Quelle: Archiv MG - BRD SOZIALPOLITIK FAMILIE/FRAU - Fröhliches im Intimbereich


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       Familienpolitik
       

FRÖHLICHES AUS DEM INTIMBEREICH

"Die bürgerlichen Redensarten über Familie und Erziehung, über das traute Verhältnis von Eltern und Kindern werden um so ekel- hafter, je mehr infolge der großen Industrie alle Familienbande für die Proletarier... zerrissen werden." (Karl Marx, Manifest der Kommunistischen Partei) Professionelle Freunde der Familie in Regierungskoalition und Op- position übertrumpfen sich z. Zt. gegenseitig in e i n e m Be- mühen: Bei den von ihrer Politik betroffenen Bürgern "einen Pro- zeß des Umdenkens einzuleiten". Warum? Weil es Deutschlands Fami- lien, gerade eben mit einem sozialen Sparprogramm für die Aufrü- stung in die Pflicht genommen, vordringlich an einem fehlen soll: Für die 80er Jahre brauchen sie "neue Erkenntnisse" über Sinn und Schwierigkeiten verantwortungsvoll wahrgenommener Familienpoli- tik. So sieht die neue Bundesministerin für Jugend, Familie und Ge- sundheit, Anke Fuchs, eine ihrer wichtigsten Aufgaben darin, ihr Ressort schnörkellos zu führen und "die Familienpolitik von der Bürde politischer Ideologie zu be- freien," Als hätte es hier je Probleme gegeben und nicht nur die von den Politikern s e l b s t gepflegte Tour, sich einen christlich- sozialliberalen Etikettenstreit "aufzubürden"! Sich d e n künf- tig zugunsten einer "fröhlichen Familien p o l i t i k" zu schenken zeigt nicht nur, daß dieser die Kürzungen ihrer "Leistungen" eh selbstverständliche Notwendigkeit sind, sondern auch, daß die Bürger das i d e o l o g i s c h e W o h l w o l- l e n i h r e r P o l i t i k e r lange genug strapaziert haben. So stellt man heute sein Gefühl für die Regierungsver- antwortung heraus! Die Opposition hat das schon immer gewußt; nur malt sie die Ge- fährdung der Familienpolitik vor lauter Verantwortungsgefühl et- was drastischer aus und läßt ihren Münchner Sozialreferenten Hans Stützle vor der Unverschämtheit der Bürger warnen, denen man den kleinen Finger gereicht habe und nun sagen müsse, "daß man die Familienpolitik nicht vom Wählerwohlwollen abhängig machen kann." Da wird den Bürgern gleich zweimal das handfeste Versprechen ge- macht, daß Familienpolitik z u s c h a d e f ü r s i e ist und sie sich daher besser von den Aufgaben, die Deutschland für sie vorgesehen hat, abhängig machen. Dabei hatten die deutschen Familien doch gar nicht aufgemuckt. Die Verbreitung ideologischen S c h e i n s familienfreundlicher Politik, von dem sich niemand etwas kaufen konnte, hatten sie brav ihren Stützle-Hubers über- lassen. Für solches Wohlverhalten ist die Quittung nur konse- quent: Vater Staat kündigt an, seine Familien künftig straffer zu führen. Kein Wunder also, daß die zuständigen Politiker immer auch ein bißchen perspektivisch vorausdenken - dafür werden sie schließlich auch bezahlt. Das Recht auf Familie... ------------------------ Anke Fuchs tut sich da als neuer Besen im Familienressort beson- ders leicht - kann sie doch in den Spuren des alten Besens Antje Huber weiterkehren und festhalten, daß es dabei keinesfalls "um die Höhe des Kindergeldes geht, sondern darum, wie es Müttern ermöglicht werden kann, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen." Hat da jemand beim Hecken neuer Volksgenossen ans Kinder g e l d gedacht? Pfui Teufel - sich über die Höhe des Kindergeldes scham- los Millionen unter den Nagel zu reißen! Das ist undankbar gegen- über dieser segensreichen E i n r i c h t u n g, die doch für die A r m e n geschaffen ist. Die sollen sich also gefälligst nicht bereichern, sondern mit Frau Anke f r ö h l i c h sein, wenn sie es schaffen, zu Lohnarbeit und Haushalt auch die Last von Kindern "unter einen Hut zu bringen". Eine ausgezeichnete Idee - freilich soll als erster Berti Vogts die Trainingskonzep- tion entwickelt haben, "unseren Nachwuchs" "hungrig" zu machen, damit er "unsere Farben" ehrenvoll vertritt. Also, junge Ehe- paare, keine Prämien! Denn merke: "Junge Familien (sollen) Kinder nicht als Geschenk" (hinterhältig kalkuliertes!) "an den Staat betrachten, sondern wieder mehr Be- wußtsein dafür entwickeln, daß Kindererziehung innerhalb der Fa- milie eine große Bereicherung für beide Ehepartner darstellt." Ganz f r e i dem Staat lauter Wunschkinder zu zeugen - das bringt G l ü c k ins Heim: Man weiß doch vom Adolf, daß das bei dem mit den Zuchtstätten irgendwie nicht so ganz hingehauen hat. Eine sozialdemokratische Ministerin ist da heute mit i h r e r Planung f a m i l i e n bewußter und mahnt das ganz unideolo- gisch an als Dank, der der Regierung abzustatten ist. Sieht sie es doch "als eine ihrer wichtigsten Aufgaben an, sozialdemokratische Po- sitionen innerhalb der Regierungsarbeit zu unterstreichen und darauf aufmerksam zu machen, was durch die SPD der 70er Jahre initiiert wurde." Leute, daß ihr überhaupt familiär sein könnt, ist ein Recht, das euch die Staatspartei Nr. 1 geschenkt hat - vergeßt das nicht! "Es ist notwendig, daß die Bürger die für sie durchgesetzten Rechte und Instrumente auch nutzen. ... Wenn die Bevölkerung nicht hinter den durchgesetzten Reformen und Rechten steht, droht die Gefahr, daß von konservativer Seite vieles rückgängig gemacht wird." ...verpflichtet --------------- Sicher bleibt die Regierungstätigkeit der Frau Fuchs auf der Strecke, keinesfalls jedoch das von ihr politisch Erreichte; denn schließlich gibt es auch in der Opposition Kollegen, die fleißig im Intimbereich herumdoktern und überlegen, was dort dem Staat reiche Frucht bringen könnte. CSU-Stützle ist schon besonders weit in die Problematik eingedrungen: Ihn juckt die Schaffung ei- ner "Berufslaufbahn kinderreiche Familie". Es hält ihn kaum am Schreibtisch, denkt er an "die Geburtenentwicklung aller Industrieländer. Das Ergebnis: Binnen 15 Jahren hat die Verhütungsrevolution - Pille, Abtrei- bung, Sterilisierung und ihr lautstarker Begleitdiskurs - die Fruchtbarkeit der gesamten Industriewelt halbiert. Wir gehen ei- ner uneinholbaren, unaufhaltsamen Selbstauslöschung entgegen." (Die verhütete Zukunft, Ein Buch nicht nur für Familienpolitiker, München 1982) Da heiß t es voll gegenhalten; "und zwar radikal: mit der Entschlossenheit eines allgemeinen Überlebenswillens, der von der Kommunalpolitik, der Landespoli- tik, der Bundespolitik und der Europapolitik gemeinsam getragen werden muß." So schweinisch der Mann vor sich hin denkt, er artikuliert ein Stück politischer Sorge um "die Fruchtbarkeit der deutschen Frau, die auf 1,30 - (notwendig wären 2,10) sinkt, auf einen Punkt, der tiefer liegt als je in der ganzen Menschheitsgeschichte, tiefer noch, als der Koeffizi- ent während der Belagerung Leningrads im Zweiten Weltkrieg,"... und einen "in der ganzen Fruchtbarkeitsgeschichte noch nie dage- wesenen Einsturz der Industriewelt" darstellt. "Zunächst entste- hen ein paar schwarze Löcher. Im deutschen Bevölkerungsgewebe tauchen abartige Verhaltensweisen auf, von denen sich nachher herausstellt, daß sie die Tendenz darstellen. Deutschland gleicht sich insgesamt seinen schwarzen Löchern an, die übrige Industrie- welt gleicht sich Deutschland an." So rassistisch der CSU-Familienpolitiker argumentiert, seine Ideologie vom Überlebenskampf der "weißen Rasse" schöpft er wie jeder Faschist aus seiner Sorge ums Menschenmaterial als natürli- cher Voraussetzung eines stabilen Staats. Und für den muß ein Po- litiker - namentlich einer der Opposition - immer schon ein biß- chen vordenken, will er sich der "fröhlichen Familienpolitik" der SPD kongenial erweisen. Das gehört heutzutage zur Demokratie und ist kein Schlag in ihr Gesicht. Im übrigen soll's bei der christ- demokratischen "Berufslaufbahn 'kinderreiche Familie'" ganz zivi- lisiert zu gehen: Mit Geld läßt sich's sachlich regeln. Familien, die's brauchen, werden sich dann schon finden. "Erreicht man mit den geeigneten Anreizen 20 von Hundert Familien mit 5 Kindern, was natürlich eine vollständige Bezahlung mit an- gemessener Rente für die Frauen bedeutet, die sich zu dieser Laufbahn entschließen, dann kann sich das übrige Volk sogar sei- nen Familienplan nach dem Modell der deutschen Städte mit ihren dürftigen Familien von 1 und 2 Kindern gestatten." Da springt doch für jeden etwas heraus. Liberal ist diese Famili- enpolitik also auch noch. zurück