Quelle: Archiv MG - BRD SOZIALPOLITIK FAMILIE/FRAU - Fröhliches im Intimbereich


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DER PARAGRAPH 218 IST UNTEILBAR

1. Die Zonis sind frei, das alte "Völkergefängnis" DDR mit seiner "Gängelung und Bevormundung der Leute bis in die tiefste Pri- vatsphäre" hinein ist erledigt. Also brauchen die Leute drüben ein Abtreibungsverbot mit Androhung von Gefängnisstrafen. Denn das gehört zur bundesdeutschen Freiheit. 2. Darauf bestehen die regierenden Christdemokraten im Lande. Die derzeit gültige Fristenregelung der DDR soll, wenn es nach ihnen geht, abgeschafft werden. Allerdings nicht sofort: nach langem Hin und Her haben sich die Parteien darauf geeinigt, daß für zwei Jahre im neuen Großdeutschland "zweierlei Recht" gelten soll. Auf dem Gebiet der ehemaligen DDR gilt so lange die alte Fristenlö- sung; in der BRD gilt weiterhin bundesdeutsches Recht. Danach soll das künftige gesamtdeutsche Parlament neu beschließen, und das "so bald wie möglich". Denn für die hiesigen C-Parteien ist der jetzt geschaffene Zustand im Prinzip unhaltbar. Schließlich haben sie sich ja erst einmal für zwei Jahre darauf eingelassen, daß bundesdeutsche Frauen sich ihrer rechtmäßigen Strafe fürs Ab- treiben ungehindert entziehen können, wenn sie dazu in die ehema- lige DDR reisen. Wo bleibt da die "Rechtssicherheit", die jedem deutschen Arzt und jeder deutschen Frau sagt, wofür ihnen auf deutschem Boden Strafe droht und was ihnen allenfalls erlaubt ist! 3. Auf jeden Fall steht fest: das Ganze ist eine "Übergangsrege- lung". Die ändert nichts an dem Tatbestand, daß die Zonis auf jeden Fall einen neuen Abtreibungsparagraphen brauchen: einen, der zu den neuen marktwirtschaftlichen Verhältnissen paßt, in denen sie jetzt zurechtkommen müssen. Diese Verhältnisse stellen die Zonis ja nicht nur vor völlig neue ökonomische Notwendig- keiten; sie bringen auch die alten realsozialistischen Bequem- lichkeiten der Kinderaufzucht ziemlich durcheinander. Für jedes Kind einen Kinderkrippenplatz - das war "typische DDR-Gängelei". Jetzt herrscht Freiheit: Die Freiheit, sich in der marktwirt- schaftlichen Konkurrenz sein Geld verdienen zu müssen, und dane- ben ganz frei für ein einigermaßen reibungsloses Familienleben zu sorgen. DDR-Frauen dürfen also neue Erfahrungen machen: Kinder muß man sich leisten können. Und sie werden mit der hierzulande gängigen "Frauenfrage Nr. 1" vertraut gemacht: "Kind oder Geld- verdienen?" bzw. auf gehobener Ebene: "Kind oder Karriere?" Zu diesen neuen Verhältnissen paßt die Freiheit in Abtreibungsfragen nicht, die der alte DDR-Staat gewährt hat. Das meint zumindest der Großteil der bundesdeutschen Politiker, die den Leuten drüben ihre neuen Lebensumstände verpassen. 4. Staatsmänner halten das Kinderkriegen nämlich für eine viel zu wichtige Affäre, um die Entscheidung darüber einfach den betrof- fenen Eltern zu überlassen. Deutsche Kinder - das ist der Nach- schub an Staatsbürgermaterial, auf das die Staatsgewalt ein Recht hat. Deshalb werden Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe ge- stellt. 5. Gerade unter bevölkerungspolitischen Gesichtspunkten ist die Sa- che mit der "puren Strafandrohung" allerdings auch wieder be- denklich. Politiker von SPD, FDP und die CDU-Mutti Süssmuth haben sich etwas anderes ausgedacht. Sie verweisen darauf, daß "Strafe allein nichts nutzt, sondern alles nur noch schlimmer macht". Denn abgetrieben wird weiter. Ein Wunder ist das nicht: An den Gründen der Leute, sich gegen ein Kind zu entscheiden, hat sich durch die Strafandrohung ja nichts geändert. Also lautet das Kon- zept der "liberalen Bevölkerungspolitiker": Man kann die Leute nicht zum Kinderkriegen zwingen. Deshalb müssen staatliche Behör- den auf die "Notlage" der Frauen, in die sie der Staat mit seiner Gesetzgebung gebracht hat, eingehen: Die Schwangeren werden ge- setzlich zu einer "Beratung" verpflichtet, in der ihr Mutterin- stinkt weichgeklopft wird. 6. So profan wird der Streit zwischen den "Hardlinern" und den "Liberalen" allerdings nicht geführt. Keiner sagt einfach: Es geht darum, wie man am effektivsten verhindern kann, daß dem Staat Nachwuchs vorenthalten wird. Lauter großartige moralische Grundsätze werden von beiden Seiten bemüht: Da schlummert der liebe Gott in jeder Eizelle; die Frau empfindet als Mutter tief- ste Verantwortung für Kinder, die es überhaupt noch nicht gibt; einerseits muß sich die Frau als Mutter, andererseits die Mutter auch als Frau selbstverwirklichen, was irgendwie alles nicht ganz einfach ist... usw. usw. Das Ergebnis dieses verantwortungsvollen Gewäschs: Alles ist vermischt; keiner kann mehr "psychische Not- lagen von Frauen und Ärzten" von der staatlichen Rechtspraxis und der dazugehörigen Moral unterscheiden. Aber dafür weiß jeder, daß eine Abtreibung ein riesengroßes moralisches Problem ist. 7. Das müssen die Zonis wirklich noch lernen. Diese Sorte Moral-Kam- pagne hatte ihr alter DDR-Staat einfach nicht in seinem "Gängelungs-Programm". Deshalb halten es die Bonner Macher des Staatsvertrags offensichtlich für ungeschickt, die bisherige DDR- Abtreibungsregelung direkt mit dem Anschluß der DDR außer Kraft zu setzen. Wenn schon der Kohl-Kumpel de Maiziere damit Reklame macht, die Fristenlösung wäre eine "erhaltenswerte soziale Er- rungenschaft der DDR", warum sollte man sich dann die Anschluß- Feierlichkeiten durch unschöne soziale Bedenklichkeiten der neuen ostzonalen Bürger stören lassen?! Bedenklichkeiten, die noch dazu höchstens der PDS ein paar zusätzliche Wahlstimmen bringen könn- ten. Wenn das gesamtdeutsche Parlament dann - "so bald wie möglich" - auch in dieser Frage einen einheitlichen deutschen "Rechtsraum" hergestellt hat, wird sich die dazu passende gesellschaftliche Moral sowieso zwangsläufig einstellen. *** Freiheit für Polen - Gefängnis für Abtreibung --------------------------------------------- In Polen hat eine katholische Abgeordnetengruppe eine Gesetzes- initiative gestartet, die, anstelle des jetzigen Rechts auf Ab- treibung, das vollständige Verbot mit Haftstrafen für Frau und Arzt bis zu fünf Jahren vorsieht. Den kritischen Frauen- und So- lidarnosc-Freunden von der taz ist dazu folgendes eingefallen: "Unter vielen Forderungen des demokratischen Widerstands gibt es auch Undiskutables, Vorschläge, die man - buchstäblich - nur als reaktionär bezeichnen muß." (taz, 8.5.) Ihr seid schon gut, Freunde von der taz. Erst voll und ganz auf die 'Solidarität' mit ihrer religiös-nationalistischen Linie und ihrem erzkatholischen Walesa setzen und dann so tun, als wären die Ergebnisse des "demokratischen Widerstands" nicht die Frei- heit, die schon immer gemeint war. zurück