozentzahlen in anderen Ländern gleich mitdazugeliefert werden?! Und schließlich wird ja von oben Dank- barkeit verlangt. Dafür, daß dem Volk wenigstens ab und an neben allen Appellen zum "Notopfer"-Bringen - der Eindruck vermittelt wird, es selber wäre auch irgendwie beteiligt am Aufschwung der Nation. *** Bild ansehen Stabilitäts-Erfolge PREISBERUHIGUNG: In allen westlichen Industriestaaten ist die In- flation auf dem Rückzug, hat sich das Tempo des Preisanstiegs verlangsamt. Den größten Erfolg kann die Bundesrepublik vorwei- sen: ihre Teuerungsrate ermäßigte sich von 6,3 Prozent 1981 auf 1,6% Prozent im September 1984. Ein so niedriger Wert wurde zu- letzt vor 15 Jahren - im Februar 1969 - vom Statistischen Bundes- amt registriert. Damit sind die Deutschen Weltmeister der Stabi- lität. (SZ) zurück