Quelle: Archiv MG - BRD SOZIALPOLITIK GESUNDHEIT - Ökonomie des Gesundheitswesens


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       MAZ-Serie "Gesundheit" (III)
       

DAS GESUNDHEITSWESEN - EINE BESONDERE MASCHE DES "SOZIALEN NETZES"

Daß die arbeitende Bevölkerung medizinisch versorgt wird, gilt als eine der großen Leistungen unseres Sozialstaats. Und in der Tat: Von dem bißchen zurückgelegten Lohn könnte ein Arbeiter nie und nimmer die Kosten für Ärzte und Medikamente bestreiten und schon gar nicht den Lohnausfall durch Krankheit tragen. Wenn er d a f ü r genug Geld hätte, dann bräuchte er es ja wahrhaftig gar nicht erst so weit kommen zu lassen, daß ihn am Ende ein lä- cherlicher Schnupfen-Bazillus auf die Matratze haut, die Band- scheiben ihren Dienst aufkündigen... usw. usf. In Wirklichkeit ist es eben umgekehrt: Weil der Lohn schon fürs normale Leben nie recht reicht, muß der danach benannte Lohnarbeiter sich in der Arbeit verschleißen; weil er sich verschleißt, wird er todsicher krank; und weil nicht arbeiten für einen Lohnarbeiter finanziel- les Elend bedeutet, kann er sich die Krankheit nicht leisten, sondern muß, statt sich zu schonen und pflegen zu lassen, arbei- ten. Das ist ein Teufelskreis. Die große Leistung unseres Sozialstaats besteht darin, daß er den Teufelskreis von Armut, Arbeit, Krank- heit und dennoch Arbeiten - nein, nicht etwa abschafft, sondern praktisch möglich macht und in Gang setzt. Das geht so: - Der Staat veranstaltet ein Zwangssparen der ganzen Arbeiter- klasse. (Die "Klassenfrage" ist für dan Staat kein Problem, wenn er seine "Allgemeinen Ortskrankenkassen", "Betriebskrankenkassen" und "Ersatzkassen" für Arbeiter und Angestellte einrichtet, also sein Proletariat zur "Solidarität" verpflichtet!) Jeden Monat, noch bevor ein Arbeiter einen Pfennig seines Lohns zu Gesicht be- kommen hat, werden gut 10% seines Lohns eingezogen. Der "Abzug an der Quelle" ist wichtig - wenn die Arbeiter das Geld erst in die Hand bekämen, würde sich sehr schnell praktisch herausstellen, daß sie es überhaupt nicht übrig haben! So trägt die Arbeiter- klasse die Kosten der Krankheit, die sie sich nicht leisten kann, gleich doppelt: einmal als ihren gesundheitlichen Ruin, zum zwei- ten durch finanziellen Abzug am Nötigen. - Mit dem Geld wird ein Krankheitsverwaltungsbetrieb aufgezogen. Von der Krankenkasse beauftragte Ärzte befinden darüber, welcher Krankheitszustand für wie lange zur vorübergehenden Befreiung vom Zwang zur Arbeit berechtigt. Mit und ohne Krankschreibung erhal- ten sie dem Arbeitsvolk die noch vorhandene Gesundheit, damit es trotz des Kräfteverbrauchs im Dienst am Kapital weiter arbeiten kann, bis es die Gesundheit restlos beim Kapital abgeliefert hat. Auch die Schlußdiagnose: restlos verbraucht, stellen meist die Weißkittel - wer erreicht heutzutage schon das gesetzliche Ren- tenalter als praktizierender Arbeitsmann? Am Gesundheitswesen sind viele beteiligt, und alle haben davon, was ihnen zusteht. Die Ärzte nehmen mit medizinischer Diagnose, Verschreibung von Medikamenten und chirurgischen Operationen die verantwortungsvolle Aufgabe wahr, zunehmend verbrauchte Arbeits- kräfte dem Kapital stets aufs neue zu gedeihlicher Benutzung zur Verfügung zu stellen. Dabei brauchen sie überhaupt keinen Gedan- ken an die gesellschaftliche Nützlichkeit ihres Patientenguts zu verschwenden. Das ist ja gerade das Schöne am Arztberuf, daß man sich ganz menschenfreundlich nur auf den ruinierten Körper zu konzentrieren hat. Die Diagnose ergibt häufig, daß eine völlige Wiederherstellung des Betregenden nicht möglich ist. Die Knochen oder sonstige Organe sind eben einfach verbraucht, aber durch Linderung der Beschwerden kann auch hier noch geholfen werden. So bemühen sich Ärzte nach bestem Wissen und (vor allem) Gewissen, darum, ihre Patienten wieder (halbwegs) funktionstüchtig zu ma- chen. Für w e l c h e Funktionen die so wiederhergestellte Kundschaft dann herzuhalten hat, ist längst vor dem Eingreifen des Arztes durch handfeste ökonomische Zwänge festgelegt. Durch die ja auch dafür gesorgt ist, daß der Nachschub an Patienten nichts zu wünschen übrig läßt. Lautet die Diagnose "für Arbeiten von wirtschaftlichem Wert nicht mehr brauchbar", dann hat der Arzt einen Dauerkunden mehr, dem er bis zum seligen Ende einmal im Monat Herz- oder sonstige Mittel verschreibt. Und das Kapital kann einen Frührentner mehr verbu- chen. So machen sich die Ärzte nach streng medizinischen Ge- sichtspunkten um die Instandhaltung und Sortierung der Arbeiter- klasse verdient. Dafür verhilft ihnen das Gesundheitswesen zu an- sehnlichem persönlichen Reichtum. Die pharmazeutische Industrie ist eine erstklastge Anlagesphäre für das Kapital; mit einem staatlich garantierten Markt, der sich durch den Fortschritt der Ausbeutung garantiert ausweitet. Das Kapital insgesamt hat trotz der ruinösen Folgen der unter seinem Kommando geleisteten Arbeit Arbeiter, deren Lebenskraft es in ca. 40 Arbeitsjahren sehr gründlich zur Vergrößerung seines Reichtums einsaugt. Und genau das haben auch die Arbeiter davon. Nur dumm, daß es i h r e G e s u n d h e i t und i h r G e l d ist, die da verbraucht werden. Nächste Folge: "Die anderen feiern dauernd krank!" zurück