Quelle: Archiv MG - BRD SOZIALPOLITIK ALLGEMEIN - Die Verwaltung der Armut
zurückDER SOZIALSTAAT ...UND SEINE LIEBHABER
Der Sozialstaat --------------- Wenn ein Staat sich selbst verpflichtet, S o z i a l staat zu sein, so wird das gemeinhin für eine höchst erfreuliche Sache ge- halten. Die öffentliche Propaganda macht aus dem Art. 20.1 GG einen Beleg dafür, daß die Bundesrepublik nie und nimmer ein Klassenstaat sein könne, weil der Staat als Sozialstaat ja auch (und gerade) für die "Unterprivilegierten" dasein wolle. Und linke Kritiker halten selbigen Verfassungssatz für den Hebel, aus ihrer BRD einen Staat nach den eigenen Wünschen zu gestalten. Die so allseits geteilte Ansicht zum Sozialstaat lautet: ein solcher Staat ist einer und soll einer sein, der sich die Interessen der Arbeiter und derer, die in der Konkurrenz scheitern, zu eigen macht und ihnen in der Not unterstützend beispringt. Dies ist die Ideologie zum Sozialstaat, eine grundverkehrte Deutung desselben. Die Vorstellung vom geschenkeverteilenden Staat, der sich mild- tätig der Armen annimmt, wie sie jedem, sei es nun in der Sonder- schule oder auf dem Gymnasium in frühester Jugend, beigebracht wird, ist darum so verrückt, weil jedem, der vom Verkauf seiner Arbeitskraft leben muß, schon ganz unmittelbar der Sozialstaat völlig anders entgegentritt. Kaum verdient man das erste Geld, schon hat man neben den Steuern auch seine Sozialbeiträge vom Lohn abgezogen bekommen. Der Sozialstaat hat nämlich die wenig erfreuliche Eigenschaft, neben dem Staatshaushalt, aus dem etwa Bildung, Rüstung oder Industriesubventionen finanziert werden, einen weiteren Haushalt einzurichten, der die Mittel für das "System der sozialen Sicherung", den "Kern der Sozialpolitik", enthält (der nebenbei auch noch eine beliebte Quelle darstellt, billige Finanzmittel für ersteren bereitzustellen). Im Sozial- staat wird die arbeitende Klasse also gezwungen, für alle dieje- nigen aufzukommen, die keinen Lohn mehr erhalten, weil mit ihrer Arbeit kein Profit mehr zu machen ist. Den Staat sich als rettenden Engel der in Not Geratenen vorzu- stellen, ist im übrigen deswegen falsch, weil es seine sehr zweckmäßige Kalkulation mit der Armut durchstreicht: 1. sorgt das von ihm garantierte Eigentum an Produktionsmitteln, die Produk- tion zum Zwecke der Kapitalverwertung, nicht nur dafür, daß der Großteil der Bundesbürger gezwungen ist, sich für einen beschei- denen Lohn zu verdingen, sondern führt auch dazu, daß ein Teil dieser Leute - sobald sie verschlissen und/oder überflüssig sind - mittellos dastehen; 2. verwaltet er das "System der sozialen Sicherung" genau in der Weise, wie es seinem Zweck, der Beförde- rung des Kapitals gemäß, ist. Da baut er per Gesetz manchen Zwang ein, daß die Betroffenen auch nur ja rücksichtslos mit ihrer Ge- sundheit umgehen (Kostendämpfungsgesetz, Karenztage etc.), keine Mühe scheuen, sich für die Arbeit zurecht zu machen und bezüglich Lohneinbußen nicht pingelig sind. Und wenn die Wirtschaft mehr qualifizierte Kälte braucht, gibt er die den arbeitenden Menschen entzogenen Gelder für die entsprechenden Qualifizierungen aus, wenn nicht mehr, streicht er sie wieder. Wenn eine Firma kurzfri- stig weniger produzieren will, weil sonst der Profit nicht stimmt, erspart er der Firma Lohnkosten, indem er Kurzarbeiter- geld zahlt, usw. usf. Vor allem aber sieht er sich dann überfor- dert, wenn seine Wirtschaft einmal eine große Masse Leute dauer- haft für überflüssig erachtet - dann will er kein Geld dafür aus- geben, und größere Armut wird dekretiert. Freilich, selbst wenn wie heutzutage die Wahrheit des Sozial- staats in aller Härte zutage tritt - kraft gesetzlicher Gewalt legt er fest, wie die Arbeiterklasse mit dem über-Wasser-Halten eines in wachsendem Umfang produzierten Anteils erwerbsunfähiger Leute selber fertig werden muß, auf daß die ureigenen Finanzquel- len des Staats (Steuern und Staatsschulden) nicht angetastet wer- den -, wird offiziellerseits nicht von der Ideologie abgelassen, auch dies noch müsse man dankbar als Großtat von Politikern auf- fassen, die ihre Verarmungsbeschlüsse ausschließlich aus sozialer Verantwortung heraus fassen. Bei jeder Kürzung sozialer Ausgaben soll man immer schön an die Lüge eines unabweisbaren staatlichen Finanzmangels und an eine "Rettung des sozialen Netzes" denken (daß beim Verteidigungsetat eine Anti-"Mißbrauche"-Kampagne auf- kommen könnte mit 10 Mrd. DM Streichungen und So retten wir die Bundeswehr-Sprüchen, ist selbstredend undenkbar; da stimmt die Kasse). Und nur, wer bisher schon mit Blick auf die sozialstaat- liche Verwaltung der Armut der arbeitenden und angestellten Klas- sen der Rede von einem "mittlerweile erreichten und abgesicherten Wohlstandsniveau" Glauben geschenkt hat, bloß weil ohne Unfall-, Kranken-, Arbeitslosen-, Rentenversicherung noch ganz anderes Elend herrschen würde, dem fällt auch die dummdreiste Arroganz arbeiterfreundlicher Sprüche nicht weiter auf, wie sie z.B. der neue Sozialminister Blüm serienweise auf Lager hat; oder wie an- ders soll man es nennen, wenn dieser Selbstgerechtling Kritik an seinen Streichaktionen bei Geldern für Arbeitslose, Rentner usf. damit abwimmelt, daß er doch mit den Geldern der Arbeiternehmer sparsam umgehen müsse (weshalb er deren Beitragssätze anderntags anheben ließ !?). Soziale Gerechtigkeit ist eben, daß jeder das bekommt, was ihm staatlicherseits zugestanden wird - gemessen an den Diensten, auf die die Politik von seiner Seite rechnen kann und will... Für die Verbreitung der hohen Meinung über den Sozialstaat wird einiges getan. Freie Journalisten verweisen etwa auf das Elend in anderen Ländern, um den falschen Schluß vorzuführen: weil die überflüssigen Menschen hier nicht einfach verhungern, ist der Staat der Anwalt der Interessen aller Bürger. Oder sie stellen die Entscheidungen der Politiker in Sachen nützlicher Armut - ge- nau wie diese selbst - als verzweifelte Versuche dar, mit den Sachzwängen fertig zu werden. Der Sozialkundeunterricht an den Schulen führt die historische Entwicklung des Sozialstaats als Zeugnis dafür an, daß der Staat sich immer mehr bemüht hat, Wohl- stand für alle zu schaffen; die Zwecke, die noch jedem Sozialge- setz zu entnehmen sind, kommen dabei idealistisch verdreht vor als Gerechtigkeitsproblem bei der Verfolgung des eigentlichen An- liegens, den Lebensstandard aller möglichst hochzuhalten - was sich heute eben in die Lüge kleidet, alle müßten möglichst "ausgewogen" für die Sanierung des Staatshaushalts "Opfer brin- gen", ohne die alles für alle noch viel schlimmer würde. Und an der Uni werden die Lehrer von morgen mit der Wissenschaft von der Sozialpolitik vertraut gemacht, die den herrschenden Ideologien über den Sozialstaat eine solide Fundierung gibt. zurück