Quelle: Archiv MG - BRD SOZIALPOLITIK RENTEN - Die Oma unterm Wertgesetz


       zurück

       Antwort auf Leserbrief im ND vom 9.9.90
       ---------------------------------------
       
       
       "Wir danken  für die  so ungeschminkten  Angaben über die Zukunft
       der Feierabendheime  und ihrer  Bewohner. Was da auf uns zurollt,
       stellt eine  unerhörte Brüskierung  der  überwiegenden  Zahl  der
       Rentner dar,  die in diesen Heimen wohnen. Die Mehrzahl von ihnen
       soll als Sozialhilfeempfänger abgestempelt werden. ...
       Es wird also keinerlei "Subventionen" mehr für uns geben. Ein Le-
       ben lang  geschuftet, und nun wird auch der letzte Pfennig Vermö-
       gen herangezogen.  120 Mark  Taschengeld. Eine  Dauerwelle allein
       kostet heute  30 bis  40 Mark. Da wird uns dann vorgerechnet, wie
       oft wir ins Kino gehen dürfen, wieviel Kaffee wir trinken können.
       Von neuer  Kleidung keine  Spur; was brauchen wir die auch noch -
       und das alles ist keine Diskriminierung?
       Wenn die  arme DDR  uns so  gut versorgen  konnte, warum kann die
       reiche BRD es nicht mindestens ebenso?"
       (Leserbrief vom  Heimausschuß des Feierabendheims "Prof. Dr. Mar-
       cusson",  1197   Berlin,  abgedruckt  im  Neuen  Deutschland  vom
       8./9.1990)
       
       Wider das Jammern!
       ------------------
       
       Ja habt Ihr es denn immer noch nicht kapiert? Die reiche BRD kann
       Euch natürlich  nicht versorgen wie früher die arme DDR! Und zwar
       ganz einfach, weil es in diesem reichen Land darum nicht geht!
       Gerade weil  es um  etwas wirtschaftlich gesehen so Nutzloses wie
       Versorgung nicht geht, ist dieses herrliche Land doch - unter an-
       derem -  so reich! Kein Pfennig wandert in der BRD in die Renten-
       kasse, der  sich nicht vorher als lohnende Lohnkost für einen Un-
       ternehmer gelohnt  hat. Der  Lebensunterhalt von  jungen und  von
       ausrangierten Lohnarbeitern ist in der freien Wirtschaft entweder
       ein Nebeneffekt  ihrer Dienstbarkeit  für den Gewinn oder er ent-
       fällt.
       Entweder, oder!  Entweder Versorgung  aller ist  Zweck der  Wirt-
       schaft. Oder  die Freiheit  der privaten Profitmacherei. Das eine
       verträgt sich  nicht mit  dem anderen. FREIHEIT ODER SOZIALISMUS!
       Man kann  nicht immerzu  die BRD  für  ihren  Reichtum  und  ihre
       marktwirtschaftliche Effizienz  bewundern und dann über die Opfer
       der freien Wirtschaft weinen.
       
       ...Oder nützt Jammern doch?
       ---------------------------
       
       4 Wochen nach Erscheinen dieses Leserbriefs hat Norbert Blüm, der
       neue gesamtdeutsche  Minister für  Armut und ihre Verwaltung, au-
       ßerplanmäßig die  DDR-Renten erhöht.  Gerade die  Kleinrentner in
       der DDR sehen nun zwar keinen einzigen Pfennig mehr, weil die 15%
       Rentenerhöhung sich im vollen Umfang mindernd auf die Sozialhilfe
       auswirkt, mit  der die  kleine Rente  auf den  Mindestbetrag  von
       495.-DM angehoben wurde. Aber die Würde der einst sozialistischen
       Veteranen gewinnt.  "Als Sozialhilfe-Empfänger"  braucht sich der
       alte Mensch,  der jetzt  von knapp 500.-DM  R e n t e  Westpreise
       bezahlen und trotzdem leben muß, nicht mehr "abgestempelt" zu se-
       hen. Es ist eben eine Frage, ob sich die Leserbriefschreiber mehr
       über diese  "Diskriminierung" oder mehr über die Geldsumme aufge-
       regt haben, von der sie so oder so leben müssen.

       zurück