Quelle: Archiv MG - BRD SOZIALPOLITIK GESUNDHEIT - Ökonomie des Gesundheitswesens
zurück Bremer Hochschulzeitung Nr. 71, 12.04.1983 WochenschauWELTGESUNDHEITSTAG '83
Was belastet die Gesundheit der Menschen? Alles, was die Staats- kasse belastet, so hieß die bändige Auskunft. Letztlich seien doch die medizinischen M i t t e l des Kurierens von Krankhei- ten eine U r s a c h e derselben - so daß selbstgebastelter Ka- millentee die Tabletten sowie die fromme Nachbarschaftshilfe das Krankenhaus am besten ersetzen. Das wirkt Wunder, weil es die sorgsam eingetriebenen Krankenkassenbeiträge nicht an die Bedürf- tigen verschleudert. Staatssekretärin Karwatzki (CDU) hatte sich obendrein noch folgende plastische Begründung für die Kostensen- kung der Krankheit in ihr Weltgesundheitsskript tippen lassen: "1980 seien in den unterentwickelten Ländern pro Kopf jährlich nur 1,7 Dollar für Gesundheitsleistungen ausgegeben worden, in den Industrieländern jedoch 224 Dollar. Ein Vergleich dieses Ein- satzes mit der durchschnittlichen Lebenserwartung zeige jedoch, daß Gesundheit nicht käuflich sei." Das Letzte ist natürlich gelogen. Zwar kann kein Arbeiter mit ramponierter Lunge oder Leber funktionstüchtige Innereien erwer- ben. Aber umgekehrt trägt er täglich seine Gesundheit in den Be- trieb, der sie gegen Geld einkauft und stückweise verbraucht. Prämienlohn für das Aushalten gesundheitsschädlicher "Begleiterscheinungen" wie eine endlose Latte von Berufskrankhei- ten anerkennen diese traurige Wahrheit, statt sie zu unterbinden. Die Vernutzung der Gesundheit des Arbeitervolks im Dienst am Ka- pital kann da nicht folgen bleiben. Erstens ist deutsche Produk- tivität Spitze in der Welt; zweitens sind die Kosten für die Brauchbarerhaltung fortschreitend in ihrer Gesundheit ruinierter Arbeiter gestiegen; drittens wird so ein bundesdeutsches Ar- beitstier nicht älter als ein indischer Hungerbauch. Das spricht laut CDU-Karwatzki nicht gegen die Benutzung mit ihren harten Folgen, sondern für die Streichung der dabei anfallenden sozial- staatlichen Kosten - wenn "zivilisierte" Schichtarbeiter doch ge- nauso früh verrecken wie "unzivilisierte" Neger. D a s übrigens ist der wirkliche Beitrag zur Volksgesundheit: "Eine Wiederbelebung menschlicher Tugenden". Das gemeinsame Aus- halten gesteigerten Verschleißes der eigenen Wenigkeit, willig ergänzt um das abverlangte Opfer auf der Kostenseite zum Wohle der Nation und ihrer Finanzen - so ist man mit Leib und Seele Na- tionalist, wie es sich die faschistischen Sprüche der Frau Kar- watzki wünschen. zurück