Quelle: Archiv MG - BRD SOZIALPOLITIK FAMILIE/FRAU - Fröhliches im Intimbereich
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"UNTERNEHMER ANIMIEREN ZUM KINDERKRIEGEN"
Anzeigenserie soll als "private Initiative für die Familie" ver-
standen werden
Der Ruf nach mehr Kindern für die Volkswirtschaft ist konjunktu-
runabhängig. Daß ihn gerade jetzt die Unternehmer selbst aussto-
ßen, verdankt sich ihrer bitteren Erfahrung, daß im erreichten
Boom sich wunderbare Manöver mit den Arbeitslosen anstellen lie-
ßen, dennoch aber das Reservoir immer noch nicht unerschöpflich
war. Immer noch sieht sich der Unternehmer gezwungen, auf gewisse
vorhandene Qualifikationen Rücksicht zu nehmen, immer noch gibt
es nicht zu jeder einzelnen Fertigkeit so viel Arbeiter, daß der
Unternehmer zu einem Lohn von DM Null beliebig unter ihnen aus-
wählen kann. So kommt er nicht umhin, den Arbeitern Verantwor-
tungslosigkeit vorzuwerfen: sie vögeln nicht genug bzw. bedienen
sich zu oft der Pille. Konsequenter Materialist, unser Unterneh-
mer, weiß er, daß er nun einen materiellen Anreiz zu bieten hat:
getäuscht hat sich aber, wer meint, der Unternehmer würde nun mit
Beate-Uhse-Produktion "animieren", Freistellung der Frau von Ar-
beit verlangen, damit sie sich für den Abgeschlafften ordentlich
herausputzen kann, Sex-Belohnungsprämien ausschütten - nein,
seine Sauereien sind von ganz anderer Art:
"Eine Anzeigenaktion 'Kinder erwünscht' starten im Januar näch-
sten Jahres 13 Unternehmen im Bundesgebiet, die sich zu der
'Privaten Initiative für die Familie' zusammengeschlossen haben.
Die Firmen, unter ihnen Versicherungen, Industrie- und Werbefir-
men, wollen jungen Ehepaaren Mut zu Kindern machen und den
'Kellerkurs der Babykurve' stoppen.
Sprecher der Gruppe beklagten in Frankfurt vor der Presse, daß
das Streben nach materiellem Wohlstand eine Ursache für den
Geburtenrückgang in der Bundesrepublik sei. Kinder würden dem
Wunsch nach Reisen, Beruf und Karriere sowie Partnerschaft zu
zweit im Wege stehen. Kinderlose und Berufstätige würden ein
höheres Ansehen genießen als Frauen mit Kindern. Mit einer
Anzeigenserie soll diese 'oberflächliche Einstellung' überwunden
und verdeutlicht werden, daß Kinder Lebensinhalt und Freude
vermitteln und zum Jungbleiben beitragen."
Die Sorte Bevölkerungspolitik, die unser Unternehmer notgedrunge-
nermaßen wird ergreifen müssen, ist also für die kommende Krise
vorprogrammiert. Vielleicht bringt sie keinen Baby-Boom mit sich,
auf jeden Fall aber einen verstärkten Anreiz zu vermehrtem Ange-
bot von verbilligter Arbeitskraft. Das kommt aufs selbe raus. Die
Marxsche Wahrheit wird sich wohl auch gegen die Pille durchset-
zen, wenn es eine ist:
"Die Stockung der Produktion hätte einen Teil der Arbeiterklasse
brachgelegt und dadurch den beschäftigten Teil in Verhältnisse
gesetzt, worin er sich eine Senkung des Arbeitslohns, selbst un-
ter den Durchschnitt gefallen lassen müßte... Der Preisfall und
der Konkurrenzkampf hätten andrerseits jedem Kapitalisten den
Stachel gegeben, den individuellen Wert seines Gesamtprodukts
durch Anwendung neuer Maschinen, neuer verbesserter Arbeitsmetho-
den, neuer Kombinationen unter dessen allgemeinen Wert zu senken,
d.h. die Produktivkraft des gegebnen Quantums Arbeit zu stei-
gern... und damit Arbeiter freizusetzen, eine künstliche Überbe-
völkerung zu schaffen." (Das Kapital, Band III, p. 265)
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