Quelle: Archiv MG - BRD WIRTSCHAFTSPOLITIK ALLGEMEIN - Erfolgsrezepte einer Nation
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"Reinhard G. hebt 10000 Mark von seinem Sparkonto ab und kauft dafür bei seiner Bank US-Ford-Anleihen. Das bringt ihm jährlich statt 500 Mark sichere 1200 Mark Zinsen und außerdem noch höhere Kursgewinne ein. Mehr Anlagetips im neuen Capital. Das hat es noch nicht gegeben: Festverzinsliche Wertpapiere brin- gen weltweit Zinsen wie nie." (Anzeige der Zeitschrift "Capital") Reinhard G. braucht sich um das Weltgeschehen nicht groß zu küm- mern. Ihm genügt zu wissen, daß er ab jetzt in den USA 700 Mark mehr Zinsen machen kann - und zwar sicher. Das einzige, was ihn noch beunruhigen könnte, ist, daß er diese Zinsgarantie weltweit hat, daß er sich also umschauen muß, nicht einen Verlust dadurch zu machen, daß er noch günstigere Anlage anderwärts nicht recht- zeitig wahrnahm. Grundsätzlich gilt aber für seine 10000 Mark, daß sie sich in der ganzen Welt r i s i k o l o s und mit ga- rantierter Vermehrung tummeln können. Der fröhlichen Zuversicht des Kapitalanlegers stehen aufgeregte volkswirtschaftliche Debatten gegenüber. Dem staatlichen Beschluß des "Sparprogramms", auch "Konsolidierung der öffentlichen Haus- halte" genannt, folgen Erörterungen auf dem Fuß, die sich über Absicht und Wirkungen der neuen staatlichen Wirtschaftspolitik mit aller Macht nicht klar werden wollen oder können. Zunächst werden Widersprüche entdeckt, die die Wirtschaft angeblich in ih- ren Grundfesten erschüttern. Die geldpolitischen Maßnahmen seien mit den konjunkturpolitischen nicht in Übereinstimmung zu brin- gen; es gäbe einen krassen Gegensatz zwischen außenwirtschaftli- chen Erfordernissen und binnenwirtschaftlicher Lage, die Bundes- bank habe sich ganz doktrinär-einseitig auf die Seite des Geld- wertes und des Wechselkurses geschlagen und nehme nehme in Kauf, daß die deutsche Wirtschaft in die tiefste Rezession der Nach- kriegszeit stürze, die Bundesregierung mache, aus welch unver- ständlichen Gründen auch immer, unbedacht und willenlos mit - "Das Bonner Verständnis reflektiert wohl mehr die Unfähigkeit der Regierung, zu fundamentalen Fragen der Nation Entschlüsse zu- stande zu bringen, als eine Übereinstimmunq mit dem Doktor-Eisen- bart-Konzept der Bundesbank." (Wirtschaftsfachmann Prof. Walter im "Spiegel") -, und niemandem will bei Begutachtung der Frage, wie schmerzhaft denn nun die "Inflationsbekämpfung" für die Wirtschaft sein dürfe, auffallen, daß der Staat eine ökonomische Tatsache in die Landschaft gesetzt hat, die die altvertrauten Betrachtungsweisen und Ratschlag-Zettelkästen mit einem Schlag untauglich macht: E r will Geld in gigantischem Umfang a u s g e b e n, er v e r s c h u l d e t sich in dem dafür notwendigen Maße, er be- trachtet hohe Zinsen und sich steigernde Inflationsrate als damit in Kauf zu nehmende Begleiterscheinungen. Einen ersten Hinweis darauf, daß dies n i c h t den Ruin des Kapitals bedeutet, gibt uns Reinhard G. I Die USA erlassen einen politischen Auftrag an ihre Verbündeten: Die Maßstäbe der amerikanischen Aufrüstung sind als verbindlich zu betrachten. Wie dieser Auftrag ökonomisch zu bewältigen sei wird der Welt gleichzeitig mitgeteilt, nämlich durch die W i r k u n g e n der amerikanischen Wirtschaftspolitik. Verteidigungsminister Apel fährt in die USA, um die "Eckdaten" seines Haushaltes zu erfahren. Er tritt offensiv auf und verweist darauf, 1. daß die BRD schon erhebliche Rüstungsanstrengungen un- ternommen habe, 2. daß die BRD von sich aus ein paar Vorschläge parat hätte, wie dem großen Verbündeten Militärlasten abzunehmen seien, 3. daß er es begrüßen würde, genauer zu erfahren, wieviel er darüber hinaus ausgeben soll. Die USA erklären ihm, er habe recht getan; wieviel noch aufzu- bringen sei, wisse man noch nicht genau, auf jeden Fall noch reichlich. Im Kabinett teilt Apel mit, daß an eine Begrenzung der Staatsschuld im Sinne eines abschließenden Haushalts noch nicht zu denken sei, weitere Möglichkeiten der Neuverschuldung seien zu erkunden und auszuschöpfen. Wirtschafts- und Finanzminister sowie der anwesende Bundesbank- präsident verweisen darauf, daß dem Einfallsreichtum in dieser Frage Grenzen gesetzt seien: Die bundesrepublikanische Wirtschaft befinde sich in weltweiter Abhängigkeit, sie habe insbesondere auf die Relation der DM zum Dollar zu achten. Orientierung am amerikanischen Zinsniveau sei unerläßlich, wenn der Kapitalabfluß aus der BRD gestoppt und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft gewährleistet werden soll. II "Bündnistreue" heißt für die BRD nicht nur, dem westlichen Zweck bedingungslos nach zukommen; es verbietet sich auch, an den Maß- nahmen, die die USA als dafür notwendige wirtschaftliche Voraus- setzungen erachten, Kritik zu üben. Wofür ist man denn Welthan- delsmacht Nr. 2, wenn sich die "Belastungen" nicht in einen l o h n e n d e n Test auf die "Belastbarkeit" der deutschen Ökonomie umwandeln lassen? Die kurze Periode des Jammerns und der Nörgelei an den amerikani- schen Wirtschaftsvorschriften ist vorbei. Gegen die "weltweite Abhängigkeit" und die "Zwänge, denen die deutsche Wirtschaft aus- gesetzt ist", hält die Regierung, daß die USA aufs Kapital ge- setzt haben, somit also das eigene Kapital vor einer "Herausforderung" steht, die man zu benützen gedenkt. Der alte Witz der imperialistischen B e t e i l i g u n g, daß man näm- lich für nichts verantwortlich sei, wenn man die Anordnungen sehr verantwortlich und selbstbewußt ausführt, trägt wirtschaftspoli- tische Früchte: Wenn Wirtschaft heutzutage so geht, dann machen wir das eben auch so und verpflichten unser Kapital darauf, daß es mit diesen neuen Bedingungen nicht nur zurechtkommt, sondern daß sich ihm neue Sphären der Geschäftemacherei erschließen. "Wir sehen die konjunkturellen Risiken" (Bundesbankpräsident Pöhl). Alle anderen Länder werden ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die BRD es jetzt so machen will, also auf ihre Wirtschaftskraft setzt, was eine Warnung davor einschließt, sich diesem Vergleich per Anstrengung des Kapitals mit unlauteren Mitteln zu entziehen. In der bedingungslosen Gefolgschaft zu den USA macht die BRD al- len anderen imperialistischen Nationen deutlich, daß es ange- sichts solch geballter Weltwirtschaftßmacht kein Auskommen gibt, macht also in altbewährter Manier aus der "Ohnmacht" der Gefolg- schaft wieder eine Waffe in der Durchsetzung gegen andere - geän- dert haben sich nur die Umstände. III Springpunkt der neuen Wirtschaftspolitik ist: W i e beschafft sich der Staat das Geld? Mit der Entscheidung "Nicht mit der No- tenpresse!" ist das Wesentliche schon gesagt - der Staat wendet sich an die p r i v a t e n Kapitalstöcke, tritt als konkurrie- render Leiher an den Geldmärkten auf. Inflation als Folge einer L o s l ö s u n g der staatlichen Geldbeschaffung vom Kapital- markt, in dem sich - in welch versteckter Form auch immer - die Akkumulation des wirklichen Reichtums ausdrückt, betrachtet er als untaugliches Mittel für die Lösung seiner "Finanzprobleme". Die Geldmärkte sind "angespannt". Daß der Dollar das Weltgeld ist, ihm infolge der dahinterstehenden wirtschaftlichen und poli- tischen Macht das "Vertrauen" der Geldhändler in aller Welt ge- hört, daß somit die hohen amerikanischen Zinsen ohne Bedenken zu d e m Kriterium für die spekulative Anlage erhoben werden, macht sich bemerkbar als Kapitalabfluß aus der BRD. Den amerikanischen "Zinssog" will die deutsche Geldpolitik, voller Respekt vor der Freiheit ihrer Geldbesitzer und den Regeln eines kapitalistischen Kreditmarkts, nur durch noch h ö h e r e Z i n s e n konterka- rieren. Der Staat wirft A n l e i h e n auf den Markt, die in Laufzeit, Zinshöhe und Rückkaufmodi immer um eine Kleinigkeit besser sind als vergleichbare Papiere. D i e s e Vermehrung der Geldmenge ist inflationsbewußt inso- fern, als sie durch das Ansteigen der Zinsen dem leichtfertigen Gebrauch damit zugleich Schranken setzt. Geldkredit ist zwar aus- reichend vorhanden per Rediskont der Staatspapiere bei der Deut- schen Bundesbank durch die Banken -, aber nur für den, der es sich leisten kann, also entsprechenden wirtschaftlichen Erfolg und nicht bloß zunehmendes Verschuldungsbedürfnis ("Kredit- finanzierung") aufzuweisen hat. Die Aufpasser darauf sind die Banken, besteht doch darin ihr Geschäftsinteresse. "Pöhl: Wir können die Geld- und Kreditpolitik nicht losgelöst von den außenwirtschaftlichen Zusammenhängen betreiben. Die hohen Zinsen in der Bundesrepublik, jedenfalls hoch gemessen an unserer Inflationsrate und gemessen an der konjunkturellen Situation, sind die Konsequenz aus der außenwirtschaftlichen Lage, des großen Defizits in der Leistungsbilanz und die Konsequenz der großen Haushaltsdefizite der öffentlichen Hände. Wir können als Notenbank nicht niedrigere Zinsen verordnen. Wir haben lange Zeit versucht, dieser Konsequenz auszuweichen. Beispielsweise haben wir seit Anfang 1980 den Banken und der Wirtschaft nicht weniger als 45 Milliarden Mark zur Verfügung gestellt, also die Devisen- abflüsse mehr als kompensiert. Das Ergebnis war das niedrigste Zinsniveau aller Industrieländer, außer der Schweiz. Der Vorwurf, wir hätten eine nur außenwirtschaftlich orientierte Hochzinspoli- tik betrieben, ist objektiv falsch." Wirtschaftswoche Nr. 14 27.3.1981 Zusatz 1: Ideologisches Aus der Unzahl ideologischer Varianten, das gedeihliche Zusammen- wirken von Staat(sbank) und Geschäftsbanken möglichst unbegreif- lich zu machen, sei herausgegriffen die Klage einer Reihe von SPD-Abgeordneten über die nun stattfindende "Umverteilung". Wie es sich gehört, vergleichen sie die staatlichen Maßnahmen mit Ih- ren Regierungsidealen und stellen fest, daß die Zinspolitik dem breiten Volk wenig zuträglich ist. Warum aber? Weil die Banken jetzt noch mehr Wertpapiere hätten, noch mehr Zinsen einstreichen könnten, die staatliche Politik somit noch mehr in den Griff be- kämen. Womit sie beim harten Kern ihrer Argumentation sind, näm- lich beim Übergang von der Gerechtigkeitsjammerei zur Sorge, ob der Staat denn wirklich ganz ungehindert machen könne, was er wolle. So kann man sich als linker Sozialdemokrat mit faschisti- schen Sprüchen von der "Macht der Banken" (raffendes Kapital!) für die gelungene Durchsetzung demokratischer Kriegswirtschaft stark machen. Zusatz 2: Schwierigkeiten der "Feinabstimmung" Das Zusammenfallen von Steuertermin und Mindestreserve-Vorzeige- termin für die Banken bei der Bundesbank - das Geld ist zwar längst verliehen, muß aber vierteljährlich als tatsächlich vor- handen leibhaftig präsentiert werden, wofür sich die Banken kurz- fristig untereinander verschulden - führte zu einer scharfen Geldklemme; die Banken knöpften sich untereinander bis zu 30% Ta- gesgeld ab. Die Bundesbank milderte dies per Sonderlombard auf 13% herunter und stellte in Aussicht, künftig auftretende Liqui- ditätsschwiengkeiten bei hohem Zinsniveau durch dieses "Fenster" auszugleichen, ließ sich aber auf keine Versprechungen hinsicht- tich Details ein. Grund für die Banken zur Zufriedenheit und zur beredten Klage: "Aussetzung des Lombard-Satzes, dafür eventuell Gewährung eines Sonderlombards zu vorher nicht bekannten Zinssätzen und für eine jeweils nicht fixierte Dauer... stärker kann man einen Markt nicht verunsichern. Wenn es notwendig war, die deutschen Zins- sätze noch einmal zu erhöhen, und an dieser Notwendigkeit zweifle ich" (Hackl, Vorstandssprecher der Bayer. Vereinsbank) "nicht, so gibt es dazu sicherlich auch andere Wege als ausgerechnet den, den Bankengeldmarkt in totale Orientierungslosigkeit zu entlassen und an den Rand der Funktionsunfähigkeit (?) zu bringen... Offensichtllch hat die Bundesbank inzwischen selbst gesehen, daß ein Geldmarkt ohne jede (?) Orientierung nicht funktionieren kann. Dies erklärt, daß nun für über zwei Wochen der Sonderlom- bard zum Satz von 12% offengehalten wurde, dieser Satz also eine Art Kompaßfunktion bekommt." Es ist kein Zufall, daß die Bundesbank sich den Son- der l o m b a r d als Zentralinstrument ausgesucht hat, ist doch in der Verpfändung von Wertpapieren die dem Interesse der Banken entsprechende Zirkulation der S t a a t s papiere gewährlei- stet... IV Diese Geld- und Kreditpolitik orientiert sich nicht an der Kon- junktur. Nicht länger dient der Staat seiner Wirtschaft derart, daß er durch dem Wirtschaftsverlauf entsprechendes Fördern und Bremsen die Entwicklung des nationalen Reichtums dahingehend zu gestalten sucht, daß ihm über die Steuern eine entsprechend große Portion davon wieder in die Taschen fließt. Vielmehr sorgt er, indem er seinen Zweck der Geldbeschaffung für seine "unabweisbaren" Konsumbedürfnisse voraussetzt, dafür, daß der Krisenzyklus ab sofort keine Rolle mehr spielt. "Booms" und "Krisen" gibt es nach Maßgabe seiner Zwecke. Dies ist nicht das Ende des Kapitalismus es ist seine rigorose Benutzung als Mittel für die Gewalt, die ihn zusammenhält. Der abstrakte Satz, daß Kapitalismus undenkbar ist ohne seine gewalt- same Absicherung, wird nun sehr handgreiflich umgekehrt, wenn nämlich der Staat erklärt, daß es ihm auf die wirtschaftlichen Institutionen nur noch so ankommt, daß sie ihm in der Durchfüh- rung seiner Zwecke behilflich sind. In "gewöhnlichen Zeiten" wird die Abtrennung der Kreditakkumula- tion von der Akkumulation des wirklichen Reichtums periodisch durch Entwertung der Kapitale, die die entsprechende Profitabili- tät nicht erbrachten, auf ihre reale Grundlage zurückgeführt, und Aufschwung auf neuer Stufe der Produktivität stellt sich ein. In "gewöhnlichen Zeiten" richtet der Staat seine Kreditakkumulation an den "Erfordernissen der Wirtschaft" aus und gibt Kredite unter dem Gesichtspunkt heraus, daß sie Wirtschaftswachstum befördern und seine Kasse nicht nur um die aufgenommene Schuld, sondern auch um ein Mehr an Steuern und sonstigen Einnahmen bereichern mögen. Dagegen ist nun beschlossen, daß sich die staatliche Kre- ditbeschaffung von den Sorgen und Nöten der Wirtschaft nur sehr bedingt imponieren läßt und den Zweck der Aufrüstung unbeirrt verfolgt. Das Geld, das er sich beschafft, ist weg - in dem Mo- ment, wo sich die "konsumptiven Ausgaben" (und um die handelt es sich nur noch) in Kriegsmaterial verwandelt haben. Dieses Geld, wie auch die damit in Bewegung gesetzte Arbeit, wie auch der da- mit geschaffene Mehrwert, sind der weiteren Akkumulation entzo- gen. Dies braucht die Kapitalisten freilich nicht zu kümmern. Zwar ist gerade dieses Geld vom Staat in Beschlag genommen, was aber noch lange nicht heißt, sie könnten nicht jederzeit an den - vom Staat in reichlichem Maße geschaffenen - K r e d i t kommen, sofern sie ihn sich verdienen. Daß der Staat ein neues Verhältnis zu ih- nen eingeht, heißt ja nicht, sie wären nun die Würstchen der Na- tion: sie haben sich u m z u s t e l l e n. Der Staat seinerseits muß sich das Problem machen, wie die von ihm herausgegebenen Zettel nicht einfach nur als Lückenbüßer, sondern mit gehöriger "Vertrauenswürdigkeit" versehen in den "Wirtschaftskreislauf" eintreten - wären sie nämlich als nur Lüc- kenbüßer erkenntlich, würden sie auch gleich nicht mehr recht funktionieren wollen. Hochwillkommen darum Kapitalzufluß aus fer- nen Ländern. Daran ist dem Staat für seine Beanspruchung des Na- tionalkredits sehr gelegen, sei es in der indirekten Wirkung, daß "Entspannung" des heimischen Kapitalmarkts ihm (zins)günstigeren Zugriff verschafft, oder sei es auf direktem Weg als 10 Mrd.-An- leihe beim "Petro-Dollar". Dieser wird schon wissen, wie er die "politische und wirtschaftliche Stabilität der BRD" einzuschätzen hat. V Genau auf diese Einschätzung hat der Staat es im verantwortungs- bewußten Umgang mit der von ihm ins Werk gesetzten Inflationsrate abgesehen. In der Art, wie er sehr sorgsam seine Anleihen beim Finanzkapital macht, gibt er zu erkennen, daß es ihm auf die Aus- nutzung der in der relativ niedrigen Inflationsrate sich ausdrüc- kenden Produktivität des Kapitals ankommt. Der Vorteil, daß das Kapital seinen Profit bei relativ langsam steigenden Preisen, also bei g e m ä ß i g t e r Ausdehnung des Nationalkredits macht, ist nicht leichtfertig durch unkontrollierte Aufblähung der Staatsschuld zu verschenken. Die reale Akkumulation bleibt auch insofern die Grundlage der staatlichen Kreditpolitik, als sie sich für Einsparungen bei der "Geldschöpfung" nützlich macht. Je mehr Produktives sie zustande bringt, umso reibungsloser gelingt die Finanzierung über die Ka- pitalmärkte - nicht zuletzt über die ausländischen. Schon hierin liegt unmittelbar ein Moment des Vergleiches zwischen den Staa- ten, die - bei Erfüllung des gemeinsamen Zwecks - ihre Ökonomien unter dem Gesichtspunkt betrachten, wie sie ihnen Zugriff auf fremden Nationalkredit eröffnen. Immer noch sind es ja die Ban- ker, die das laufend neu in die Welt gesetzte Zeug verwalten und sich nach ihren eingefleischten Geschäftskriterien entscheiden, wohin sie die "Kapitalströme" lenken wollen. Und für die zählt eine hohe Kapitalproduktivität noch allemal zu den überzeugend- sten Argumenten. Die Kunst der Wirtschaftspolitik für die Sicherung des nationalen Kreditwesens besteht darin, weder die produktive Abteilung der Wirtschaft solchen Belastungen auszusetzen, daß sie ihren Beitrag für das gebremste Wachstum der Schuldenakkumulation infolge Rui- nierung nicht mehr leisten kann, noch die Zins- und Geldmen- genentwicklung sich "aus der Hand gleiten zu lassen", so daß der ungehinderte Zugang zu fiktivem Kapital dieses "unkontrolliert" aufbläht und die Anzahl der schwindelhaften, d.h. rein spekulati- ven Kreditgeschäfte sprunghaft steigert. Die vom Staat betriebene Abtrennung der Akkumulation von Geldersatzzetteln und Geldver- sprechen von der wirklichen Akkumulation hat sich im handfesten Wirtschaftsgeschehen so durchzusetzen, daß nur demjenigen Zugang zum - dann allerdings reichlich vorhandenen - Kredit und zur Er- weiterung des Geschäfts winkt, der die entsprechenden produktiven Leistungen erbringt. Das Versprechen von im Weltvergleich relativ niedrigen Zinsen ist also gekoppelt an die "Aufforderung", die Inflationsrate durch innerbetriebliche Maßnahmen niedrig zu hal- ten, nicht weil dies den Geldbeutel der Käufer schont, sondern weil dies der weltweiten Anerkennung des deutschen Nationalkre- dits zugute kommt. Weitere Vorteile, wie stabiler Wechselkurs, verbilligter Import und vermehrter Export sind dann nicht auszu- schließen. VI Daß die Inpflichtnahme des Kapitals keinen Zwang darstellt, son- dern nur eine Weiterentwicklung des Verhältnisses zwischen Garant und Promotor nationaler Größe, ist unmittelbar ersichtlich an der Stellung des Staates zu einer Abteilung Kapitalisten, der er das erste und massivste A n g e b o t macht - der Rüstungsindu- strie. Die Abnahme der Produkte und damit die Realisierung des Profits ist ihr garantiert - womit nicht nur ihr, sondern auch anderen großen Bereichen der Wirtschaft ein Teil der vom Staat aufgenom- menen Gelder zugeflossen wäre. Freilich nimmt der Staat auch die- ser Abteilung gegenüber nicht die Haltung des Verschenkens ein, sondern mißt sie an seinem Zweck, die notwendigen Ausgaben mög- lichst billig und unter möglichster Schonung seines Nationalkre- dits zu erledigen. Und das ist erreicht, wenn es gelingt, die Produkte dieser Branche des absolut unproduktiven Staatskonsums in möglichst großer Menge an a u s l ä n d i s c h e Souveräne zu verscherbeln! So zieht dieser Sektor fremden Reichtum ins Land und verringert die Unkosten, die der eigene Staat ihm vergüten muß. Eine intakte Rüstungsindustrie wird daher vom Staat mög- lichst effizient gestaltet, auf höchstes technisches Niveau ge- bracht, auf daß sie zur Exportindustrie wird und auf diese Art - Profit des Rüstungskapitals = Verminderung des Rüstungsaufwands - den Staat bei seinen "Sparmaßnahmen" unterstützt. Die deutschen Rüstungsindustriellen haben die Botschaft verstanden, das Geld genommen, die Investitionen getätigt und die Fusion vollzogen, so daß man "heutzutage auf der ganzen Welt anerkennend über die Qua- lität und Preiswürdigkeit deutscher Waffenproduktion spricht ". VII Für die übrigen Kapitalisten ist mittlerweile ebenfalls geklärt, daß auf die wirtschaftspolitischen Absichtserklärungen Verlaß ist: Auf höheren Zins ist genauso sicher zu rechnen wie auf die Chance, durch Ausnützung der angeheizten Inflation dessen nega- tive Wirkungen (über-)kompensieren zu können. Nicht nur der spe- kulative Geldhändler hat Gewißheit über die Entwicklung von Zins, Wechselkurs und Inflation - Schwankungen selbstverständlich nicht ausgeschlossen, was aber nichts daran ändert, daß eine Reihe von "Unsicherheiten" entfällt -, sondern auch das industrielle Kapi- tal weiß um diese Größen als garantierte Geschäftsbedingungen. Nun ist es kein Spaß, sich auf beständig hohe Kreditkosten und laufend verteuerte Beschaffung von Maschinerie und Rohstoff in der Frage der Arbeitsbeschaffung besteht ja ein "erleichterndes Moment" - einstellen zu müssen, was umgekehrt nicht bedeutet, es ließe sich nichts daraus machen. Wenn der Staat sich der kapita- listischen Akkumulation als Mittel seines unproduktiven Finanzbe- darfs bedient, bedeutet das für den ökonomischen Alltag, daß des- sen Gesetzmäßigkeiten nicht nur weiterhin gelten, sondern um ei- nige Einschränkungen erleichtert sind: Unterbietung des Konkurrenten durch Senkung der Stückkosten, da- für Erweiterung/Produktivitätssteigerung und vermehrter Ausstoß, relative Senkung (die zwischenzeitlich auch als absolute auf- tritt) des Anteils der Lohnkosten gemessen am Fixkostenanteil. Daß die Preise steigen bzw. gesteigert werden, setzt nicht außer Kraft, daß jeder einzelne Kapitalist unter dem Marktpreis anzu- bieten versucht, um somit seinen Umsatz zu steigern. Denn für alle steigen nun die Zinsen, die einen Fixkostenanteil ausmachen; für alle erhöhen sich die Einkaufspreise; für alle ist die Preis- steigerungsmöglichkeit im Verkauf a u f D a u e r immer si- chere Aussicht. Ein erstes betriebswirtschaftliches Gesetz macht sich nun sehr angenehm bemerkbar, daß nämlich Schulden durch Inflation immer billiger werden. Ein heute aufgenommener Kredit, je langfristi- ger, umso besser, ist bei fest einkalkulierter Inflation bei der Rückzahlung um eben die Inflationsrate billiger geworden -- so- fern es dem Unternehmer gelingt, die Inflation auf der Ertrags- seite zu Buche schlagen zu lassen. Ein zweites betriebswirt- schaftliches Gesetz gibt den nächsten Stachel ab: Die Alternati- ven des Unternehmers, zu welchem Wert er seine Abschreibungen vornehmen will, sind zur Zeit eindeutig entschieden - die geläu- fige Abschreibung zum Anschaffungswert weicht der Abschreibung zum Tageswert, was Überwälzung höherer Kostensumme in den Ver- kaufspreis einschließt. Der Tageswert ist zum einen einzusetzen, weil kein Rückgang der Einkaufspreise abzusehen, zum anderen repräsentiert er immer grö- ßere Preissummen. Diese rein rechnerische, nur über den Preis vollzogene Entwertung des Kapitals, die aber nun, da staatlich gesetzt, ausschließlich gilt - in den USA noch durch zusätzliche Abschreibungsgesetze und daraus sich ergebender Steuererleichte- rung unterstützt -, diese Entwertung des Kapitals inclusive der Entwertung der Kreditaufnahme inclusive des (wie immer gegebenen) Konkurrenzzwanges führt zu einer eindeutigen Entscheidung: Inve- stieren, rationalisieren, weitere Senkung der Stückkosten, sozu- sagen dem Zins mit der Inflation und der Inflation mit der Pro- duktivitätssteigerung ein Schnippchen schlagen, all dies bei gün- stigen Verkaufsaussichten! - all dies aber auch nur für den, der sich das leisten kann, der die entsprechende Fremdkapitalaufnahme zustandekriegt, der die Aussichten auf den Verkaufserfolg auch wirklich belegen kann. So erfüllen die Kapitale den nationalen Auftrag, i n d e m sie sich in der Konkurrenz wechselseitig aussortieren, indem sie die Steigerung der Produktivkräfte und der Akkumulation, durch die staatlichen "Daten" angestachelt, vorantreiben. "Trotz Rezession setzt man auf Investition. Bei der offenkundigen Wachstumsschwäche und der weiter schrump- fenden Auslastung der Produktionskapazitäten überrascht die ver- gleichsweise 'stabile Investitionsneigung' deutscher Unternehmer. F r ü h e r reagierte man... auf einen Produktionsrückgang mit einer merklich verringerten Investitionstätigkeit..." "Kreditreform erwartet heuer eine neue Pleitewelle. Die wachsende Insolvenzanfälligkeit zeigt sich nach Beobachtungen der Auskunftei auch im verschlechterten Zahlungsverhalten der Un- ternehmer. 1980 wurde fast jede vierte zur Bonitätsprüfung einge- reichte Kreditanfrage negativ beantwortet." Die wegfallenden "Einschränkungen" sind nichts anderes als die Rücksichtnahmen verschiedenster Art - sei es in der Kreditbe- schaffung, sei es in der Investitionsplanung - auf den Konjunk- turzyklus. Der ist ja ab sofort außer Kraft, wenngleich Krise reichlich vorhanden. Der tendentielle Fall der Profitrate findet im übrigen auch sehr massiv statt - bloß läßt der Staat seine "üblichen" konjunkturellen Wirkungen nicht gelten. Zusatz 3: Konkurrenztechniken Um dies noch einmal am Beispiel der "Finanzierung aus Abschrei- bung" zu illustrieren Der Kapitalist nimmt die periodisch errech- nete Abschreibungssumme nicht als einen Fonds, den er für den Er- satz der Maschinerie aufzuheben hat, sondern benutzt diese rech- nerische Summe für die Investition. Unterstützt wird er in dieser Vorstellung durch die Tatsache, daß die marktmäßige Bewegung der Preise diesem Fonds einen ganz anderen Größenausdruck gibt als die ursprünglich vorgeschossene Wertsumme. Ersatz des Ver- schleißes und Neuinvestition (die logisch betrachtet selbstver- ständlich zusätzlicher Mittel aus Gewinn oder Kredit bedarf, was aber in der kruden Einerleiheit kapitalistischer Rechnungsweise sich immer erst im Nachhinein herausstellt) vermischen sich also untrennbar. Diesen Fonds tatsächlich als Investitionssumme einzu- setzen, unterstellt einerseits den tatsächlichon Rückfluß des Ab- schreibungsbestandteiles im Verkaufspreis, andererseits erhöht sich der Fonds mit zunehmender Inflation und Übergang zur Tages- wertabschreibung. Weiterhin gilt aber, daß bei zunehmender Stei- gerung der Verkaufspreise r e l a t i v e P r e i s s e n- k u n g gegenüber den Konkurrenten vordringlichstes Gebot ist. Hier entstehen zwei gegensätzliche Wirkungen: - Der Rückfluß ist g e f ä h r d e t durch das Anschwellen des Verkaufspreises infolge gesteigerter Überwälzung von Abschrei- bungskosten. - Der Rückfluß ist g a r a n t i e r t durch "Nichtbeachtung" dieser eigentlich notwendigen Preissteigerung, also relativen Ko- stensenkung gegen den Konkurrenten. Schluß daraus: Der Preisverlust pro Stück (NichtÜbertragung der gesteigerten Abschreibung) ist zu (über-)kompensieren durch die gesteigerte Masse der konkurrenzgünstigeren Stücke. Fazit: Das Anschwellen des Investitionsfonds aus Tageswert-Ab- schreibungen ist geltend zu machen gegen das rückflußgefährdende Anschwellen des Verkaufspreises und kann sich zugleich verlassen auf die insgesamt natürlich stattfindende absolute Preissteige- rung. Ein weiteres Mal: Rationalisierung, Produktivitätssteige- rung. VIII Während der US-Staat diesen Boom sehr freihändig ins Werk setzt und sich dabei der Solidität seines Nationalkredits - dem Welt- geld! - sowie der Übermacht seiner Ökonomie sicher sein kann, müssen die imperialistischen Staaten 2. Ordnung andere Vorkehrun- gen zur Erreichung des Klassenziels treffen. Dazu gehört das be- sondere Augenmerk auf die Vertrauenswürdigkeit der eigenen Wäh- rung ebenso wie die Begutachtung der eigenen Ökonomie hinsicht- lich ihrer Leistung eben dafür. Doch wie gesagt: geschehen soll dies alles nach den Gesetzen der Konkurrenz, Bewährung hat auf dem Weltmarkt zu geschehen. Die ersten Unterscheidungen der Opfer, die gemäß dem amerikani- schen Beschluß zu erbringen sind, ergeben sich schon aus Unter- schieden im bislang erreichten Stand der Akkumulation. Es ist doch was ganz anderes, ob man - wie zum Beispiel Großbritannien - seine Ökonomie per "monetaristischer Anti-Inflationspolitik" erst einmal auf Vordermann zu bringen hat, oder ob man - wie zum Bei- spiel die BRD - seinem Kapital in der Zinsfrage eine Schonfrist einräumen kann: letzteres zeigt sich darin, daß es einige Zeit dauerte, bis die Bundesbank sich dem amerikanischen "Zinssog" an- bequemte; sie war also imstande, durch entsprechenden Gebrauch der früher erwirtschafteten Devisenreserven lange genug Wechsel- kursstabilisierung zu betreiben, damit wiederum einen allmähli- chen Übergang zum höheren Zinsniveau einzuleiten - ein Zinsni- veau, das im übrigen immer noch vergleichsweise niedrig ist -, ohne an mangelndem Kapitalzuluß zu leiden. Die erreichte Leistungskraft der bundesdeutschen Wirtschaft ist anderen kapitalistischen Staaten Anlaß für Schutzmaßnahmen mit dem Ziel, die Konkurrenzvorteile des westdeutschen Kapitals im eigenen Lande nicht gelten zu lassen. So etwas behandelt der BRD- Staat nicht länger als Hemmnisse, mit denen sein Kapital - bei wohlwollender Unterstützung der heimischen Akkumulation selbst fertig zu werden hat, vielmehr betrachtet er, gerade angesichts des Wegfalls der heimischen Unterstützung, diese auswärtigen Maß- nahmen als S t ö r u n g. Gegen diese macht er seinen p o l i t i s c h e n Einluß geltend: - Den Japanern wird erklärt, daß sie schlecht aussehen würden, gälten hier dieselben protektionistischen Regelungen wie auf dem japanischen Markt gegen deutsche Erzeugnisse. Es wirft ein Licht auf die Position der deutschen Ökonomie ("unter japanischem Wett- bewerbsdruck"), daß der Staat im Unterschied zu seinen europäi- schen Kollegen mit der A n d r o h u n g solcher Maßnahmen bei den Japanern Punkte machen kann. - In der EG hört sich ein bislang gepflegter und einträglicher Idealismus auf, der da hieß: Für den Bestand der Gemeinschaft leisten wir uns auch zusätzliche Beiträge, ohne auf den unmittel- baren Ertrag zu schauen. Daß für die BRD der hervorstechendste Nießbrauch der EG sich paarte mit dem demonstrativsten Idealismus obiger Art, daß also sie sich Belastungen durch die EG leistete, weil sie am meisten davon profitierte, "berechtigt" sie nun, sich klagend und eiskalt zugleich an die Partner zu wenden: Die Zeiten der Zugeständnisse sind vorbei, man will aus den Kosten nun un- mittelbar Vorteile herausspringen sehen. Dieser Haltung befleißi- gen sich aufgrund der vielen angespannten Haushaltslagen alle eu- ropäischen Staatenchefs - aber der offensive Verzicht auf den EG- Idealismus zahlt sich für den am meisten aus, der zuvor aus die- sem Staatenbündnis den meisten Nutzen zog. Die BRD kann den di- versen Erpressungsversuchen allemal am besten standhalten und sie auf den "Erpresser" zurückfallen lassen: für den wird sich der Verlust einiger bisheriger gemeinsamer Vorteile der EG schmerzli- cher bemerkbar machen. Daß sich der Bundeskanzlei anläßlich des Fischereistreits damit zufrieden gab, eine "sehr enttäuschte Haltung" herauszukehren, und bloß ein bißchen mit dem Beitragsknüppel gen England winkte - immerhin haben "wir" denen ihren Eintrittspreis im letzten Jahr zum Teil bezahlt -, heißt weder, daß die Fischfrage damit endgül- tig vom Tisch wäre, noch daß es wirklich auf sie ankommt: dieser recht kleine Industriezweig war Auftakt und Testfall für einige sehr spannende Auseinandersetzungen beim Regionalfonds, in der "Neuordnung" der Stahlindustrie, bei der Regelung der Agrar- preise... Dabei häufen sich die Verdächtigungen des je anderen, er meinte es nicht mehr ernst mit der EG: Man selber wäre ja sehr dafür, wenn nicht immer wieder Zeichen der Desolidarisierung festzustellen wären. Es ist also kein Widerspruch, daß jeder Staatschef laufend Bekenntnisse zur EG ablegt, die keine Lippen- bekenntnisse sind, da er um ihre Vorteile sehr wohl weiß, daß an- dererseits um des ökonomischen Vorteils willen der "Bestand der Gemeinschaft" tatsächlich aufs Spiel gesetzt wird. (Eine Hoffnung kann man sich leider nicht machen: daß die NATO darüber platzt.) IX Während die Zeitungen voll davon sind, welche Heldentaten der Staat auf auswärtigen Gebieten für die Sicherung der deutschen Wirtschaft vollbringt und welche Hindemnse ihm da entgegenstehen, sind die Nachrichten über die innere Durchsetzung des "Sparprogramms" spärlich und lapidar. Sie beschränken sich noch jedesmal darauf, mitzuteilen, daß irgendeine Masche des "sozialen Netzes" gefallen ist oder einer diesbezüglichen Erwägung unterzo- gen wird; hin und wieder gibt es auch neuentdeckte "Gerechtigkeiten", die auf ordentlich faschistische Art feststel- len, daß manche von den schon Abgehalfterten es noch zu gut ha- ben, d.h. dafür, daß sie gar nicht "verdient" haben, noch viel zu viel bekommen - die Besteuerung der Arbeitslosen ist in Sicht und die neuerliche Reform des Rentenwesens ist voll im Gange. Mit dem DGB ist eine Gewerkschaft vorhanden, die den noch nicht Abgehalf- terten den "volkswirtschaftlich verträglichen" Lohn ganz freiwil- lig verschafft, somit auch dem Staat "Druck auf der Kostenseite" abnimmt. Nicht, daß am Volk nicht immer gespart würde, nicht, daß Ausgaben nicht immer nach Maßgabe ausdauernder Nützlichkeit beurteilt wür- den - neu ist aber, daß die Schröpferei ohne den geringsten An- klang von Begründung über die Bühne geht, es sei denn die einfa- che, daß der Staat dieses Geld für sich reklamiert, weil er es w i l l. Neu ist auch, daß, offen verkündet, auf gewisse Teile der nationalen Arbeitskraft verzichtet wird, ihnen also künftige staatliche Nichtbeachtung gewiß ist. Die Nonchalance, mit der der Staat sein Programm im Lande durchzieht, enthält die ganze trau- rige Wahrheit: Die feste Verankerung der BRD-Grundlagenideologie "Uns geht's zu gut" in den Köpfen der Massen erlaubt dem Staat, ein an und für sich Unmögliches praktisch wahr zu machen - die Bestreitung der lebensnotwendigen Mittel Dabei setzt er seine mannigfaltigen Schrauben zweckvollerweise immer dort an, vao der Mensch nicht umhin kann, sein Scherflein abzuliefern: Benzin, Schnaps, Verkehrstarife; an sozialen Einrichtungen, Sparförderung etc. wird tatsächtich gespart. An den Mietsteigerungen ist der Staat natürlich nicht beteiligt, überläßt er diesen Markt doch nur dem freien Wirken der Kräfte; an den Einkommenserhöhungen der Grundrentiers wird er gerechterweise bei den Steuern absahnen... X Niemand will all dies für Vorkriegswirtschaft halten, obwohl ei- nem der Wirtschaftsgraf immerhin schon ziemlich ehrlich erklärt, man habe sich auf Zeiten wie nach dem 2. Weltkrieg einzurichten. Der Uneinsichtigkeit genügt die dazu gelieferte "Begründung", man habe es mit der "tiefsten Rezession seit Bestehen der Bundesre- pubtik" zu tun, um sich damit zu beruhigen, daß der Staat zwar sehr schmerzhafte, dafür aber um so rationellere Maßnahmen zur "Rettung" der Wirtschaft ergreifen müsse. Gute Medizin ist bit- ter; wo die Wunde schwärt, braucht es einen tiefen Schnitt, und wie die dummen Sprüche alle heißen, die die inneren Kriegserklä- rungen in Fragen des volkswirtschaftlichen "Instrumentariums" und der "Zielkonflikte" verwandeln. Daß es sich um Rüstung handelt, ist ja doch das Allerletzte - mit solch eindimensionalen Erklä- rungen kann sich ein aufgeklärter Mensch angesichts der "weltweiten komplizierten Wechselbeziehungen" nicht bescheiden. Um so eifriger macht er sich auf die Suche nach Schuldigen und findet Amis, Japaner, Arbeitslose, Gastarbeiter, und da, ja da!, auch die überzogenen Forderungen der Militärs und die zu hoch ge- schraubten Profite der Rüstungsunternehmen. Aber was sind sie schon angesichts der Unverschämtheit der Rentner, die aus ihren jahrzehntelangen biederen Einzahlungen womöglich einen Anspruch verfertigen, sie könnten diese - neu entdeckte - Staatsbelastung tatsächlich einfordern? Der Staat steht glänzend da angesichts der vielen Bösewichte, die ihm das Leben schwer machen. Sollten ihm eines Tages die vielen Schwierigkeiten verunmöglichen, seine Aufrüstung weiterhin mit demokratischer Inpflichtnahme der Wirt- schaft und zinsbewußter Anspannung des Nationalkredits zu betrei- ben, wird der Übergang zu einigen faschistischen Elementen der Wirtschaftsgestrtung und der Volksbefriedung wohl noch immer als verantwortungsbewußter Umgang nach volkswirtschaftlichen Grund- sätzen mit eben diesen Schwierigkeiten interpretiert werden. Bild ansehen Anleihen zurück