Quelle: Archiv MG - BRD SOZIALPOLITIK GESUNDHEIT - Ökonomie des Gesundheitswesens


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       Warum verdient wer wieviel?
       Viel Lob und wenig Lohn:
       

DIE KRANKENSCHWESTER

Pflegekräfte sind in der Lohnhierarchie der Berufe ziemlich weit unten angesiedelt. Kranke Leute gesund zu pflegen oder im Alter zu betreuen, ist in dieser Gesellschaft offenbar recht wenig wert - so zwischen 1500.- und 2000.- DM brutto pro Monat. Die Arbeit einer Krankenschwester, früher unentgeltlich von Nonnen und ande- ren idealistischen Wohltätern verrichtet, verlangt nämlich einer- seits keine besonderen Fertigkeiten: Patienten waschen, Betten machen und umherschieben, Essen und Medikamente verteilen, Fieber messen und aufschreiben, worin immerhin der Schwerpunkt der täg- lichen Pflegearbeit besteht, muß jede Hausfrau früher oder später auch ganz ohne Ausbildung können. Als verlängerter Arm des Arztes sorgen Schwestern außerdem dafür, daß auch jeder Patient in den Genuß der ihm zugedachten Behand- lung kommt. Ein bißchen Patientenbeaufsichtigung gehört auch zu ihren Aufgaben, die Krankenhausordnung will ja eingehalten sein. Ein bißchen verwalten, ein bißchen Sekretärin spielen, auch das ist schnell erlernt und wird auf keinen Fall extra vergütet. Im Krankenhausalltag sind die Schwestern zwar für alles verant- wortlich. Bloß tarifrechtlich gesehen tragen sie keine Verantwor- tung, das, was sich hierzulande so gut auszahlt (man denke nur an die satten Politikergehälter). Das übernehmen ganz die Ärzte, de- ren Einkommen gerechterweise dann auch in einem Mehrfachen des Schwesterngehalts besteht. Am meisten verdienen sie auf Posten, auf denen sie sich gar nicht mehr blicken zu lassen brauchen. Da- für darf das Pflegepersonal wiederum den Ärzten einen Teil ihrer Arbeit abnehmen: Spritzen setzen, Blut abnehmen und Daten für die Verwaltungsabteilung erfassen sind die täglichen "berufsfremden Tätigkeiten" (DAG) des vollausgebildeten Pflegepersonals. Daß die Arbeit der Pflegeberufe einfacher Natur ist, heißt natür- lich gerade nicht, daß sie deswegen auch leicht wäre. Nacht- und Wochenenddienst mit windigen Zuschlägen sind für Pflegekräfte selbstverständlich; ihre Arbeit wird immer intensiver, weil sie mehr Patienten betreuen müssen. Dafür sorgen nämlich die Kranken- hausträger. Die, seit 1985 per Gesetz dazu verpflichtet, sich als Gewerbebetriebe zur Gewinnerzielung aufzuführen, kalkulieren wie jeder kapitalistische Laden. Daher dürfen erstens keine Betten leerstehen. Und zweitens sind mal wieder wie in jedem Betrieb die Personalkosten die Größe, an der sich sparen läßt. Die kapitalistische Wahrheit, daß die Arbeit umso schlechter be- zahlt wird, je unangenehmer und anstrengender sie ist, gilt also auch in Krankenhäusern und Altenheimen. Noch mehr als in anderen schlecht bezahlten Berufen bekommt die Pflegekraft jedoch ganz viel moralischen Lohn. Jedermann klopft ihr anerkennend auf die Schulter wegen ihrer aufopfernden Näch- stenliebe. Für das öffentliche Lob des Berufs als selbstloser Dienst am Nächsten ist der Lohn gerade niedrig genug. Florence Nightingale hatte eben keine volle Lohntüte! So verteilen sich die wirklichen und die eingebildeten Vorteile gerecht. Die Schwe- stern und Pfleger genießen eine Anerkennung als ziemliche Ideali- sten - alle wirklichen Vorteile liegen bei ihren Arbeitgebern. Imagepflege verhindert die Durchsetzung von mehr Lohn: ------------------------------------------------------ Der Warnstreik des Pflegepersonals ---------------------------------- Jetzt wollen die Pflegekräfte mal was für sich rausholen. Und prompt sagen nicht bloß ihre Arbeitgeber Nein. Ihre eigene sau- blöde Berufsehre kommt ihnen in die Quere. Eigentlich könnten die Pflegekräfte leicht mit einem Streik einen solchen öffentlichen Druck erzeugen, daß ihre Forderungen nach mehr Geld und weniger Arbeit kaum abzuwehren wäre: Ohne sie bricht die Krankenversorgung sofort zusammen. Deswegen gehen Gewerkschaft und Pflegepersonal aber genau umge- kehrt an die Sache heran. Ausgerechnet an der Unentbehrlichkeit pflegerischer Dienste entdecken sie eine einzige Schranke für die Durchsetzung ihrer Interessen. "Kein Patient muß um seine notwendige Versorgung fürchten. Menschlichkeit ist unser oberstes Gebot", verkündet ÖTV-Chefin Wulf-Mathies und lädt damit ganz freiwillig alle Verantwortung für unerwünschte, an sich aber unvermeidliche Auswirkungen eines Arbeitskampfes in diesem Bereich auf die Schultern des Pflegeper- sonals. Da freuen sich die Arbeitgeber: Der Streik sieht nämlich dementsprechend aus, man soll sein Stattfinden gar nicht vom nor- malen "Pflegenotstand" unterscheiden können. Ist er dann aber nicht reichlich überflüssig? Es sieht so aus, als wollten die Schwestern und Pfleger gar kei- nen Druck machen, sondern für ein edles Anliegen werben. Einen "Pflegenotstand" zu beklagen, ist nämlich etwas anderes als der Ruf nach weniger Arbeit fürs Personal. Wegen Personalmangel soll eine ordentliche Pflege nicht mehr gehen, d e s h a l b müßten die Arbeitgeber diesen Mißstand durch Neueinstellungen beseiti- gen. Stellen die Pflegekräfte durch ihren harten Einsatz aber nicht gerade unter Beweis, daß die Pflege der Patienten auch so geht? Lassen sie sich nicht zehnmal eher durch die Schmerzen der Patienten erpressen als jeder gemeinnützige oder private Kranken- hausträger? Warum sollten da die Arbeitgeber einen "Pflegenot- stand" ausrufen? Statt für das Personal mehr Lohn zu fordern, hat die ÖTV sich auch ein reichlich bescheuertes Gemeinwohl-"Argument" ausgedacht: Es würde so wenig Personal eingestellt, weil sich bei dem nied- rigen Lohn keine Leute bereitfänden, weswegen man unbedingt durch mehr Lohn Anreize schaffen müsse, dann würden sich die Arbeitsbe- dingungen automatisch verändern. Das behauptet ausgerechnet die Gewerkschaft, die doch sonst landauf, landab Zurückhaltung bei den Löhnen predigt, damit mehr Arbeiter eingestellt bzw. weniger ausgestellt werden. Hier soll's auf einmal genau andersherum sein: Je teurer das Personal, desto größer der Andrang; als hät- ten die Arbeitgeber nur noch auf den Andrang gewartet, um mehr Leute einzustellen und dem Personal die Arbeit zu erleichtern. Da lachen ja die Hühner. Und was die öffentliche Solidarität angeht: Der zweitägige fol- genlose Warnstreik stieß noch auf die Billigung der Öffentlich- keit. Jetzt mehren sich die Stimmen, die vor Wiederholung warnen. Schon hält man "Angstmache für ein unfaires Mittel der Tarifaus- einandersetzung" und beschwört den "Geist des Pflegedienstes" als das eigentliche Problem. Ob viel oder wenig Pflegepersonal, die Pflege kranke daran, daß "Nächstenliebe nicht mehr in Mode" sei. Auch und gerade für Pflegekräfte gilt eben: Öffentliches Lob ist nur zum Nulltarif zu haben, deswegen ist es auch keinen Pfif- ferling wert. zurück