Quelle: Archiv MG - BRD SOZIALPOLITIK WOHNUNGEN - Der Staat bestellt sein Haus


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       Mieterprobleme:
       

TYPISCH FREIE MARKTWIRTSCHAFT!

Wohnungsnot, untragbar hohe Mieten, Umwandlungsspekulation, 150000 zimmersuchende Studenten - zur Zeit sind sich alle von den Mietern über den Oberbürgermeister und die Parteien bis hin zur Bundestagspräsidentin Süssmuth ziemlich einig: dem Menschen als Mieter wird es nicht leicht gemacht. Politiker erklären die Nöte der Mieter zu einem großen bis "Riesenproblem" (Kohl) und versprechen, Versäumnisse und Fehler der Vergangenheit durch Vorschläge für eine neue Wohnungspolitik zu korrigieren. Ganz als ob die Politiker die Versorgung der Be- völkerung mit Wohnraum p l a n e n würden und sich bloß bei der Einschätzung des Bedarfs an Wohnungen einfach vertan hätten, wird die Notwendigkeit des Baus zigtausender neuer Wohnungen ausge- rechnet. Und Bundeskanzler Kohl beschwört in Anzeigen in der "Süddeutschen Zeitung" unisono mit Frau Süssmuth die Bewohner größerer Wohnungen, einstweilen vermehrt Studenten als Untermie- ter aufzunehmen. Die gute alte Studentenbude - Wochenendheimfah- rer ohne Damenbesuch - kommt einfach nicht aus der Mode. Eins wird bei den ganzen Klagen und der Suche nach Problemlösun- gen allerdings nicht thematisiert: Warum jeder, der ein Dach über dem Kopf braucht, es überhaupt mit einem V e r m i e t e r zu tun bekommt, und worin dessen Macht gegenüber den Mietern begrün- det ist. Und wieso die Politiker ausgerechnet in der reichen BRD eine W o h n u n g s not beschwören, wenn sie von der Not von Leuten reden, die sich eine anständige Wohnung einfach n i c h t l e i s t e n können, obwohl davon jede Menge leer herumstehen. Ob Wohnungen vorhanden sind, wie viele, in welchem Zustand und zu welchem Mietpreis, hängt in der freien Marktwirtschaft von etwas ganz anderem ab als dem Bedürfnis nach einer Wohnung. Wohnungen werden gebaut und zu einem entsprechenden Preis vermietet, wenn dies dem Grundstücks- bzw. Hausbesitzer als die beste Weise erscheint, durch den Umgang mit seinem Eigentum an Grund und Boden ein Einkommen zu erzielen. Deswegen gehört auch noch lange nicht jeder zum Stand der Grundeigentümer, der es mit Sparsamkeit, Glück oder Erbschaft zu eigenen vier Wänden samt Garten gebracht hat. Den Grundeigentümer zeichnet aus, daß er seinen Grund und Boden samt Gebäuden selber n i c h t benutzt und bewohnt. Man muß schon m e h r davon haben, als man selber brauchen kann, um sich den Boden als lukrative Einkommensquelle zu erschließen. Die liegt dann darin, daß a n d e r e darauf angewiesen sind. Durch den Besitz eines möglichst großen Flecks Erde, andere erst einmal von seiner Benutzung auszuschließen, also das Monopol über ein Stück Grund und Boden zu besitzen - das erlaubt dem Grundeigentümer seine eigentümliche Sorte Geschäfte- macherei. Einerseits leistet so ein Grundeigentümer überhaupt nichts. Er arbeitet nicht, läßt auch nicht arbeiten, schafft also keine Ar- beitsplätze, wie das so schön heißt, trägt nichts zum Wachstum des Warenangebots bei. Dennoch erfüllt er einen unverzichtbaren Dienst für die Gesellschaft. Er s t e l l t sein Eigentum z u r V e r f ü g u n g für all die, die es brauchen, um zu wohnen, zu arbeiten, arbeiten zu lassen und dadurch ihren Reich- tum zu mehren. Natürlich macht er das nicht kostenlos, sondern nur gegen entsprechende Bezahlung. Es muß sich für ihn lohnen, sonst findet keine Überlassung statt. Der Boden hat einen ent- sprechenden Preis. Gering ist der nicht, weil die Grundeigentümer davon ausgehen können, daß es immerzu genügend Anwärter gibt, die Geld haben, Geschäfte machen wollen und dafür Grund und Räumlich- keiten brauchen. Eine Wohnung braucht sowieso jedermann. Und auch der Staat ist für seine öffentlichen Dienste vom Rathaus bis zur Autobahn auf die Grundbesitzer verwiesen. Insofern sind die immer im Geschäft und profitieren von unserer staatlich geschützten E i g e n t u m s o r d n u n g, die alles, auch die grundle- gendsten Bedingungen allen Handels und Wandels in private Hand legt und damit jedem anderen vorenthält. W i e s e h r die Besitzer von ein paar Quadratmetern oder -ki- lometern bzw. Wohnungen oder anderen Baulichkeiten profitieren, hängt allerdings überhaupt nicht von ihnen, sondern von puren Zufälligkeiten ab: von der L a g e ihres Grundeigentums. Die entscheidet darüber, wieviel zahlungskräftiges Interesse scharf auf dieses Stück Land ist; und mit der Nachfrage steigt bekannt- lich der Preis. Deshalb ist in den Großstädten, bei flotter Geschäftsausdehnung oder auch bei staatlichen oder sonstigen Großprojekten immer gut zu verdienen. Wohnungen möglichst teuer zu vermieten, zu diesem Zweck zu sanieren oder zu räumen und für eine künftige lohnendere Nutzung leerstehen zu lassen, Geschäfts- räumlichkeiten anzubieten oder auf staatliche Planungsvorhaben zu setzen und die richtigen Grundstücke im rechten Augenblick zu er- werben und zu verkaufen... - die aufreibende Abwägung zwischen solchen Alternativen macht die ganze Kunst dieses Berufsstandes aus. Kein übermäßig schwieriger Job, zumal der stetige Fort- schritt von Handel und Wandel, das Wachsen der Städte und der staatlichen Infrastruktur quasi automatisch dafür sorgt, daß die Bodenpreise g e n e r e l l stetig s t e i g e n. Hat man allerdings a u s r e i c h e n d G e l d, kann man sich an der Spekulation auf den steigenden Wert von Grund und Bo- den erfolgversprechend beteiligen. Versicherungen, Banken, Groß- unternehmen investieren neben ihren sonstigen Unternehmungen auch noch in Spekulationsobjekte und leiden daher nicht unter den steigenden Bodenkosten, sondern verdienen an ihnen. Der R e s t d e r M e n s c h h e i t bekommt dagegen mehr die harte Kehrseite dieses ehrenwerten Geschäfts zu spüren - als Schwierigkeit nämlich, eine brauchbare Wohnung zu finden und die steigenden Mieten zu bezahlen. Unübersehbar entfaltet das Grund- eigentum hier seinen e r p r e s s e r i s c h e n Charakter, weil sich der benötigte Wohnraum in geschäftstüchtiger Privathand befindet und das Wohnungsbedürfnis mit den Alternativangeboten einer zahlungskräftigen Geschäftswelt konkurrieren muß. Das ko- stet einen Normalmenschen auf jeden Fall mehr von seinem Einkom- men als ihm lieb sein kann, ohne daß er deswegen zufrieden- stellend wohnt. Wenn da manchem erbosten Mieter einfällt, der Staat solle ihm doch durch eine gescheite Wohnungspolitik helfen, dann hat er sich für sein Anliegen allerdings die völlig verkehrte Adresse ausgesucht. Die Erpressungen des Grundeigentümers, der als Ver- mieter Wohnraum nur zu seinen Konditionen zur Verfügung stellt, sind ohne den Staat gar nicht denkbar, der mit dem Schutz des Privateigentums auch an Grund und Boden die Interessen des Grund- eigentümers ins Recht setzt. Nur weil der Staat die ge- schäftstüchtige Benutzung von Grund und Boden will und um die einschlägigen Auswirkungen dieses Geschäfts auf die Mieter weiß, treibt er überhaupt Wohnungsbaupolitik. Ausgehend von der Unvereinbarkeit der Interessen von Mietern und Vermietern zielen die jetzt vorgeschlagenen staatlichen Maßnahmen darauf, den Bau von neuen Wohnungen zu befördern, von denen sich die Investoren in Grund und Boden ein Geschäft versprechen kön- nen, weil sie für einen durchschnittlichen Mieter nicht per se unbezahlbar sind. Einerseits wird erwogen, durch "steuerliche Anreize" oder Gelder aus dem sozialen Wohnungsbau das Geschäft für den Grundeigentümer zu garantieren. Andererseits werden ihm Mieter in Aussicht gestellt, die die Miete in einer für eine ge- scheite Rendite notwendigen Höhe zu zahlen in der Lage sind, weil der Staat unter gewissen Umständen für einen Teil der Miete in Form von Wohngeld aufkommt. Ob überhaupt und, wenn ja, wie viele neue Wohnungen deswegen gebaut werden, ist noch die Frage - ge- zwungen wird schließlich niemand, die staatlichen Vergünstigungen für das Geschäft mit dem Wohnen in Anspruch zu nehmen. Eines ist allerdings sicher: Billig werden sie auf keinen Fall. Die derzeitige Inflation von Vorschlägen zur Wohnungspolitik ver- dankt sich daher auch etwas ganz anderem als der Sorge um die In- teressen der Mieter: Das Wohnungsproblem ist als Wahlkampfthema entdeckt worden. "Emsig arbeiten Beamte im Bonner Bauministerium an einem Pro- gramm, mit dem sich der Kanzler auch als energischer Wohnungspo- litiker profilieren kann. ... Der Kanzler hat begriffen, daß die neue Wohnungsnot zu einem zentralen Wahlkampfthema werden wird." (Spiegel 43/89) Die Politiker fördern nach Kräften die Wohnungsspekulation. Und die Mieter dürfen sie dafür auch noch wählen. *** Unsere christlich-sozial-liberalen Politiker -------------------------------------------- unermüdlich im Kampf gegen die Wohnungsnot ------------------------------------------ - Die christliche Wohnungsbauministerin Hasselfeldt mit einer ü b e r z e u g e n d e n E r k l ä r u n g, warum das Wohnen immer teurer wird: In den letzten Jahren hätten die Leute immer mehr verdient und seien deswegen auch bereit, immer mehr für eine Wohnung zu zahlen, meinte sie in einer Fernsehdiskussion. Eine gelungene Rechnung aus dem Einmaleins der Bonner Regierung: Das Volk muß immer höhere Mieten zahlen, um wohnen zu können; also gibt es keine Preistreiberei der Vermieter, sondern nur die Be- reitschaft der Mieter, noch für das letzte Loch immer mehr Geld hinzulegen. Verwunderlich, daß sich da noch jemand über steigende Mieten beschwert, statt sich über steigendes Einkommen zu freuen, mit dem er hohe Mieten bezahlen kann. Gilt doch: Je unerschwing- licher das Dach über dem Kopf, umso größer der Luxus. - Der liberale Wirtschaftsgraf Lambsdorff mit g e l u n g e n e n R a t s c h l ä g e n an den Gesetzgeber. Der soll das Mietrecht vermieterfreundlicher gestalten, meint er, und das Kündigen erleichtern sowie Kurzmietverträge zulassen. Heutzutage sei es nämlich schwieriger, einen Mietvertrag aufzulö- sen, als sich scheiden zu lassen. Der gute Mann muß irgendwie Wohnen und eheliches Beiwohnen durcheinandergebracht haben. Aber so kann man das natürlich auch sehen: Vermieter spekulieren nicht mit Grund und Boden und verdienen sich mit Vermieten, Sanieren, Verkaufen, Zwangsräumen, Leerstehen... eine goldene Nase; nein, sie sind zum Dienst am König Mieter zwangsverpflichtet und leiden darunter so sehr, daß sie nicht selten der Gemeinschaft lieber ihr kostbares Gut vorenthalten. Wenn die Wohnungseigentümer noch mehr Freiheiten haben, zu vermieten und zu kündigen, ganz wie es sich lohnt, dann fördert das die Spekulation auch auf kurzfri- stige Mieteinnahmen - und macht Mietern Beine. Das fördert garan- tiert das Wohnungsangebot. - Der sozialdemokratische Wohnungsbauexperte Roth mit P a t e n t r e z e p t e n für Schöner Wohnen: Der Mann von der SPD tritt dafür ein, lieber etwas länger auf Wohnungen zu warten, als Wohnsilos zu errichten, deren Bau man später bereue. Die volkstümlichen Vorstädte, wo es sich so heimelig mit den Nachbarn von Betonwand zu Betonwand wohnt, verdanken sich also keineswegs der Sparsamkeit der Wohnungsbaupolitiker und den von ihnen geförderten Geschäftsrechnungen der sozialen Wohnungsbauherren; nein, die Ungeduld von Wohnungssuchenden ist schuld, der besorgte Politiker nachkommen, statt daß sie sie in ihren Buden darauf warten lassen, bis Vater Staat und die lieben Bauherrn ihnen eine gemütliche Heimstatt geschafft haben. Dabei könnte doch die Vor- freude auf ein künftiges Heim zu Preisen, die der Vermieter nicht bereut, die Wartezeit und die monatliche Wuchermiete versüßen. Außerdem steigen derweil die Mieten weiterhin schnell, aber ste- tig. Je dümmer und frecher, umso glaubwürdiger, scheinen die fürsorg- lichen Politiker zu denken, weil sie auf das Geschäft mit dem Wohnen nichts kommen lassen wollen. zurück