Quelle: Archiv MG - BRD SOZIALPOLITIK WOHNUNGEN - Der Staat bestellt sein Haus
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Von der 'Neuen Heimat' bis zum 'Berlin-Filz'
GRUND UND BODEN - EIN GESCHÄFT MIT POLITISCHEN QUALITÄTEN
CDU und FDP spüren es bei SPD und "Neuer Heimat" auf: SPD und Ge-
werkschaft entdecken es bei der Berliner CDU: "Spiegel" und Co.
wittern es wieder einmal überall: "Mißwirtschaft" und
"Korruption", "Gigantomanie" und "Filz" sind eingerissen, wo es
um Grund und Boden, Bauen und Sanieren, Verpachten und Mieten
geht. Bloß, was macht denn den Unterschied zwischen einem honori-
gen Bauherren und einem Baulöwen, zwischen einem anerkannten
(Groß-)Grundbesitzer und einem finstren Bodenspekulanten; zwi-
schen einem zukunftsweisenden Städtebauprogramm mit ordentlicher
Projektausschreibung und -genehmigung und einem Sumpf aus be-
stechlichen Politikern, Ganoven und Halbweltgeschäften?
Das Grundeigentum: Alles hat seinen Preis
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Vor jedes Tun und Lassen seiner Bürger hat der Staat das
E i g e n t u m an Grund und Boden gestellt, also an dem Raum,
den man immer und überall braucht. Vor der Benutzung der Mutter
Erde steht deshalb auch ein P r e i s, der Preis für die mehr
oder weniger dauerhafte Überlassung eines Stück Eigentums zur
baulichen oder sonstigen Nutzung. Dieser Preis richtet sich nicht
wie bei anderen Gegenständen danach, was eine gewinnbringende
P r o d u k t i o n dieses hohen Gutes kostet - umgekehrt wird
er dafür gezahlt, daß es n i c h t produziert werden kann, son-
dern von Eigentümer abgetreten werden muß. Der bekommt für die
Überlassung eine G r u n d r e n t e, die sich aus der Konkur-
renz verschiedener Interessen um die Nutzung dieser Naturvoraus-
setzung allen Produzierens und Konsumierens ergibt. Je nach Lage,
Knappheit und Erschlossenheit des Bodens steigt sie. Diese Rente
wird, behandelt man den Boden als Ware, wie der Zinsertrag eines
Kapitals betrachtet, das dieser Boden repräsentiert. Diese hoch-
gerechnete Kapitalsumme muß gezahlt werden, soll der Boden den
Eigentümer wechseln. So ist das Grundeigentum
G e l d a n l a g e und vergleicht sich mit jeder anderen. Dabei
erfreut es sich besonderer Wertschätzung, weil die gesellschaft-
liche Entwicklung - wachsender Handel und Wandel, immer ausge-
dehntere Geschäftsgegenden, ausufernde Städte und staatliche Er-
schließungsmaßnahmen und Bauvorhaben - ganz automatisch und ohne
Risiko die zahlungsfähige Nachfrage nach Baugrund, also die Rente
und damit den Bodenpreis s t e i g e r t. Deshalb gilt Grundbe-
sitz auch als beste Kreditsicherheit und läßt sich per Hypothek
finanziell mobil machen. Die Geschäftswelt handelt und wirtschaf-
tet nicht bloß mit den jeweils aktuellen Grundstückswerten, son-
dern spekuliert immerzu auf deren beständige Veränderung. Danach
wiederum richtet sich die Kreditwürdigkeit von Grundeigentümern.
Der "soziale Wohnungsbau": Wohnen muß sich lohnen
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Infolge der Geschäftspflichtigkeit des Eigentums wird das
L e b e n für die Mehrheit des Volkes zu einem ziemlich teuren
Luxus, noch ehe es richtig angefangen hat. Das W o h n bedürfnis
hat seinen steigenden Preis; denn außer dem Ertrag für das in
Baulichkeiten verausgabte Kapital, das sich lohnen soll, zahlt
der Mieter auch noch die Grundrente, verzinst also den Wert von
Grund und Boden. Dabei k o n k u r r i e r t das Wohnen mit der
Nutzung für Büros, Kaufhäuser, Luxusunterkünfte und andere höhere
und vor allem zahlungskräftigere Zwecke. Daraus folgt: Je beleb-
ter die Stadt, je flotter der allgemeine Geschäftsgang, je freier
der Wohnungsmarkt - um so sicherer das Wohnungsgeschäft und um so
kostspieliger das Wohnen.
Die Lebensnotwendigkeiten der arbeitenden Mehrheit bleiben dabei
erst einmal auf der Strecke. Damit es sich trotzdem l o h n t,
für deren beschränkt zahlungsfähige Nachfrage zu bauen, hat der
Sozialstaat den "s o z i a l e n W o h n u n g s b a u" einge-
richtet. Eine feine Sache. Diejenigen, die sich keine normale
Wohnung leisten können, haben ein Dach über dem Kopf - schäbig
und teuer. Diejenigen, die Grund und Boden besitzen, werden sub-
ventioniert, damit sie nicht bloß auf steigenden Bodenpreis oder
Geschäftsbaulichkeiten spekulieren. So sind ganze Stadtviertel
mit staatlichen Geldern in Privatregie hochgezogen worden. Bauge-
sellschaften mit solch sozialem Anstrich - sprich besonderen Ge-
schäftsvergünstigungen, die bei Massenmietbau die Grundrente si-
chern - genießen außerdem auf Antrag auch noch den Status der
G e m e i n n ü t z i g k e i t: Das befreit von Steuern und
verpflichtet nur dazu, den größten Teil des Gewinns zu belassen,
also sich an Grund und Boden weiter dumm und dämlich zu verdie-
nen. Daran hat der Staat ebenfalls ein dringliches Interesse, und
das gilt allenthalben als normal und sozial.
Die "Neue Heimat": Die Gewerkschaft ist immer dabei
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Dem sozial verantwortlichen Gewerkschaftsbund erschien das staat-
liche Wohnungsbauprogramm schon seit den zwanziger Jahren als ein
hervorragendes Betätigungsfeld, seinen Mitgliedern die jeweilige
Republik als Heimat nahezubringen und sich am Gegensatz von Woh-
nen und Wohnungsbau an richtiger Stelle zu beteiligen. Die poli-
tischen Privilegien einerseits und der sozialpartnerschaftlich
eingerichtete Armenstand andererseits haben denn auch dafür ge-
sorgt, daß sich die Versorgung mit Billigwohnungen zu einem
G e s c h ä f t g r o ß e n S t i l s ausgewachsen hat. Die
"N e u e H e i m a t" wurde zu einer der größten Immobilienge-
sellschaften der Welt, die mit Grund und Boden fleißig Kredit ge-
nommen und mit Kredit fleißig auf Wertsteigerung und künftigen
Absatz spekuliert, also neue Grundstücke gekauft und Wohnungen
gebaut hat. Bald waren die BRD und der Wohnungsbau zu klein für
den grenzenlosen Unternehmungsgeist der Gewerkschaftsmanager.
Also wurde kräftig im Ausland in Geschäftszentren, Luxushotels,
Ländereien investiert... Alles ein ehrliches, steuerlich begün-
stigtes, öffentlich gepriesenes stinknormales Gebaren, solange
der Kredit floß.
Die g u t e n Geschäfte hatten allerdings einen Haken: Sie wa-
ren auf die Erwartung weiterhin wachsender Grundstückspreise und
Mieteinnahmen gebaut. Deshalb brachte die weltweit abflauende
Konjunktur mitsamt den Kürzungen in den staatlichen Bauprogrammen
das bis dahin mustergültige Spekulationsunternehmen in Schwierig-
keiten. Das schöne Gebäude aus Krediten, Sicherheiten und durch
Kredite finanzierten Rückflüssen kam ins Wanken, und die "Neue
Heimat" sah sich gezwungen, von ihren schönen Objekten einen
Schwung zu verkaufen - einen ganzen Schwung bundesdeutsche Arbei-
tersiedlungen nämlich und zwar gemeinnützlicherweise so teuer wie
möglich. Dazu wurde flugs eine neue Gewerkschaftsfirma gegründet,
die die 'Objekte' aufkauft und sie dann nach und nach zu steigen-
den Preisen, möglichst ohne Sozialbindung luxussaniert oder als
Bürohäuser auf den Markt bringen soll.
Natürlich kam auch bei den so laut lamentierenden Sozialpoliti-
kern keiner auf den Gedanken, die Grundrente Grundrente und die
Schulden Schulden sein zu lassen, den Mietern das Wohnen zu ga-
rantieren und sich auf den Standpunkt zu stellen: Die Wohnungen
sind doch da, also sollen die Leute auch drin wohnen!
G e s c h ä f t s m ä ß i g muß es auch im Sozialstaat zugehen.
Also sollen aus dem Bestand wieder lohnende Objekte für Vermieter
und aus den Schulden wieder bediente Kredite werden - und zwar
ohne daß die "Neue Heimat" durch Überangebote die Preise auf dem
Wohnungsmarkt und die Mieten verdirbt. D a s läßt die Politik
sich einiges kosten - Steuergelder im Dienste der freien und so-
zialen Marktwirtschaft.
Andererseits läßt es sich natürlich kein Christpolitiker nehmen,
n e b e n dieser Abwicklung der Affäre wahlkampfträchtig
'Skandal, Skandal' zu schreien. So entdecken die Oberanwälte von
Sozialsparmaßnahmen "schmutzige Gewerkschaftspraktiken" und
"Mißmanagement" auf dem "Rücken des kleinen Mieters" und halten
das Soziale am Wohnungsbau um so höher, je mehr der Schein fal-
lengelassen wird, dieses Etikett habe etwas mit Wohltaten für die
betroffenen 'Fälle' zu tun. Jetzt beklagt plötzlich alle Welt
heuchlerisch, daß für so viele wegen der gewerkschaftlichen
"Geschäfts u n tüchtigkeit" eine für sicher gehaltene Methode
wegfällt, mit der Armut fertigzuwerden. Immerhin erfährt man so
ganz nebenbei, daß hierzulande der Geldmangel von Arbeitern so
selbstverständlich ist, daß es in Wohnungsfragen geradezu als
P r i v i l e g gilt, ein S o z i a l f a l l zu sein.
Das Berlin-Geschäft - Die öffentliche Hand aufgemacht
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Ein Sozialfall höherer Ordnung ist unsere alte Heimathauptstadt
B e r l i n samt ihren Politikern und Geschäftsleuten. Sie ge-
nießt das Privileg einer b e s o n d e r e n p o l i t i-
s c h e n Lage. Die hat ihren Extra-Preis. Einerseits blüht in
der Frontstadt ohne besonderes politisches Zutun kein
ordentliches Geschäftsleben mehr. Andererseits ist der Politik
gerade an einem leuchtenden Vorbild und w e s t l i c h e n
A u s h ä n g e s c h i l d im Feindesland besonders gelegen.
Deswegen floriert mitten im Herzen der DDR im Westteil der Stadt
das bundesrepublikanische Subventions- und Steuererleichterungs-
wesen für sozial marktwirtschaftlich nützliche Unternehmungen be-
sonders üppig - samt seinen unvermeidlichen Sumpfblüten.
Wo alles allein durch p o l i t i s c h e Entscheidung und Fi-
nanzen ins Rollen kommt - und das eben nicht zu kleinlich -, da
ist es nicht nur eine, sondern geradezu d i e
G e s c h ä f t s b e d i n g u n g, die besten Drähte zu den
'Entscheidungsträgern' zu haben. Wer am meisten springen läßt,
der verdient auch am meisten - ein marktwirtschaftlicher Frei-
heitsgrundsatz, der zur g e s c h ä f t s m ä ß i g e n
A b w i c k l u n g v o n S t a a t s a n l i e g e n nun ein-
mal dazugehört und zu Westberlin ganz besonders. Mit demselben
Eifer halten umgekehrt die einschlägigen P o l i t i k e r die
Hand auf und lassen sich Entscheidungshilfen geben, wer der zah-
lungskräftigste Geschäftsmann ist. Jetzt ist auch diese Seite des
nationalen Geschäfts mit Grund und Boden wieder einmal ruchbar
geworden - wegen ein paar unkorrekter Spendenabrechnungen und et-
was zu zwielichtiger Kundschaft im Charlottenburger und Schöne-
berger Rathaus. Die Lösung ist so einfach, wie die Vorwürfe vom
Ideal sauberer politischer Verhältnisse beseelt sind - und das
ausgerechnet in Westberlin. Da am feinen Berlin-Geschäft und an
der politischen Rolle Westberlins erst recht niemand rütteln
will, reicht es, Spendensünder aufzuspüren, einige davon demon-
strativ anzuklagen - die anderen versprechen, künftig korrekt ab-
zurechnen. Bei aller wahlkampfmäßigen Hetze über Filz und Sumpf
erfährt und teilt die Öffentlichkeit hier nur die eine beruhi-
gende Botschaft: Bei der Politik ist alles in besten Händen, so-
gar und gerade deren Skandale.
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