Quelle: Archiv MG - BRD SOZIALPOLITIK FAMILIE/FRAU - Fröhliches im Intimbereich


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       Die Abtreibung  ist wieder ins Gerede gekommen. Und dabei geht es
       nicht  nur   um  die   Entlastung  des   Krankenkassenetats   von
       "sachfremden" Kosten:
       
       "Im Kern  geht es  bei der Problematik um bestimmte Leitbilder in
       unserer Gesellschaft, die nahezu ausschließlich am perfektionier-
       ten Wohlleben und belastungsfreien Wohlbefinden des einzelnen und
       der bedenkenlosen Machbarkeit des Wünschbaren und des Glücks ori-
       entiert sind." (CDU-Remmers)
       
       Weil die  Leute kalkulieren,  wieweit sie sich ihren Kinderwunsch
       leisten   können,   denunziert   sie   der   Wendepolitiker   als
       "bedenkenlose" Gesinnungstäter,  die die  Bereitschaft zum  Opfer
       vermissen lassen.  Das Kinderkriegen  ist eine  Belastung und als
       solches gefordert,  heißt der "geistig-moralisch-erneuerte" Impe-
       rativ. Der  Staat verordnet  die Definition  seiner Notlage ("die
       Deutschen sterben  aus")  und  verweist  z.B.  mit  dem  Argument
       "Pillenknick" auf  die Notwendigkeit neuer wehrgerechter Regelun-
       gen des  Personalbestandes der  Bundeswehr. So  bekommt jeder die
       gewachsenen staatlichen Ansprüche an dessen Menschenmaterial mit-
       geteilt: Ab sofort gefährdet die "ausufernde und allzu locker ge-
       handhabte Notlagenindikation" den Bestand der Nation.
       Daß für diese höheren Ansprüche jeder geradezustehen hat, das hat
       man als die Verwirklichung der eigenen Staatsbürgematur zu akzep-
       tieren. Denn Kinderlosigkeit ist ein Zustand der Krankheit, da er
       
       "erheblich von  der durch  das Leitbild des gesunden Menschen ge-
       prägten Norm abweicht",
       
       wie es  nach deutsch-richterlichem  Urteil heißt, für dessen Hei-
       lung die  Kosten nicht zu schade sind, weshalb die Entstehungsko-
       sten von  Retortenbabies auch  von der  Kasse zu übernehmen sind.
       (Solche   H e t z e  war der Auftakt zur erneuerten Diskussion um
       den Paragr. 218, daher einige
       
       KLARSTELLUNGEN ZUR ABTREIBUNGSDEBATTE
       =====================================
       
       1.
       
       Die Sache  mit der  Abtreibung, sollte  man meinen,  verhält sich
       recht einfach. Aufgeklärte Menschen wissen um die mögliche Konse-
       quenz ihres  mehr oder minder fröhlichen Treibens miteinander und
       beugen ihr,  so sie  selbige vermeiden  wollen, entsprechend vor.
       Wenn, durch  Ungestüm oder Vergeßlichkeit, dann doch Nachwuchs im
       Anmarsch ist,  muß man sich halt bei Zeiten überlegen, ob man den
       Balg doch will - oder eben nicht. Die Medizin verfügt ja mittler-
       weile über  Wissen und Technik, diesen Entschluß ohne großen Auf-
       wand in die Tat umzusetzen. Und damit Schluß.
       
       2.
       
       In einem   m o d e r n e n   R e c h t s s t a a t  freilich geht
       es jetzt erst los:
       - Zum einen  entwickelt der zwar keine "Liebe zum Kind", aber im-
       merhin ein Verlangen danach, daß seine Untertanen sich vermehren.
       An       der       amtlicherseits       penibel       errechneten
       G e b u r t e n r a t e   wird das  gar nicht  vornehme Interesse
       kenntlich, das  der Staat am Liebesleben seiner Bürger nimmt. Als
       Material zum  Einsatz in  Wirtschaft, Verwaltung  und Kriegswesen
       will er  stets über einen soliden Grundstock an eigenem Volk ver-
       fügen. 2,5  oder so, wegen der unvermeidlichen Ausfälle, gilt ihm
       als Ideal der durchschnittlichen Wurfmenge pro Pärchen. Weil ent-
       weder das  Bedürfnis bürgerlicher  Liebesleute,  gemeinsam  einen
       leibhaftigen Beweis  ihrer großartigen Liebe zueinander zu produ-
       zieren, oder  auch einfach  das Bewußtsein, daß sich so etwas für
       anständige Eheleute gehört, regelmäßig zu genügend Nachwuchs füh-
       ren, hat  der  Staat  nichts  dagegen,  wenn  sich  seine  Bürger
       M e t h o d e n    d e r    E m p f ä n g n i s v e r h ü t u n g
       bedienen. Im  Gegenteil -  er rät  ihnen sogar  dazu, weil er auf
       nützlichen Staatsbürgernachwuchs  scharf ist  und nicht auf hoff-
       nungslose Sozialfälle,  die ihm von Geburt an auf der Tasche lie-
       gen.   In    der   Schule    läßt    er    seine    Volkserzieher
       S e x u a l k u n d e u n t e r r i c h t   erteilen und  Aufklä-
       rung geben über den "verantwortlichen", also staatsnützlichen Um-
       gang mit  Geschlechtsorganen. Ein Unterfangen, dem sich vor allem
       "fortschrittliche Lehrer" schamlos und mit Freude widmen.
       - Zum anderen  gewährt der  demokratische Staat, großzügig wie er
       ist, seinen  Untertanen ein   R e c h t  a u f  L e b e n,  macht
       also für  sich ein  M o n o p o l  zum Töten geltend, indem er es
       allen anderen  verbietet. Weil  der Staat  p r a k t i s c h  von
       allen  vorhandenen   Interessen,  von   Willen   und   Bewußtsein
       a b s t r a h i e r t,   wenn er seine Staatsbürger mit dem Recht
       auf Leben  verwöhnt, fällt es ihm auch leicht, in einem Zellhäuf-
       chen den  jungen Mitbürger  zu begrüßen,  dessen Leben  unbedingt
       "geschützt" gehört.  Nicht, weil  er "die  Frauen in Abhängigkeit
       halten" will, wie manche argwöhnen, und auch nicht, weil er unbe-
       dingt auf  Nachwuchs bestehen  würde,  v e r b i e t e t  der mo-
       derne Staat die  A b t r e i b u n g  und stellt sie unter Strafe
       - sondern  weil er ganz prinzipiell auf seine alleinige Entschei-
       dungsbefugnis über Tod und Leben beharrt.
       Aus Gründen  der Funktionalität  für ein  geordnet"  Gemeinwesen,
       also aus  gar nicht  menschenfreundlichen Erwägungen  heraus, ge-
       stattet er  bedingte Ausnahmen  und gewährt    S t r a f f r e i-
       h e i t:
       M e d i z i n i s c h e   I n d i k a t i o n:   Wenn sich  statt
       strammen Nachwuchses  ein Krüppel  einzustellen droht, der nichts
       leistet aber  viel kostet, oder aber wenn es gilt, Gesundheit und
       Leben einer fertigen Staatsbürgerin gegenüber der ungewissen Per-
       spektive  eines   möglichen  Neuzugangs  den  Vorrang  zu  geben;
       S o z i a l e   I n d i k a t i o n:  Wenn nach penibler Überprü-
       fung das amtliche Urteil feststeht, daß hier nur ein Fall für die
       Fürsorge ausgebrütet  wird oder  aber wenn  die  Frau  nachweisen
       kann, daß  sie mit  (noch) einem Kind ihren unbedingt notwendigen
       Funktionen als  Hausfrau, Mutter, Lohnarbeiterin nicht mehr nach-
       kommen kann; schließlich die
       F r i s t e n l ö s u n g   als Gipfel  der "Liberalität", wo der
       staatliche Heiter  allen Lebens der Frau eine Frist einräumt, die
       Sache zu  bereinigen - mit der Auflage, einen Arzt mit der Durch-
       führung zu  beauftragen. Die  besorgten Klagen,  daß die Zahl der
       Abtreibungen mit  Einführung der  Fristenlösung nicht weniger ge-
       worden ist -, verraten alles über die Motive des Gesetzgebers.
       Aufgeklärte Hirten  der oberen  Ränge, die  ihren  Glauben  immer
       schon mit  den jeweiligen staatlichen Geboten zu arrangieren wuß-
       ten, mischen  sich da  nicht groß  ein  und  überantworten  ihren
       Schäfchen die  Methoden der  Empfängnisverhütung  als  Gewissens-
       frage, an der sie ihren Glauben bewähren können.
       Bei der  Abtreibung freilich bleibt der Stellvertreter Gottes auf
       Erden stur:  Wo sich  zwei Zellen im Namen Gottes gefunden haben,
       muß das Wunder des Lebens auch vollbracht werden egal, in welchem
       Zustand und  unter  welchen  Umständen  es  das  Licht  der  Welt
       erblickt...
       
       3.
       
       Die   K i r c h e   mit ihrem  Glauben, daß das Leben heilig ist,
       hält naturgemäß  gar nichts  davon, dem  Herrgott ins Handwerk zu
       pfuschen. Unerschütterlich  in dem  Dogma, daß  der Herr  uns die
       Kindlein schenkt,  will sie  schon die Liebe nur zulassen, sofern
       sie in der keuschen Absicht erfolgt, diesem Akt göttlicher Schöp-
       fung auf  die Sprünge zu helfen. Dogmatiker der reinen Lehre hal-
       ten schon die Praktizierung des vatikanischen Roulettes für einen
       sündigen Eingriff  in den  göttlichen Plan,  gemäßigten  Christen
       verdankt die  Menschheit  schlüpfrige  Debatten  aber  das  heiße
       Thema, was  alles noch mit dem Willen Gottes zu vereinbaren wäre:
       nur Präservative oder gar auch die Pille danach?
       Die   Ä r z t e s c h a f t  widmet sich dem Thema vom Standpunkt
       der Gesundheit  - aber  nicht der  der Frauen, die sie verarzten,
       sondern der  des  V o l k s k ö r p e r s,  für dessen Wohlbefin-
       den sie  sich verantwortlich wissen. Insbesondere die hochbezahl-
       ten Facharbeiter  für Unterleibsfragen  fühlen sich dazu berufen,
       ihr gewichtiges  Wort zu  erheben -  als würde es sich von selbst
       verstehen, daß  die mäßigen  medizinischen Fertigkeiten,  die zur
       Durchführung der  fraglichen Operation  von Nöten sind, dazu füh-
       ren, irgendeine  statistische Zahl  mit exquisiter  Kompetenz für
       "zu hoch"  zu befinden, für mehr "Verantwortung gegenüber der Se-
       xualität" oder auch für "gesunde Familien" zu plädieren.
       Wenn sie  nicht gerade  als Volkshygieniker  öffentliche Debatten
       abwickeln, machen  sie aus  der Abtreibung das, was sie immer ma-
       chen: ein Geschäft für sich.
       
       5.
       
       Praktisch sind  Frauen mit  der Abtreibung befaßt, indem sie eine
       durchführen lassen.  Dabei unterscheiden  sie sich  darin, welche
       Modalitäten der Operation sie sich leisten können; was sie finan-
       zieren müssen, obwohl sie es sich eigentlich nicht leisten können
       und welche  Schwierigkeiten sie  sonst noch  zu bewältigen haben,
       etwa weil  in einem  christlich inspirierten  Krankenhaus  nichts
       läuft.
       Die Zumutung  zurückzuweisen, daß sich der Staat bis in den Bauch
       hinein für  zuständig erklärt und an den finanziellen Belastungen
       zu bemerken,  daß eine  Wohltat für Frauen gar nicht im Sinne des
       staatlichen Erfinders der Fristenlösung gelegen hat, das ist eine
       Sache;
       um   V e r s t ä n d n i s   zu  werben  für  Frauen,  "die  ihre
       Schwangerschaft  abbrechen  wollen"  und  die    B e r e c h t i-
       g u n g   dazu aus  den erlesenen Gewissensbissen abzuleiten, die
       sich eine  verhinderte Mutter bei ihrer Entscheidung bereitet hat
       - das  ist allerdings  eine ganz  andere Sache. Und wer dazu noch
       den Wunsch nach "Änderung der ökonomischen und gesellschaftlichen
       Situation" laut  werden läßt,  damit endlich "bessere Bedingungen
       für Kinder  und Mütter  geschaffen werden" der muß sich schon den
       Verdacht gefallen  lassen,  daß  sich  seine  Gegnerschaft  gegen
       reaktionäre Menschenfreunde  aus derselben  Quelle speist wie der
       Tatendrang   der    gehaßten   "Abtreibungsgegner":    aus    der
       "Verantwortung" vor  dem Leben,  der man  gerne nachkommen würde,
       wenn die "Situation" einen nur ließe.

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