Quelle: Archiv MG - BRD SOZIALPOLITIK GESUNDHEIT - Ökonomie des Gesundheitswesens


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       Der "Kampf gegen den Alkohol":
       

HOCHPROZENTIGE POLITIK

"Alkohol und Nikotin, rafft die halbe Menschheit hin..." -------------------------------------------------------- Seit geraumer Zeit tut der Staat sein Möglichstes, diese Volks- weisheit mehr unters Volk zu bringen, ist ihm doch daran gelegen, daß die Leute ihre diversen Krankheiten und ihren Tod darauf zu- rückführen, daß s i e ihrer Gesundheit durch Einnahme von Gif- ten geschadet haben; völlig verfehlt also der Hinweis, daß es ne- ben der krankmachenden Arbeitshetze genügend Gifte gibt, die dem Körper täglich zugeführt werden, sei es durch Einnahme der guten Luft im Freien oder am Arbeitsplatz - deren Verbesserung schon deshalb nicht ernsthaft zu erwägen ist, weil es dem Kapital Ko- sten verursachen würde - wo es doch darum geht, die B e v ö l k e r u n g für einen verantwortungsvolleren Umgang mit ihrem Körper in die Pflicht zu nehmen. "140 000 Menschen sterben in der BRD jährlich an den Folgen des Rauchens. 1,5 Millionen Bürger sind alkoholgefährdet. Rund 70 Prozent der Bevölkerung ernähren sich falsch" (Antje Huber vom Gesundheitswesen) Frau Antje wird nicht von intellektuellen Skrupeln geplagt, wenn sie die Tatsache, daß ein Teil der jährlichen Toten unter die Ka- tegorie Raucher oder Alkoholkonsumenten fallen, begierig auf- greift, um Rauchen, Trinken und einen zu dicken Bauch als To- des u r s a c h e n an die Wand zu malen. "...aber ohne Schnaps und Rauch, stirbt die andre Hälfte auch!" --------------------------------------------------------------- Zwar schlucken die Bundesdeutschen bereitwillig die vorgetragenen Lügen, sehen sich aber deshalb noch lange nicht bemüßigt, auf ih- ren notwendigen Schluck zu verzichten. Eine solche, die Volkswirtschaft schädigende, Mentalität - die offenbar unter Bundesdeutschen noch verbreitete Meinung, daß es i h r e Angelegenheit sei, darüber zu befinden, was ihnen guttut - muß bekämpft werden. "In die Milliarden geht nach Ansicht der Bonner Gesundheitsmini- sterialen der volkswirtschaftliche Schaden, der durch unmäßigen Alkoholgenuß angerichtet wird. Auf das Konto Alkohol kommt eine Todesbillanz, die mit Sicherheit in die Zehntausende geht: Ver- kehrs- und Arbeitsunfälle, Morde, Selbstmorde, Tod nach Frühinva- lidität." (SPIEGEL) "Ein mit 45 Jahren auf Rente gesetzter Alkoholiker kostet, so be- rechnet das Bundesgesundheitsministerium, um 400.000 DM, ein ju- gendlicher Süchtiger mehr als eine halbe Million." (SPIEGEL) Diese Fakten kann man den Zechern und Rauchern nicht oft genug um die Ohren schlagen! Wobei das Bundesministerium auf eine unwe- sentliche Differenzierung verzichtet, nämlich darauf hinzuweisen, daß der hohe Wert des Süchtigen nicht Resultat von gesundheits- fördernden Aufwendungen ist, sondern sich dadurch errechnet, daß sie in der staatlichen Kalkulation als Soll in der Sparte Reich- tumvermehrer der Nation zu Buche schlagen. Trotz dieser ständigen und in letzter Zeit sich häufenden Klagen verzichtet Väterchen Staat darauf, seinen unvernünftigen Kindern die Gifte Nikotin und Alkohol aus der Hand zu schlagen - obgleich er mit Verboten und deren Durchsetzung prinzipiell keine Probleme hat (Rauschgift z.B.) - solange sie zweckmäßig gebraucht werden. Ein Gläschen in Ehren... ------------------------ Lang schon ist bekannt, daß Alkohol "in kleiner Menge stimmungshebend, beschwingend, entspannend, kontaktfördernd wirkt." (Staatsministerium) und wer kann das nicht gut - bei der Arbeit und auch sonst - ge- brauchen? Und für das Nikotin wies kürzlich ein britischer Psychologe nach, daß es "die Leistungsfähigkeit von Arbeitern in ausgesprochen reizarmer Umgebung erhöht, indem es die Reaktionsgeschwindigkeit verbessert und die Aufnahme von Sinneswahrnehmungen erleichtert." ("Süddeutsche Zeitung") "Starke Zigaretten heben darüberhinaus bei Elektroschocks die Schmerzschwelle an." (ibid.) Verantwortungsvoll genossen, also so, daß sie nicht vor dem Ren- tenalter arbeitsunfähig machen - die günstigste Dosierung führt mit 65 zum Tod - helfen sie Vater Staat nicht nur enorme Renten- summen sparen, sondern sie befördern das Wachstum: "Die meisten Alkoholiker beweisen vor und während ihrer Krankheit eine enorme berufliche Leistungsfähigkeit und zeigen ihre Tüch- tigkeit auch nach ihrer sozialen Rehabilitation." (ibid.) Im Unterschied zu den Rauschgiften befördern diese sogenannten Drogen also durchaus den Realitäts = Leistungssinn! Sie erlauben es, die Anstrengungen und Zumutungen, die Staat und Kapital ihrem Menschenmaterial zumuten, besser auszuhalten und das Äußerste aus sich herauszuholen. Freilich trinkt und raucht der deutsche Prolet ganz verantwor- tungslos - erst einmal, weil es ihm schmeckt und angesichts des- sen, daß ihm seine Arbeit wenig schmeckt, sind diese "kleinen Freuden des Alltags" dann eine durchaus unentbehrliche Stütze. Und das Saufen speziell ist ein Genuß, ohne dessen angenehm be- sänftigende Wirkung das Arbeitsleben um zahllose Heldentaten der Arbeit ärmer wäre. Die täglichen 8 bis 12 Stunden deutsche Wert- arbeit unter den üblichen Bedingungen verrichtet - Hitze mit und ohne Zugluft, Lärm in allen Macharten und Phon-Stärken, Staub, Dreck, Farbnebel, giftige und auch bloß übelriechende Dämpfe - und was es sonst noch an Schönheiten der Arbeitswelt gibt - sind nicht zu haben ohne das entsprechende Quantum Bier, das die Ner- ven abstumpft, und das gewisse Stadium von Besoffenheit, mit dem sich die Malträtierung der eigenen Person ohne Verluste von Aus- dauer, Konzentration und Geschwindigkeit durchhalten läßt. Mit dem gewohnheitsmäßigen Suff machen sich die Schmerzen im Rücken kaum mehr bemerkbar, Hitze und Gestank sind einem egal und auch offiziell geduldet. Kein Unternehmen und auch nicht Frau Antje denken an ein prinzipielles Alkoholverbot während der Arbeitszeit - gesoffen wird schließlich, um die Arbeit durchzustehen, und wer möchte diese ehrenwerte Tätigkeit schon als suchtgefährdend ein- stufen! Freilich leidet auch der Genuß unter den Bedingungen, die ihn unverzichtbar machen - die Zigarette will nicht mehr so recht schmecken, weil's auf der Zunge beißt, der Brummschädel ist bei Wiederantritt noch nicht beseitigt und meldet sich immer hefti- ger. Daß sich einstellende körperliche Unbehagen kann jedoch kein Argument dafür sein, mit den "Genüssen" aufzuhören oder zumindest eine Pause zu machen - obwohl mit allerlei Nachteilen versehen, sind sie unentbehrliche Hilfe und Besänftiger für das Tagewerk. Und daß sich nach dessen Beendigung bei Rauchern und Trinkern nicht automatisch die öffentlich gepredigte Reformhausmentalität einstellt, verrät sicherlich eine verantwortungslose Einstellung dieser Menschengattung zu ihrem einzigen Kapital, entbehrt jedoch auch nicht gewisser Gründe. Die kipplige Frage "Wieviel halt ich jetzt gerade noch aus, damit es mir besser geht?" löst nun so mancher nicht "richtig", d.h. er zwingt sich nicht im richtigen Augenblick zur Mäßigung - jetzt ist der Genuß ein Problem! -, sondern ergibt sich dem rücksichts- losen Gebrauch der Besänftiger gegen sich selbst, säuft den Alko- hol bewußt in sein hinein, um sein Bewußtsein zurückzudrängen. Dazu gesellt sich nach längerer Übung der Bedarf des nunmehr ge- wöhnten Organismus. Wenn er also einerseits in zunehmendem Maße die immer rascher eintretenden Entzugserscheinungen betäubt, an- dererseits sich selbst anklagt, nicht mehr aufhören zu können, dann vollzieht er die notwendig falsche Schlußfolgerung praktisch wie theoretisch: statt über die ihm aufgezwungene Funktionalisie- rung des Genusses sich einen Gedanken zu machen - was Änderung des Zwangs und nicht des Genusses nach sich ziehen würde -, macht er sich selbst zum Schuldigen und Opfer. Daß er damit seiner Funktionalität zuarbeitet, verdient Anerkennung. "Man muß sich von dem Gedanken befreien, daß der Alkoholsüchtige ein lustiger Zecher ist, der sich aus dem Leben eine Gaudi macht, indem er häufig mal ein Schnäpschen zu sich nimmt." ("Süddeutsche Zeitung"). Im Gegenteil - er ist ein wahrer Mensch, nämlich einer, der nicht seiner Lust frönt, sondern die eigentümliche Leistung zustande bringt, sich selbst zu ruinieren, um den Anforderungen gerecht zu werden, der dabei allerdings den Mangel aufweist, nicht die volkswirtschaftlichen Kosten zu bedenken, oder, was das Gleiche ist, nicht zu bedenken, daß seine ganze Anstrengung nichts wert ist, und deshalb auch von niemandem gewürdigt wird, wenn er am Ende der Sozialversicherung, in die er zeitlebens einzahlt, zur Last liegt. Abgesehen von den Auswüchsen sind Raucher und Trinker also durch- aus vorbildliche Staatsbürger, insofern sie mit der Tatsache, d a ß sie die Zumutungen von Kapital und Staat nicht aushalten, so fertig werden, daß sie zur Flasche greifen. Deshalb pflegt Vä- terchen Staat einen differenzierteren Umgang mit Trinkern und Rauchern. Erstens einmal belegt er diese Laster mit Steuern, um auch etwas davon zu haben wobei er streng darauf achtet, daß sie nicht eine Höhe überschreiten, die es denen, die am meisten dar- auf verfallen müssen, verbietet, sich ihrer zu bedienen. Zweitens kümmert er sich weniger um die Raucher - sie fallen schließlich nicht so schnell und nachhaltig als 'Leistungsträger' aus - son- dern nimmt besonders seine Flaschen-Sorgen-Kinder in Schutz, in- dem er sich auf die Suche nach dem Bazillus macht, der sie in die Unmäßigkeit treibt. Wer Sorgen hat, hat auch Likör ------------------------------ Wer sich die Erklärung so einfach macht, findet bei den Gesund- heitsbehörden keine Anerkennung. Man muß den Kummer h i n t e r f r a g e n, wobei vor allem darauf zu achten zu, daß man nicht auf falsche Gründe stößt: E r s t e n s hat die "Sucht" nichts mit der Arbeit, bzw. der Stellung in der Gesellschaft zu tun: "Ob die Zugehörigkeit zu bestimmten sozialen Gruppen den Jugend- alkoholismus... fördert, oder hemmt, ist umstritten. Die bayri- sche Studie ergab, daß 'die Art des Berufs von Vater und Mut- ter'... offenbar keinen entscheidenden Einfluß hat." (SPIEGEL) Z w e i t e n s hat sie nichts mit unserer kapitalistischen Ge- sellschaft zu tun, ist ergo dem Menschen anzulasten. "Jugendalkoholismus breitet sich in allen Gesellschaften aus, sy- stemüberwindend im Kapitalismus wie im Kommunismus." (SPIEGEL) - was an den versumpften Kritikern selbst zu studieren: "Die Hasch-Helden sind vom Wünschen nach gesellschaftlicher Ver- änderung offenbar müde geworden, und irgendwie kapieren sie auch im Innern, daß das nicht der richtige Weg war. Aber i h r e Schwierigkeiten sind die gleichen geblieben und deshalb saufen sie." (SPIEGEL) Und der Bonner Drogen-Fachmann Franke "gesteht" denn nach ausgie- biger Ursachenforschung auch mit berechnender Bescheidenheit: "Was es nun ist, das in der gleichen Situation (!) den einen süchtig werden läßt und den anderen nicht, das wissen wir nicht." Der Schuldige ist gefunden: ein willenloser Mensch, der die Si- tuation nicht als Aufgabe, Auftrag, Mutprobe begreift. Wer den Alkohol so sehr leiden kann, daß er sich nicht funktional vollau- fen läßt, muß sich die Beschuldigung gefallen lassen, daß das Mittel, das ihm nur dafür zugestanden wird, sich für ihn zur Droge gemausert hat, die ihn knechtet. "Der Alkohol wird (!) zur Droge Nummer eins, weil (!) er von den Leuten toleriert wird." (Drogenbeauftragter Strobel) Einer Droge gegenüber, bzw. einem Menschen, der durch seinen falschen Umgang mit dem Alkohol "süchtig" geworden ist, der also seinen "Willen verloren" hat, ist Toleranz nicht angemessen. Ihm gehört der Alkohol entzogen! Die Therapie sieht dann entsprechend aus: - Zuerst wird die E n t w ö h n u n g brutal durchgesetzt. - Weil die Gründe, weswegen einer zum Säufer wird, sich natürlich durch eine Entziehungskur nicht ändern, geschweige denn aufgeho- ben werden, muß der Patient sich ändern. - der falsche Grund für den Alkoholismus, ein w i l l e n s- s c h w a c h e s I n d i u i d u u m läßt sich treiben, gibt die Ideologie für die Leugnung objektiver Ursachen dafür ab, warum einer es ohne die Flasche nicht mehr aushält. - Damit er seine Willenskraft trainiert, läßt man ihn in der The- rapie die Schmerzen der E n t z i e h u n g s e r s c h e i- n u n g e n bewußt aushalten und verzichtet so weit als möglich auf die Verabreichung von Medikamenten zu ihrer Bekämpfung. - Das Ziel ist, die alte Persönlichkeit, die vor den Herausforde- rungen des Lebens versagt hat, durch eine neue zu ersetzen, die es auch ohne Promille bringt. "Den Helfern bleibt nicht viel mehr, als die Persönlichkeit ihres Patienten zu stabilisieren." (SPIEGEL) "Ich heiße Flasche und bin Alkoholiker!" ---------------------------------------- "In den modernen Kliniken für Alkoholkranke wird auch nicht bloß der Körper entgiftet." (Propagandaschrift der Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung, im folgenden PBGA) Die Misere, die den Süchtigen hier erwartet, wird ihm nun als von ihm selbst gewollte - und erzieherisch wertvolle - Strafe vorge- halten. "...er hat das unwiderstehliche Verlangen nach immer neuer Ein- nahme der Droge, um Lust zu erzeugen bzw. Mißbehagen zu beseiti- gen." (Harsch, Hilfe für Alkoholiker) also sorgt man kräftig da- für, daß genügend Mißbehagen vorhanden ist. Das ist erstens bil- liger - wer kann sich schon eine teure, gemütliche Kur in einer Privat- klinik leisten - und zweitens läßt sich das todsicher verstärkt sich einstellende Bedürfnis gut als Demonstration ewiger Abhän- gigkeit verwenden, um den Patienten daran zu g e w ö h n e n, daß es auf das Aushalten von Mißbehagen ankommt, nicht auf dessen Beseitigung. Die Entgiftung des Geistes muß also darin bestehen, ihm alle dar- auf zielenden Ausflüchte, seine Probleme an den Realitäten außer ihm festzumachen, auszutreiben: "Daß junge Alkoholiker ihre Probleme 'projektiv der Gesellschaft' vorwerfen" (SPIEGEL), dem muß energisch entgegengetreten werden. Stattdessen muß er zu- geben, daß er von etwas getrieben wird, was er schon längst hin- ter sich gelassen hat: seine Zeugung im Suff, die miese Kindheit oder das Bier, das er als Baby soff. Der Patient befindet sich also bereits auf dem Wege der Besserung, wenn er "diffus über Unzufriedenheit, innere Spannungen, Selbsthaß, de- pressive Stimmung, Lebensunlust, Gefühl der Leere, Unfähigkeit zu lieben" (ibid) klagt. Damit steht er kurz vor dem "Durchbruch zur Realität", den solche, die ihn bereits geschafft haben, so charakterisieren: "Wir gaben zu, daß wir dem Alkohol gegenüber haltlos sind - und unser Leben nicht mehr meistern konnten" (Harsch) Einer, der sich dabei hart tut und es als "Zumutung" empfindet, "die Machtlosigkeit der Droge gegenüber zuzugeben", muß mit allen Mitteln kleingekriegt werden, denn "So gut dies auch klingen mag, es ist die Sprache der Abwehr, die sich weigert, die Realität anzuerkennen." Nur einer, der ohne Umschweife zugibt, daß er ein Schwein ist, verspricht erfolgreich die weiteren Zumutungen an sich durch- zusetzen. Denn wenn "der Drogenabhängige selbst aktiv zugibt, wie machtlos er dem Al- kohol gegenüber ist" ist es auch nicht mehr ein "unerhört schweres Unterfangen", "einem Suchtkranken klarzuma- chen, daß er niemals wieder zu Alkohol greifen darf." (SPIEGEL) Okay: "ich bin o.k." - alls ist o.k. ------------------------------------ Nicht, daß der "Geheilte" ersatzlos wieder in die Welt geschickt wird - nein, er bekommt einen Schwung chemisch reiner Drogen mit auf den Weg: Geduld und Demut "Die neue Haltung... aus Demut und Geduld, das Gegenbild zur früheren Einstellung des Abhängigen: Allmacht und Ungeduld" (Harsch), F ü g s a m k e i t: "Gerade am heutigen Tag möchte ich mich auf das, was da ist, einstellen und nicht versuchen, alles nach mei- nen Wünschen zu richten" S e l b s t v e r a r s c h u n g: "andere nicht kritisieren, keine Fehler aufspüren und niemanden verändern außer mich selbst" - "daß man, wenn mau sich 'mies' fühlt, ruhig mal zeigt, wie ei- nem zumute ist, ohne sich darum zu kümmern, wie die anderen rea- gieren" (PBGA) - und sich immer wieder den Lincoln-Spruch vorsa- gen: "Die meisten Menschen sind so glücklich wie sie sein wollen" (Harsch) Hat man das alles drin, kann man sich noch "positive Verstärker" geben, die zur weiteren Abhärtung beitragen: macht einen der Chef so richtig runter, kein Selbstmitleid zeigen, sondern das Selbst- mitleid "unterbrechen und dafür seine neue Vorstellung von sich selbst einbringen." (Harsch) "Lieber ein bekannter Säufer als ein anonymer Alkoholiker!" ----------------------------------------------------------- Doch sei die psychoterroristische Behandlung auch noch so massiv und die daraufhin gefaßten Vorsätze noch so eisern gewesen - mit der Entlassung stellt sich für den Entwöhnten noch jedesmal her- aus, daß seine Gründe, aus denen heraus er das Saufen anfing, nicht beseitigt sind. Somit stellt sich für ihn sofort das Pro- blem - nicht: "Was mache ich jetzt?", sondern - "Wie v e r m e i d e ich, rückfällig zu werden?" Gottseidank gibt es da private Organisationen, die dem Staat das Problem weiterer Überwachung abnehmen, allen voran die "Anonymen Alkoholiker". Der Zweck dieses Vereins besteht darin, daß die darin Versammelten und nur auf Verdacht dem gänzlichen Verfall Entkommenen sich selbst als Gruppe bei der Stange halten. So beten sie sich allwö- chentlich gegenseitig vor, wie große Schweinehunde sie eigentlich sind, und gewinnen ihr Selbstbewußtsein daraus, daß sie n o c h nicht wieder versumpft sind - beteuern sich also gegenseitig die eine und entscheidende "Wahrheit", die sie aus den Anstalten mit- genommen haben: nie wieder einen Tropfen, denn ich bin - für im- mer - süchtig! Eine trostlose Veranstaltung, deren bescheidener Nutzen nur bei denen anschlägt, deren Tagesablauf nicht so auf- reibend ist, daß die Flasche als unverzichtbare Hilfe erscheinen m u ß. Doch auch die, die wieder und wieder rückfällig werden, sind nicht verloren. Die staatliche Garantie des "Schutzes des Lebens" sorgt dafür, daß sie nicht zu schlichten Selbstmördern werden: kaum in der Gosse gelandet, schleppt man sie in Irrenhäuser, legt sie trocken und stopft sie mit Tabletten voll, und das sooft, wie sie es noch schaffen, in die Gosse zu fallen. Angesichts wieder und wieder vorgeführter Fälle von Delirium tremens, sagt der Staat: L e b e n mußt du! W a s für ein Leben ist es - daß ist die Sache des Säufers. P.S. Wer kommt da noch auf den Gedanken, daß man sich einfach eine Halbe einschenkt und sich dazu eine anzündet, bloß weil's schmeckt und wegen der Gemütlichkeit? *** Gesellschaftliches Saufen ------------------------- "Am Saufen ist nichts alternativ und nichts feministisch. Es wird nichts besser, sondern alles nur schlimmer. Saufen ist keine Stärke, und kein Tabubruch. Am gesellschaftlichen Trinken gehen heute schon die kaputt, die während der Studentenbewegung ange- fangen haben zu saufen. Wenn sie Glück haben, haben sie noch ein, zwei Jahre. In fünf Jahren sind dann die Frauen kaputt, die die ersten Zentren aufgebaut haben. Schon jetzt hört man von 'Alt'- Lesben, die durch den Alkohol im Rollstuhl gelandet sind und nur mit Mühe wieder Sprechen gelernt haben. In zehn Jahren wäre dann die Anti-AKW-Bewegung dran. Das ist gesellschaftliches Trinken." (in: "Courage" 11. Nov. 79, 4. Jg., S. 18) zurück