Quelle: Archiv MG - BRD SOZIALPOLITIK FAMILIE/FRAU - Fröhliches im Intimbereich
zurück Paragraph 218ABTREIBEN ODER AUSTRAGEN - EINE STAATSAFFÄRE
"So wie der Staat es in seiner Justiz macht - er bestraft den Mord, sichert sich aber das Monopol darauf-, so macht er es eben überhaupt: Er verbietet uns, unsere Nachkommen am Leben zu ver- hindern - er wünscht dies selber zu tun. Er behält sich vor, sel- ber abzutreiben, und zwar erwachsene, arbeitsfähige Menschen." (Bertolt Brecht) Das Kinderkriegen ist keineswegs bloß Privatsache, auch wenn die Leute, die sich unbedingt etwas Kleines leisten wollen, das so sehen mögen. Es ist eine sehr nationale Frage, weil das deutsche Volk seiner Obrigkeit gar nicht zahlreich genug sein kann. Die paßt deshalb auf, ob sich gehörig vermehrt wird. Dabei hat sich schon immer der Umstand als sehr staatsnützlich erwiesen, daß das Schwanger-Werden oft genug ohne Absicht und ge- gen den Willen der Beteiligten passiert. Da sich das nur mit me- dizinischer Unterstützung wieder rückgängig machen läßt, bietet sich eine feine Gelegenheit, die ganze Sache zu einer Frage staatlicher Verbote und Erlaubnisse zu m a c h e n. Abtreiben oder nicht - das ist eine Entscheidung, die gar nicht mehr bloß die Betroffenen etwas angeht, sondern in die sich sofort der Ge- setzgeber einschaltet. Paragr. 218 - nach wie vor ein Strafrechtsparagraph --------------------------------------------------- Gegen das Gerücht von der aufgeklärten liberalen Bundesrepublik: Abtreibung ist nach wie vor ein Delikt, ein Fall im Strafrecht. Es gilt erst einmal der staatliche Zwang, unbeabsichtigte oder ungewollte Kinder dennoch in die Welt zu setzen. Weil aber dieser Zwang oft genug kleinere private Katastrophen verursacht, weil deshalb auch garantiert immer illegal abgetrieben wird, mit einer entsprechenden medizinischen Fehlerquote, und die staatliche Ein- flußnahme sich dann auf gelegentliches Bestrafen vor Gericht "beschränkt", deshalb hat sich der aufgeklärte Rechtsstaat zu ein paar A u s n a h m e n durchgerungen, die er gesetzlich regelt. Das ist der ganze Fortschritt, den der Paragr. 218 zu bieten hat: ein Abtreibungsverbot mit ein paar Klauseln, unter denen der Staat zugesteht, daß das Austragen nicht immer und unbedingt ge- gen alle Gründe der Betroffenen sein muß. In jedem Fall aber ist e r es, dem die Entscheidung zusteht, ob die Schwangerschaft ab- gebrochen werden kann und nach welchen Kriterien diese Erlaubnis erteilt wird. Die Abtreibungswilligen haben vor halbstaatlichen/staatlichen Stellen anzutreten und sich zu verantworten; eine "Indikation" muß es schon sein, um die staatliche Genehmigung zu bekommen. Daß man keine Lust hat; daß das Kind einfach nicht in die private Le- bensplanung hineinpaßt; daß man vielleicht nicht wegen eines Kin- des heiraten, sich aber auch nicht gleich als uneheliche Mutter präsentieren mag, das alles sind noch längst keine staatlich an- erkannten "Argumente". Eine "medizinische", "ethische" oder "soziale" N o t l a g e - und zwar eine behördlich so definierte - ist schon verlangt, also der von der Schwangeren zu erbringende Nachweis, daß der Staats a u f t r a g zur Nachwuchsproduktion unter so mißlichen Umständen nicht gut bedient wäre. Die medizi- nische Indikation z.B. verlangt den Nachweis ernster gesundheit- licher Schäden und ist zweifelsfrei überhaupt erst bei Gefahren für das Leben der Mutter; eine soziale ist nach dem Willen des Gesetzgebers eigentlich erst auf dem Niveau von Sozialhilfeemp- fängern denkbar. Man muß also entweder die richtigen Ärzte-Adres- sen haben oder glaubhaft die erforderliche Notlage vorheucheln können. Des weiteren müssen Arzt oder Klinik, die sich zur Ab- treibung bereit erklären, erst ermittelt werden. Da respektiert der Staat nämlich die "Gewissensfreiheit" des medizinischen Stan- des, der zu diesem "Eingriff" nicht gezwungen werden kann - beim "Gewissen" der Schwangeren selber ist er längst nicht so zurück- haltend. Das wird penibel überprüft und mit moralischen Erpres- sungen von der Machart "Mord an ungeborenem Leben" und Horrorpla- katen von zerhackten Embryos traktiert. Soweit die gültige Praxis des Paragr. 218, und die ist den amtie- renden Politikern entschieden zu großzügig. Für ihren Geschmack gelingt es dem weiblichen Personal viel zu gut, sich dem Staats- auftrag zur Volksvermehrung zu entziehen. Abtreibungsverbot modern: ------------------------- Die Schwangeren brauchen noch viel mehr "Beratung" -------------------------------------------------- So wettern die christdemokratischen Vorkämpfer der "Famillje" un- entwegt gegen die empörenden "Morde" an befruchteten Eizellen. Andererseits sind sie Wahltaktiker genug gewesen, um sich nicht mit ihrer anfänglichen, etwas plumpen Idee einer Verfassungsklage gegen die Krankenkassenfinanzierung beim Wahlvieh "Frau" Punkte zu vergeben. Als Material für eine ständige Debatte werden diese Ideen natür- lich beibehalten; zum Beispiel entdeckt die CDU immer wieder, daß das Gewissen der Krankenkassenbeitragszahler sich fürchterlich damit herumquält, daß es diese "Morde" am ungeborenen Leben fi- nanziert. Die Programmkommission der CDU hat eine Informations- kampagne empfohlen, "für die der Bund mindestens soviel Mittel wie bei der Aids-Aktion aufbringen müßte" - die öffentliche Emp- fehlung von Kondomen ist ja bevölkerungspolitisch wirklich ein Sünde -: "Ziel sei es, deutlich zu machen, daß Abtreibungen nicht mit einer Krankheit verwechselt werden dürften, die versichert sei," (Süddeutsche Zeitung, 20.2.). So wird die öffentliche De- batte um Abtreibung am Leben erhalten und mit so manchen erlese- nen Gegenargumenten angereichert. Die Herstellung und Pflege ei- nes Klimas, in dem Abtreiben als moralisch anrüchig gilt, tut auch ihre Wirkung, insofern sich genügend blöde Schwangere das Moralproblem aufschwätzen lassen. Als gesetzgeberische Maßnahme haben sich die C-ler nunmehr die berechnende Heuchelei einfallen lassen, daß die armen Schwangeren noch viel zu wenig "beraten" werden, daß folglich der Paragr. 218 durch ein "Beratungsgesetz" ergänzt werden muß mit vielen Einzel- festlegungen, die die Erlaubnis zum Abtreiben als kleineres Hin- dernisrennen organisieren. Nach dem Muster der in Bayern und Ba- den-Württemberg längst gängigen Praxis; denn mit ihren unerschüt- terlichen Regierungsmehrheiten haben die C-Mannschaften im Süden der Republik Pionierarbeit dafür geleistet, das Mißverständnis, der Paragr. 218 enthielte ein Recht auf Abtreibung, erst gar nicht aufkommen zu lassen. Nach deren Vorbild will das Süßmuth-Gesetz die Pflicht fest- schreiben, daß die "Beratung z u g u n s t e n d e s L e b e n s" stattzufinden hat. Beratung und Indikation müssen von verschiedenen Personen erfolgen und die Beratung vor der In- dikationsstellung, so daß folgende Gänge anstehen: 1. Arzt zur Feststellung der Schwangerschaft 2. Beratungsstelle 3. Arzt zur Indikationsstellung 4. Klinik, wo ein Arzt (diesmal muß es ein anderer sein) den Abbruch macht, wenn er sich überzeugt hat, daß die Gründe ausreichend sind. Der Zwang, mehrere Stellen anlaufen zu müssen, sorgt ganz automatisch dafür, daß dem staatlichen An- liegen auch genügend Gewicht beigemessen wird. Die bürokratischen Umständlichkeiten garantieren, daß niemand um eine gründliche und langandauernde Gewissensprüfung herumkommt. Eine drohende Frist- versäumnis darf keinesfalls der Grund sein, die Gewissensprüfung zu vernachlässigen. Wenn auf diesem Weg die eine oder andere un- gewollt Schwangere zum Kinderglück kommt, wer wollte da einen Schuldvorwurf erheben. Daß eine Abtreibung auf diese Weise einige Wochen später erfolgt und somit medizinisch ein wenig risikoreicher für die Frau wird, stört Gesundheitsministerin Süßmuth an dieser Stelle überhaupt nicht. Das Beratungspersonal inkl. Ärzte hat sich entsprechenden Indok- trinationskursen zur Verfügung zu stellen, damit auch bei der Mannschaft für den rechten Geist gesorgt ist. Außerdem läßt sich damit der Verdacht gegen Vereine wie Pro Familia nachdrücklich unterstreichen, daß da einer Schwangeren vielleicht auch einmal einfach verraten wird, wie sie ihr Problem los wird. Die Trennung von Indikationsstellung und Abtreibung sorgt für ein bißchen Kon- trolle unter den Ärzten und damit für mehr Zurückhaltung; da hat man ja seinen guten Ruf gegen den Verdacht auf "Abtreibungsarzt" zu schützen. Und ein paar weitere Verpflichtungen legen es den Ärzten nahe, daß das Befinden über Indikationen viel zu lästig ist. Daß neben dieser Ansammlung kleiner, aber wirkungsvoller bü- rokratischer Erschwernisse das Gesetz das Schwergewicht auf die "Beratung" legt, daß das eindeutige Interesse seiner Erfinder an höheren Geburtenquoten so ganz als die Heuchelei daherkommt, den Entscheidungsnöten der armen Schwangeren beistehen zu wollen, be- ruht auf einer sehr begründeten Berechnung. Ein schwangeres Mäd- chen mag noch so viele Gründe haben, demnächst nicht Mutter spie- len zu wollen; die staatliche Beratung besteht darauf, daß alle diese Gründe nicht zählen, um - laut Gesetz - "die Bereitschaft zur eigenverantwortlichen Annahme des ungeborenen Lebens" zu "wecken, stärken und" zu "erhalten". Sie stiftet ein schlechtes Gewissen bei allen Frauen, die noch eine Entscheidung treffen wollen. Ganz als ob mit dem befruchteten Ei eine Entscheidung ge- fallen wäre, der man sich zu fügen hat. Dabei operiert die Er- pressung zum Kinderwunsch sehr erfolgreich mit dem Appell an die Moral, für die sie nur die Vorstellung vom Embryo als eines fix und fertigen, süßen kleinen Menschleins etwas ausschmücken muß, um der zögerlichen Mutter das Problem eines leibhaftigen Mordes an ihrem Kind plus dem psychologischen Quark aufzuschwätzen, ob man so etwas "seelisch verkraften" könne. Zweitens bedient sich diese sogenannte Beratung sehr erfolgreich der Psychologie der bürgerlichen Menschheit, die sich gegen die Härten in der Welt der Arbeit und der Pflichten unbedingt an ihrem privaten Glück schadlos halten will. Und dabei ist das eigene Kind nun einmal der Inbegriff von enorm viel Lebenssinn: eine Kreatur, die man ganz persönlich für sich hat, die ohne eigene Berechnung Liebe braucht und erwidert. Und die diese Fehlkalkulation später uner- müdlich als mangelnde Dankbarkeit vorgenölt bekommt. Mit deren e i g e n e m brutalen Idealismus vom Mutterglück, das jede Last versüßt, setzt die Beratung ihrer Klientel höchst erfolgreich zu. Und wenn dann noch Ultraschallbilder mit ein paar weißen Pünkt- chen im eigenen Bauch dazu anregen, sich etwas Menschenähnliches dazu einzubilden, schmilzt manche dumme Gans dahin und ruiniert sich endgültig ihr Leben. Parteienprofilierung - alles für die "Frau" ------------------------------------------- Wie gesagt, das Gesetz schreibt ein paar der Erpressungstechniken und bürokratischen Schikanen allgemeinverbindlich fest, wie sie in ein paar Bundesländern schon gängige Praxis sind. Die Gelegen- heit für öffentlichkeitswirksame Entrüstung im Namen von "Frau", die Gelegenheit zur energischen Propaganda von "Liberalität" und "Frauenfreundlichkeit" haben sich FDP und SPD nicht entgehen las- sen können. Mit der kleinen Heuchelei natürlich, als wäre das bisherige Regelwerk eine einzige Hilfe für abtreibungswillige Frauen und als ginge die staatliche "Bevormundung", gegen die sie so mutig ankämpfen, überhaupt erst mit den paar Ergänzungen los. Aber so geht nun mal effektvolles Wahlkämpfen und in der Sache sind sich alle diese Adam-Schwätzers, die sich quer durch alle Parteien für "Frau" in die Bresche werfen, auch ganz schnell wie- der einig: Es muß den Schwangeren letztlich viel mehr "geholfen" werden - zum Kinder k r i e g e n natürlich. Da kann man sich über die neueren Abtreibungsverhinderungsideen auch ganz gut wie- der einigen und nebenher öffentlichkeitswirksam darüber palavern, daß - eigentlich - die paar Geldprämien aufgestockt gehörten, die einsichtsvollen Muttertieren in Aussicht gestellt werden. Daß das Kinder-Großziehen in Zukunft nichts mehr mit Geldsorgen zu tun haben soll, will natürlich keiner der verantwortlichen Herren und Damen Politiker damit gesagt haben. Aber wenn sich haarklein vor- rechnen läßt, daß sich eine ledige Mutter mit ein paar Zuschüssen zur Sozialhilfe doch wahrhaftig ohne Unterernährung durchfretten k a n n, dann ist das doch auf jeden Fall ein schlagendes Argu- ment dafür, daß es "in der reichen BRD" eine "soziale Indikation" eigentlich gar nicht geben kann. Daß also unter dem "Vorwand" auch nicht abgetrieben werden darf. So sorgen sich alle liebevollst um die Schwangeren, die "ein Recht darauf haben, von uns allen nicht im Stich gelassen zu wer- den". Bloß die s e l b e r e n t s c h e i d e n lassen, ob sie sich zu all den Sorgen des normalen Lebens auch noch ein Kind aufhalsen wollen, das kommt nicht in Frage. ----------------------------------------------------------------- Paragraph 218a: Indikationen zum Schwangerschaftsabbruch. (1) Der Abbruch der Schwangerschaft durch einen Arzt ist nach Pa- ragr. 218 strafbar, wenn 1. Die Schwangere einwilligt und 2. der Abbruch der Schwangerschaft unter Berücksichtigung der ge- genwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren nach ärztlichen Erkenntnis angezeigt ist, um eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden, und die Gefahr nicht auf eine andere für sie zumut- bare Weise abgewendet werden kann. (2) Die Voraussetzungen des Abs. 1 Nr. 2 gelten auch als erfüllt, wenn nach ärztlicher Erkenntnis 1. dringende Gründe für die Annahme sprechen, daß das Kind in- folge einer Erbanlage oder schädlicher Einflüsse vor der Geburt an einer nicht behebbaren Schädigung seines Gesundheitszustandes leiden würde, die so schwer wiegt, daß von der Schwangeren die Fortsetzung der Schwangerschaft nicht verlangt werden kann. 2. an der Schwangeren eine rechtswidrige Tat nach Paragraph 176 bis 179 begangen worden ist und dringende Gründe für die Angabe sprechen, daß die Schwangerschaft auf der Tat beruht, oder 3. der Abbruch der Schwangerschaft sonst angezeigt ist, um von der Schwangeren die Gefahr einer Notlage abzuwenden, die a) so schwer wiegt, daß von der Schwangeren die Fortsetzung der Schwangerschaft nicht verlangt werden kann und b) nicht auf eine andere für die Schwangere zumutbare Weise abge- wendet werden kann. (3) In den Fällen des Abs. 2 Nr. 1 dürfen seit der Empfängnis nicht mehr als zweiundzwanzig Wochen, in den Fällen des Abs. 2 Nr. 2 nicht mehr als zwölf Wochen verstrichen sein. zurück